Um das volle Potenzial des digitalen Zwillings zu verstehen und mögliche Einsatzgebiete zu identifizieren, muss das Konzept umfassend verstanden werden. Und dies vorneweg: Silodenken beim Datenaustausch wird dabei zunehmend einer Autofahrt mit angezogener Handbremse gleichen.
Immer mehr Firmen erstellen digitale Zwillinge. Nach einer Umfrage des Analystenhauses Gartner unter rund 600 Unternehmen setzen im IoT-Bereich bereits 75 Prozent auf Digital-Twin-Konzepte, sind in der Einführung oder planen diese für die kommenden zwölf Monate. Viele Firmen haben jedoch oft keine konkrete Vorstellung davon, was ein digitaler Zwilling genau ist. Eine klare Definition ist jedoch hilfreich, um das Potenzial des Konzeptes einschätzen zu können. Seine wohl wichtigsten Merkmale werden im Anschluss erörtert:
Kontext schafft den Wert
Zweck: Der digitale Zwilling ist keine Spielerei oder ein Wert an sich. Er muss einen klaren Zweck haben und einen konkreten Nutzen bringen.
Eindeutigkeit: Jeder digitale Zwilling hat ein direktes Gegenstück in der physikalischen Welt, das er möglichst vollständig beschreibt. Er ist also eine virtuelle 1:1-Abbildung. Dabei kann es sich um ein Werkstück, ein Produkt, eine Produktionsanlage, ein System oder auch einen Prozess handeln. Das volle Potenzial des digitalen Zwillings lässt sich nur durch diese enge Kopplung von realer und digitaler Welt erschließen.
Digitaler Master und digitaler Schatten: Der digitale Zwilling ist eine Kombination verschiedener Datenquellen, die sich in zwei Kategorien einordnen lassen – digitaler Master und digitaler Schatten. Der digitale Master umfasst Modelle und Informationen aus der Entwicklungsphase, etwa CAD-Pläne oder Stücklisten. Er stellt die Basis für die Modellierung dar. Der digitale Schatten, auch digitale Lebenslaufakte genannt, ergänzt und aktualisiert diese Informationen. Er erfasst dazu kontinuierlich alle Zustandsdaten des realen Gegenstücks, die im Laufe eines Produktlebens anfallen.
Digitaler Regelkreis: Digitaler Zwilling und reales Produkt stehen im stetigen Datenaustausch und beeinflussen sich über Sensoren und Aktoren gegenseitig. Die Analyse der Zustandsdaten ermöglicht es, Nutzungsmuster zu erkennen, deren Auswirkungen auf das physische Produkt vorherzusagen und dieses so zu beeinflussen, dass die Gefahr von Ausfällen minimiert wird. So entsteht ein digitaler Regelkreis, der je nach Integrationsstufe autonom oder teilautonom ablaufen kann.
Daten entlang des gesamten Lebenszyklus
Um Nutzen aus einem digitalen Zwilling ziehen zu können, gilt es auch einige Herausforderungen zu meistern. So müssen über den gesamten Produktlebenszyklus eindeutige und nachvollziehbare Daten vorliegen. Diese Informationen müssen ausreichend geschützt sein. Rechtliche Vorgaben für die Erfassung, Verwaltung und Nutzung sind zu beachten. Alle notwendigen Datenquellen müssen durchgängig, nutzenorientiert und über alle relevanten Bereiche hinweg integriert werden. Zwischen digitaler und realer Welt muss also eine enge Verbindung bestehen.
Die wichtigsten Anwendungsszenarien
Die Einsatzmöglichkeiten für den digitalen Zwilling reichen von der Qualitätssicherung in der Herstellung bis zu nutzungsbasierten Geschäftsmodellen. Hier einige typische Beispiele:
Bei der Fertigung von Bauteilen gibt es häufig Abweichungen, die noch innerhalb der Spezifikation liegen, die aber dennoch die Stabilität und Zuverlässigkeit des Endprodukts negativ beeinflussen können. Über den digitalen Zwilling können solche Toleranzen während der Fertigung registriert und dokumentiert werden. Ist das Werkstück oder Produkt entsprechend modelliert, können potenzielle Auswirkungen auf Leistung und Lebensdauer automatisch simuliert und analysiert werden. Aus den Analysen lassen sich zudem Gruppen ähnlicher Abweichungen erkennen und zusammenfassen. Stellt die Analyse etwa fest, dass ein Zylinderkopf, der um wenige Mikrometer von dem im CAD abgebildeten Idealfall abweicht, im Motor bei Volllast einen höheren Verschleiß verursacht, kann sie diese Information an den realen PKW übermitteln. Über den digitalen Regelkreis kann der betroffene Motor dann automatisch bei etwa 95 Prozent Leistung abgeregelt werden. Der Nutzer bemerkt davon kaum etwas, das Aggregat seines Autos lebt aber dadurch deutlich länger.
Ein weiteres Einsatzgebiet ist die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance). Erkennt der digitale Zwilling, dass eine Komponente, beispielsweise die Wasserpumpe eines LKW, kurz vor dem Ausfall steht, alarmiert er nicht nur sein physikalisches Gegenstück, sondern ordert zugleich das Ersatzteil und vereinbart einen Austauschtermin in der Werkstatt. So lassen sich Stillstandzeiten reduzieren und die Kosteneffizienz verbessern. Aber nicht nur Bauteile, Maschinen oder Fahrzeuge können durch einen digitalen Zwilling repräsentiert werden, gesamte Produktionsanlagen sind als virtuelles Abbild modellierbar. Es erfasst neben Maschinen und Werkzeugen die Abläufe und dynamische Wechselwirkungen, die im Fertigungsprozess auftreten. Unternehmen können somit Herstellungsprozesse im virtuellen Abbild analysieren und Änderungen auf ihre Auswirkungen testen, bevor sie in den Realbetrieb gehen. Umgekehrt fließen Veränderungen der realen Produktionsumgebung in den digitalen Zwilling ein. Droht beispielsweise eine Maschine auszufallen, benachrichtigt sie automatisch benachbarte Anlagen, die ihrerseits automatisch die Produktion drosseln oder umplanen können. So lässt sich der Ausfall unter Umständen hinauszögern, bis eine Ersatzmaschine einsatzbereit ist. Auch dies kann autonom und automatisch über den digitalen Zwilling geschehen. Schließlich ist der Einsatz virtueller Abbilder nicht auf die Optimierung bestehender Geschäftsmodelle beschränkt. Unternehmen wie der Flugtriebwerkhersteller Rolls Royce, der statt Triebwerken ‚Jet Propulsion as a Service‘ verkauft, oder der Kompressorenspezialist Kaeser mit ‚Druckluft as a Service‘ sind zwei Beispiele für dieses Geschäft. Auch neue Garantie- oder Versicherungsmodelle sind möglich. So wäre etwa bei einem Gebrauchtwagen die bisherige Nutzung über den digitalen Zwilling lückenlos dokumentierbar. Ein Händler könnte auf Basis dieser Daten und der daraus abzuleitenden Prognosen eine bestimmte zukünftige Laufleistung garantieren oder zusätzliche nutzungsabhängige Leistungspakete anbieten.
Schluss mit Einbahnstraßen
Der digitale Zwilling dürfte künftig eine weit größere Rolle in der vernetzten digitalen Welt einnehmen. Voraussetzung für seinen Erfolg ist allerdings ein intensiver barrierefreier Datenaustausch nicht nur zwischen Zwilling und realem Abbild, sondern auch zwischen Unternehmen, Kunden und den Maschinen selbst. Dazu ist es nötig, Silodenken aufzubrechen, das gerade in Automobilkonzernen heute noch weit verbreitet ist. Der Datentransfer darf keine Einbahnstraße sein. Endkunde oder Nutzer, OEM und Zulieferer verschiedener Tiers müssen Daten beisteuern, aber auch erhalten, um das volle Potenzial des digitalen Zwillings zu heben und bessere Produkte herstellen zu können.
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