Virtuelle Inbetriebnahme

Fehler und Schäden mit Simulation vermeiden

Die Simulation am digitalen Zwilling macht die Inbetriebnahme von Anlagen und Maschinen mit automatisierten Bewegungen sicherer. Fehler fallen früher auf und können behoben werden, bevor die Anlage aufgebaut ist. So lassen sich Schäden und Verzögerungen vermeiden. Auch als Schulungstool für Bediener und Programmierer ist die digitale Maschine hilfreich.

 (Bild: ©HERRNDORFF_ images/stock.adobe.com)
(Bild: ©HERRNDORFF_ images/stock.adobe.com)

Im gängigen Konstruktions- und Inbetriebnahmeprozess wird eine Maschine zunächst geplant und konstruiert, darauf aufbauend werden Schaltpläne und Elektrik entwickelt und danach die Software programmiert. Die Maschine wird montiert, verdrahtet und angeschlossen und in Betrieb genommen. Dabei erfolgt die Überprüfung der Hardwareschnittstelle sowie der Anwesenheit aller Komponenten, der Sensoren und Aktoren. Beim I/O-Check (Ein-und Ausgangssignaltest) wird validiert, dass die Signale für Ansteuerung und Rückmeldungen ankommen. Mechanische Komponenten wie Antriebe und pneumatische Zylinder werden eingestellt. Dann erfolgt der Funktionstest: Die Software wird zunächst durch den Handbetrieb an der Anlage getestet, danach erfolgt die Grundstellungsfahrt und der Automatikablauf. Die manuelle Ansteuerung der Komponenten und Rückmeldungen der Sensoren stellt sicher, dass alle Teile im definierten Zustand und der richtigen Position für die anschließende Automatik-Fahrt sind. Festgestellte Fehler in der Software werden beseitigt und die Inbetriebnahme über den Anlauf der Produktion und die Produktionsbegleitung abgeschlossen.

Früher testen

Da Mechanik und Software erst spät bei der Inbetriebnahme getestet werden, fallen erst dann Fehler im Prozess auf. Es kann jetzt zu Verzögerungen kommen, weil Anpassungen oft aufwendiger als früher sind. Bei der virtuellen Inbetriebnahme wird in den Prozess des Anlagenbaus ein digitaler Zwilling der Maschine oder Anlage angelegt, anhand dem die Inbetriebnahme simuliert wird. Diese folgt einem ähnlichen Ablauf mit der Überprüfung der Schnittstellen und dem Vorhandensein der Komponenten in der Simulation sowie dem I/O-Check. Auch die Signale des Modells werden vollständig geprüft und Einstellungen an Komponenten in der Simulationssoftware vorgenommen. Diese virtuelle Inbetriebnahme findet bereits im Zeitslot mit Elektrik- und Softwareentwicklung der eigentlichen Inbetriebnahme statt.

Exakte Darstellung

Grundlegend für die virtuelle Inbetriebnahme ist ein CAD-Modell mit den 3D-Informationen aus der Konstruktion des Maschinenbauers. Die Komponenten können über eine Software animiert werden. Dafür muss die Struktur des Modells für die Kinematisierung geeignet und jedes Bauteil einzeln verfügbar sein, damit Teilkomponenten ausgewählt werden können. Alle Aktoren, die eine energieführende Bewegung ausführen, und alle Sensoren, die Bauteile erkennen und eine Rückmeldung aus der Maschinenumgebung liefern, müssen im Modell enthalten sein, sonst wird eine Nachrüstung erforderlich. Liegen mechanische Abhängigkeiten oder Bauformen nicht genau vor, wird es zwischen Modell und Wirklichkeit zu Abweichungen kommen. Deswegen ist die Korrektheit von Mechanik und Abläufen des Modells essentiell für die virtuelle Inbetriebnahme.

Bei der virtuellen Inbetriebnahme fallen viele Fehler bereits auf, bevor die Maschine montiert ist und Korrekturen bedeutend teurer wären. (Bild: ©Gorodenkoff/stock.adobe.com)
Bei der virtuellen Inbetriebnahme fallen viele Fehler bereits auf, bevor die Maschine montiert ist und Korrekturen bedeutend teurer wären. (Bild: ©Gorodenkoff/stock.adobe.com)

Teilunschärfe bleibt

Das Ziel ist, mit der virtuellen Anlage so nah wie möglich an die echte heranzukommen. Die virtuelle Inbetriebnahme betrachtet aber immer ein Ideal. Verluste und Reibungen der Anlage werden z.B. nicht exakt wiedergegeben. Je realer die Nachbildung, desto mehr muss simuliert und eingestellt werden und damit steigt der Aufwand. Deswegen ist es wichtig, zu wissen, was man genau erreichen will, um die notwendige Detailtiefe der Simulation festzulegen. Kinematik und Bewegungsabläufe lassen sich z.B. leichter virtualisieren als das Verhalten von Flüssigkeiten und Luftmassen, etwa bei Befüllanlagen von Rohrsystemen.

Nutzen wiegt Mehrkosten auf

Durch die virtuelle Inbetriebnahme entstehen zunächst ein Mehraufwand und höhere Kosten, da sie einen zusätzlichen Schritt im Prozess zur fertigen Maschine darstellt. Dennoch sprechen die Vorteile für diesen Mehraufwand. Mit der virtuellen Inbetriebnahme sind Tests bereits deutlich früher im Modell möglich und darüber können wertvolle Informationen über die Anlage gewonnen werden: Läuft die Mechanik korrekt, stimmen Maße und Abstände, funktioniert die Software? Fehlkonstruktionen sind am 3D-Modell erfassbar. Fehler können dann bereits vor der Montage und der realen Inbetriebnahme korrigiert werden. Auch Änderungen an der Software gehen schneller, so dass sie auf der Baustelle in der Praxis häufiger sofort funktioniert. Kritische Korrekturen, die sehr viel teurer sein können als das Modul der virtuellen Inbetriebnahme, werden verhindert und die Qualität des Endprodukts verbessert. Hinzu kommt, dass der Ansteuerungstest der Hardware virtuell vollkommen risikolos erfolgen kann. Maschinenteile und -komponenten sind oft sehr teuer – Fehler in der Mechanik oder der Programmierung können hohe Kosten verursachen: Das Unternehmen muss die zerstörten Teile neubeschaffen und austauschen lassen, die Inbetriebnahme verzögert sich und die Kosten steigen. Die Simulation sorgt also dafür, dass die Maschine sofort wie geplant funktioniert, verhindert Verzögerungen und verkürzt auf diese Weise den Projektverlauf. Hinzu kommt, dass die Präsenzzeit der Mitarbeiter auf der Baustelle reduziert werden kann, da ein Teil der Inbetriebnahme im Büro durchgeführt wurde. Ist die Anlage virtuell im Modell umgesetzt, lassen sich auch Anpassungen und Umbauten – Änderungen von Robotern oder der Mechanik – simulieren und überprüfen und die Software dafür anpassen und vorbereiten. Auch hier profitieren Unternehmen von einem Mehr an Sicherheit und einer kürzeren Inbetriebnahmephase. Zudem ist die reale Anlage schneller wieder einsetzbar und wird während der Entwicklung nicht blockiert.

Nützlich in der Ausbildung

Der digitale Zwilling dient auch als ideales Schulungsinstrument für Bedienpersonal. Es kann dort trainiert werden und Erfahrungen aufbauen, wie die Steuerung der Maschine reagiert und was im Fall von Fehlern passiert, ohne die echte Maschine für die Trainingsphase in Anspruch nehmen zu müssen. Auch hier werden Fehler und Beschädigungen vermieden. Ergänzend bietet das virtuelle Modelle eine gute Schulungsmöglichkeit für angehende Programmierer, statt an der echten Anlage zu üben. Automatisierungstechnik wird oft im laufenden Prozess gelernt – entsprechend hoch ist der zeitliche Druck und jener, keine Fehler zu machen. An der virtuellen Anlage kann sich der Programmierer dagegen voll auf das Lernen und das Ausprobieren konzentrieren.