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Projektspezifische Informationen sammeln und nutzen

Der Informations-Zwilling

In Maschinen und Anlagen steigt der Anteil an Technik und Software immer weiter an. Maschinenbauer, die die Produktinformationen zu ihren Anlagen über deren Lebenszyklus hinweg in einem PDM/PLM-System zusammentragen, haben damit eine Lebenslaufakte geschaffen. Damit steht ihnen ein digitaler Informations-Zwilling der Anlage zur Verfügung, wie sie an den Kunden ausgeliefert wurde.

 (Bild: StrikoWestofen)

(Bild: StrikoWestofen)

Ein digitaler Zwilling ist ein computergestütztes Modell eines realen Objektes, an dem sich virtuell Simulationen vornehmen lassen. Prozesse, Produkte und auch Dienstleistungen können so künstlich darstellt werden. Dazu übermitteln Sensoren an einem realen Objekt ihre Daten an den digitalen Zwilling, der sie verarbeitet und auswertet. Das Ziel ist es beispielweise, Fehler vorherzusehen und Probleme zu vermeiden, bevor sie am realen Objekt auftreten. Weil die Technik voraussetzungvoll ist, stehen die meisten Unternehmen noch am Anfang, was den Einsatz vollständiger digitaler Zwillinge angeht. Momentan sind es eher vereinzelte Anlagenbereiche, die fernüberwacht werden, um basierend auf diesem Erkenntnis Predictive Maintenance anzuwenden, also vorausschauende Instandhaltung.

Einfacher Einstieg

Meist viel einfacher als ein vollständig digitales Abbild lässt sich ein sogenannter digitaler Informations-Zwilling erstellen. Jeder Anlagenbauer, der etwa in seinem PDM/PLM-System eine Lebenslaufakte aufgebaut hat, also eine Sammlung aller Produktinformationen zu seinen Anlagen über deren Lebenszyklus hinweg, verfügt gewissermaßen schon über einen solchen Zwilling. Diese Akte geht von der technischen Struktur aller Elemente der Anlage aus. An zentraler Stelle sammelt sie die Informationen, die für die Produktentstehung und das Produktmanagement relevant sind. In der Lebenslaufakte fließen über den gesamten Lebenszyklus der Anlage hinweg Produktdaten und Dokumente zusammen. Um beispielsweise wiederholt auftretende Störungen an einer Anlage in Bezug auf die Produktqualität einschätzen zu können, muss dokumentiert sein, wie jede einzelne Maschine beim Kunden aussieht – beispielsweise welche Pumpe verbaut wurde oder was bereits am Motor geändert wurde. Auf Basis digitalen Dokumentation können oft bessere Rückschlüsse aus Störungen gezogen werden. Darüber hinaus können Hersteller auf diese Weise Dokumentationen automatisch erstellen, ursprüngliche Anforderungen zuordnen oder die Auswirkung von Änderungsanträgen analysieren.

Abbildung kundenspezifischer Aufträge durch Verbindung von PLM mit CAD und ERP-Systemen. (Bild: Procad GmbH & Co. KG)

Abbildung kundenspezifischer Aufträge durch Verbindung von PLM mit CAD und ERP-Systemen. (Bild: Procad GmbH & Co. KG)

Einsatz im Mittelstand

Der Plattform-Anbieter Procad hat mit einer solchen Lebenslaufakte schon eine Reihe digitaler Informationszwillinge bei seinen Anwendern implementiert. Die Striko Westofen Group nutzt das Abbild beispielsweise zur Dokumentation der Auftragsabwicklung und um Lieferzeiten zu beschleunigen. Das Unternehmen produziert moderne Ofentechnologie unter Verwendung thermischer Prozesstechnik für die Leichtmetall-Gussindustrie und liefert energieeffiziente Lösungen für den Druckguss, Schwerkraftguss, Sandguss, Niederdruckguss und Strangguss. Technische Basis für den Informationszwilling ist das Digital Product Data Backbone der PDM/PLM-Software Pro File. Am Anfang eines jeden Auftrags steht dabei ein Produktordner, der als Master für eine konkrete Anlage dient. Für jedes Produkt bzw. jeden Ofen-Typ haben die Konstrukteure entsprechend der in den Inventor-Baugruppen vorgegebenen Struktur einen solchen Ordner im PDM-/PLM-System angelegt und mit Zeichnungen und fertigungsbegleitenden Unterlagen gefüllt. Workflows starten in der Regel mit einem Auftragseingang. Für Aufträge zuständig sind die Projektleiter, die mit Einkauf und Kunden kommunizieren. Jeden neuen Auftrag legen sie im ERP-System unter einer Fabriknummer an, die anschließend an das PDM-/PLM-System übertragen wird. Mit ihr werden die Metadaten des Auftrags (Kunde, Produkttyp und -nummer) übermittelt. Die Fabriknummer stellt im PDM/PLM dann einen Auftragsordner dar. Der Auftragskonstrukteur erhält mit Anlegen des Auftragsordners die Spezifikation zum Auftrag. Zunächst kopiert er die Projektstruktur aus dem Produktordner und reichert den Auftragsordner anschließend mit Informationen an. Im Produktordner sind alle standardisierten technischen Unterlagen für ein bestimmtes Produkt verknüpft, etwa Zeichnungen, Stücklisten, technische Unterlagen und Berechnungen. Er dient somit als Kopie-Vorlage für den Auftragsordner. Daher müssen die Unterlagen im Produktordner immer auf dem neuesten Stand sein. In der Projektstruktur werden Dokumentationen und Betriebsanleitungen, Elektroschaltpläne der E-Konstruktion, Ersatzteilkataloge oder Hydraulik- und Pneumatikpläne von externen Lieferanten abgelegt

Auftragsordner vom Produktordner getrennt

Im Produktordner sind somit stets die neuesten Stände der Zeichnungen dokumentiert. Im Auftragsordner hingegen wird dargestellt, was tatsächlich gebaut wurde. Fast jeder Kunde hat zum Standardprodukt Extrawünsche. Diese gilt es dann in Inventor zu konstruieren und mit dem Auftragsordner zu verknüpfen. Ist der Auftrag fertig zusammengestellt, werden die Zeichnungen an die Fertigung übermittelt. Dies hält Striko Westofen terminlich in dem sogenannten Zeichnungsverzeichnis fest: Einer Liste, welche die Fertigungsstände eines Produktes dokumentiert. Über das Zeichnungsverzeichnis lässt sich nachweisen, wann welche Zeichnung in welcher Version zum Kunden bzw. an die Fertigung geschickt wurde. Es dient damit der Beweisführung des gesamten Prozesses vom Auftragseingang über die Konstruktion bis hin zur Fertigung. So hat der Fertigungsbetrieb im PDM-/PLM-System eine ziemlich exakte Dokumentation dessen, wie jeder Auftrag abgewickelt wurde – also einen digitalen Informations-Zwilling. Er hat sich über einen ersten Aufstellplan und die Verwendung standardisierter Stahlbauelemente sowie vorgedachter Komponenten im PLM-System entwickelt. Nur die kundenspezifischen Komponenten werden neu erdacht. Am Ende ist die Anlage fertig und zu 100 Prozent dokumentiert. Ein stringentes Vorgehen, das bei StrikoWestofen dafür sorgt, dass der Hersteller seine schnellen Lieferzeiten einhalten kann.

 


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