Durchgängig digitale Coil-Produktion
Der Zwilling auf Bestellung
Wer künftig beim Stahlhersteller ArcelorMittal ein Stahl-Coil bestellt, also eine große Drahtrolle, soll es in doppelter Ausführung erhalten – einmal später in realer Form und einmal sofort als digitalen Zwilling. Das Abbild wird im Produktionsprozess laufend mit Informationen angereichert und hilft dem Abnehmer bei der Organisation der eigenen Abläufe.
Digitale Zwillinge schaffen den Brückenschlag zwischen realer und digitaler Welt. Beim Stahlhersteller ArcelorMittal wird derzeit an digitalen Abbildern von sogenannten Stahl-Coils gearbeitet. Coils sind Stahlband- oder Drahtrollen, die mehrere Tonnen schwer sind und die an die weiterverarbeitende Industrie geliefert werden. Daraus entstehen dann zum Beispiel Bleche für die Automobilindustrie und den Maschinenbau, Drähte für Seilbahnen und Stahlgürtelreifen, Schrauben oder Bettfedern. Die neunte Ausgabe von Rockwell Automations „State of Smart Manufacturing“ Report liefert Einblicke in Trends und Herausforderungen für Hersteller. Dazu wurden über 1.500 Fertigungsunternehmen befragt, knapp 100 der befragten Unternehmen kommen aus Deutschland. ‣ weiterlesen
KI in Fertigungsbranche vorn
Digitales Abbild schon bei der Bestellung
Bisher liefen solche Bestellvorgänge ganz klassisch ab: Der Kunde bestellt, erhält dafür eine Bestätigung, einen vorläufigen Liefertermin und dann am Ende die Ware. Nun plant man bei ArcelorMittal die Einführung digitaler Coils – also Abbilder des realen Gegenstücks: „Unsere Coils gibt es demnächst tatsächlich zweimal“, sagt Rudolf Egbert, Geschäftsführer ArcelorMittal Comercial Germany Flat Products, „einmal real und einmal elektronisch gespiegelt als Softwarerepräsentation.“ In Datenform sollen die Coils dann alle Merkmale des realen Produkts im jeweils aktuellen Status mitbringen. Der Nutzen für den Kunden: Stahlverarbeiter können ihre Prozesse dann auf Basis der Daten des virtuellen Zwillings planen, lange bevor das reale Produkt geliefert wird. „Die digitalen Zwillinge entstehen bereits in der Angebotsphase“, erläutert Egbert.
Daten werden vervollständigt
Ob Qualität, Gewicht oder Preis – die zusammen mit dem Kunden des Stahlherstellers bestimmten Produktmerkmale lassen eine oder mehrere unterschiedliche Versionen des Zwillings entstehen, auf die beide Seiten via Cloud Zugriff haben. „Bereits mit diesen Daten können unsere Kunden – und wir – die jeweilige Produktionsplanung optimieren“, sagt Egbert. Nach dem Kauf bleibt das tatsächlich erworbene Produkt digital verfügbar, sodass der Kunde weiterhin Zugriff darauf hat. Die Daten des digitalen Zwillings werden im Laufe von Produktionsplanung, Produktion, Lagerung, Verladung und Auslieferung immer weiter vervollständigt und können entsprechend der verschiedenen IT-Systeme von der Produktion über die Lagerverwaltung bis zur Logistik und Rechnungsstellung stets aktuell zur Verfügung gestellt werden. Egbert: „Sobald wir die Produktion bei uns eingeplant haben, stehen unseren Kunden die Daten beim virtuellen Zwilling zur Verfügung. Das gilt auch für die weiteren Schritte: Ist zum Beispiel die Qualitätskontrolle abgeschlossen, stehen auch diese Daten ohne Zeitverzug zur Verfügung.“ Detaillierte Informationen über Größe, Sorte, Abmessung, Qualität, Lieferzeit und vieles mehr sollen helfen, die Abläufe vom Angebot bis zur Auslieferung transparenter, besser planbar, einfacher und kostenbewusster zu gestalten. Dazu gehört unter anderem, dass Qualitätsdefekte bei Coils noch in der Produktion mit Barcode versehen und mit dem digitalen Zwilling verbunden werden. Die Abnehmer des Stahlproduzenten können auch mit diesen Daten arbeiten, bevor das Coil geliefert wird. Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen zu generieren. ‣ weiterlesen
Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise
Vorteil für die Produktion des Kunden
Viele Stahlverarbeiter sind ihrerseits Zulieferer in einer Lieferkette und können die Produktdaten ebenfalls digital an ihre Partner weitergeben. Außerdem können sie Quasi nach Möglichkeit in die Abläufe des Stahlherstellers eingreifen, um etwa das Coilgewicht zu reduzieren, weil eine Anlage ausgefallen ist. Sie können ebenfalls die Bestellmenge erhöhen, wenn sie zum Beispiel die Auftragslage geändert hat. Auch für ArcelorMittal selbst werden Abläufe und Planungen mit diesem Digitalisierungschritt transparenter: „Die Qualität unserer Planung und Produktion wird sich deutlich verändern“, ist sich Egbert sicher. „Damit lassen sich Kosten sparen, Qualitäten verbessern und der Service beim Kunden weiter optimieren. Wenn der digitale Zwilling kommt, ist er ein echter Wettbewerbsvorteil.“