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Wie Autobauer ihre IT-Abteilungen fit machen

Schluss mit den Hardware-Zyklen

Die europäische Automobilindustrie muss sich darauf einstellen, dass Software eine wichtigere Rolle in der Wertschöpfung einnimmt. Wie Autohersteller ihre IT-Abteilungen auf diesen Wandel einstellen können, schildern Markus Beller und Manuel Teufel vom Softwareunternehmen DoubleSlash.

 (Bild: doubleSlash Net-Business GmbH)

(Bild: doubleSlash Net-Business GmbH)

Jahrzehntelang hatten die europäische und US-amerikanische Autoindustrie den Weltmarkt im Griff. Doch heute stoßen ihre gewachsenen Strukturen und Produktionsbedingungen auf den Wandel eines digitalen Zeitalters. Herausforderungen sind die wachsende Komplexität der Fahrzeuge und die Vernetzung mit angrenzenden Ökosystemen, wie den Software-Produkten für das Laden der Fahrzeuge, die Smart Home Integration oder der digitale Fahrzeugschlüssel. Solche Systeme sind nur branchen- und unternehmensübergreifend realisierbar. Dass Software heute der zentrale Faktor im Kampf um Marktanteile ist, gilt im Top-Management der Autokonzerne als gesetzt. Entsprechend ambitioniert sind die Roadmaps, die aus den Chefetagen kommen. Um sie umzusetzen, brauchen die Autobauer performante Software-Ökosysteme mit leistungsfähigen Software-Testumgebungen und schnellen DevOps-Entwicklungsteams. Die bislang oft geübte Praxis, Operations-Aufgaben aus Kostengründen auszulagern, hemmt diese Entwicklung oft.

Gängige Praxis birgt Limits

Das Gleiche gilt für Steuerungsmechanismen, die auf die klassischen Projektmanagement-Methoden ausgelegt sind. Die Testumgebung sollte stattdessen so nah an der Produktivumgebung wie möglich sein. Es gilt:

  • • alle Subsysteme in vernetzten Systemen inklusive Testfahrzeugen verfügbar zu machen, um Tests über die Systemkette und die Simulation aller angestrebten Funktionen zu ermöglichen.
  • • mit Service Level Agreements (SLAs) und Schnittstellenverträgen zu arbeiten, damit Verfügbarkeiten, Antwortzeiten, Funktionen und verfügbare Daten genauso verbindlich fixiert sind wie in Produktivumgebungen.
  • • Testdaten zur Verfügung zu stellen, die der Realität entsprechen. So sollten in Tests die Daten möglichst aller Fahrzeugvarianten verfügbar sein – mit Sonderausstattungen, Verhaltens- oder Marktspezifika. Dafür gibt es Software, mit der Entwickler auf Knopfdruck via API ein realistisches digitales Abbild erstellen können.
  • • große Lasten abbilden zu können. Wird die Testbasis aus Kostengründen eingedampft, sind Nachfrage-Peaks, wie sie im Realbetrieb vorkommen, kaum darstellbar. In der Cloud lassen sich heute Testumgebungen mit hoher Last simulieren und anschließend dynamisch herunter skalieren.

Weitere Hürden abbauen

Nach wie vor lassen Autobauer einen Großteil ihrer Software von externen Dienstleistern programmieren. Doch ihre Onboarding-Prozesse sind oft kompliziert, etwa aufgrund von Compliance-Anforderungen. Hier könnten Self-Service-Dienste und die Vernetzung der einzelnen Berechtigungssysteme für Abhilfe sorgen. Zu den wichtigsten technischen Voraussetzungen für eine stabile automatisierte DevOps-Umgebung gehört das Einbinden aller Beteiligten in die Cloud. Dafür sind die Autobauer inzwischen strategische Partnerschaften, etwa mit AWS oder Microsoft, eingegangen. Allerdings neigen die Konzerne dazu, die Vorteile der Cloud durch zusätzliche Frameworks oder überzogene Policies wieder einzuschränken. Eine Lösungsstrategie ist, gut geschulte, eingespielte und selbstverantwortliche DevOps-Teams mit mehr Berechtigungen auszustatten und von langwierigen manuellen Berechtigungsprozessen zu befreien.

Frameworks einsetzen

Darüber hinaus sind agile Softwareentwicklungs-Frameworks wie SAFe oft geeignet, die Kollaboration der Teams zu verbessern, die Komplexität zu beherrschen sowie schnell auf neue Umstände reagieren zu können. Sie bilden die organisatorische Basis, um Abhängigkeiten und Risiken übergreifend zu betrachten und alle Stränge zu bündeln. Damit alle Komponenten zügig zu einem Gesamtsystem zusammenwachsen können.

Falsche Effizienzansätze

Eine Herausforderung bei der SAFe-Integration in der Automotive-Industrie ist das Denken in Hardware-Zyklen. Um das Potenzial des Frameworks auszuschöpfen, ist eine Schulung nicht nur der Entwicklerinnen und Entwickler unabdingbar – auch Fachbereiche, Management, die Organisation und die IT-Zulieferer müssen einbezogen werden. Sonst wird womöglich das agile Framework an die ‚alte Welt‘ angepasst und etwa die Scrum-Retrospektive eingespart, obwohl sie für die Weiterentwicklung der Teams wichtig ist. Ist die Organisation nicht auf allen Ebenen eingebunden, besteht die Gefahr, dass sich Micromanagement einschleicht: Top und Low Management denken und handeln agil, das mittlere Management folgt nach wie vor dem Milestone-Hardware-Denken. Hier zeigen sich mittlerweile in der Praxis positive Tendenzen, die es konsequent zu leben und zu verstärken gilt. Wenn die Software Taktgeber ist und das Denken in Hierarchien und Hardware-Zyklen aufhört, stehen die Chancen gut, dass Autobauer ihre Geschwindigkeit und die Qualität ihrer Software signifikant erhöhen – und ihre Position auf dem Weltmarkt behaupten.


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