3D-Druck in der Lieferkette

Ein Netzwerk für Ersatzteile

Die uns bekannten Wertschöpfungsstrukturen in der Ersatzteillogistik stehen vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz von additiven Fertigungsverfahren vor einer tiefgreifenden Veränderung. Das Forschungsprojekt 3Dsupply, an dem unter anderem das FIR der RWTH Aachen beteiligt ist, widmet sich genau dieser Thematik.

(Bild: FIR e. V. an der RWTH Aachen)
(Bild: FIR e. V. an der RWTH Aachen)

Die Veränderung der logistischen Wertschöpfungsstrukturen ist laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger vor allem durch die Digitalisierung beeinflusst. So nehmen Buchungsplattformen eine neue Vermittlerposition zwischen Auftraggeber und Logistikdienstleister (LDL) ein. Auf lange Sicht wird jedoch insbesondere der Einfluss der additiven Fertigung auf die Reorganisation bestehender Logistikprozesse zunehmen. Additiv gefertigte Objekte entstehen unmittelbar aus einem 3D-CAD (Computer Aided Design)-Datensatz und werden gemäß dem Schichtbauprinzip Schicht für Schicht aufgebaut. Anders als bei subtraktiven Fertigungsverfahren werden bei der additiven Fertigung keine Werkzeuge benötigt, was insbesondere in der Ersatzteilfertigung von Vorteil sein kann. Der physische Warentransport zwischen Hersteller und Kunde könnte künftig durch die digitale Übertragung von Produktionsdaten über das Internet überflüssig werden. In diesem Szenario könnte die Produktion mithilfe additiver Fertigungsverfahren in unmittelbarer Nähe des Endkunden stattfinden. Durch den Wegfall von Versandwegen, würden dem Logistikdienstleister Wertschöpfungsanteile entzogen werden. Dementsprechend ist es notwendig, im Zuge der additiven Ersatzteillogistik mögliche Service- bzw. logistische Netzwerkszenarien für LDL zu identifizieren, um deren zukünftige Marktposition zu stärken.

Mehrstufige Wertschöpfungskette

Die Ersatzteillogistik ist für die rechtzeitige Bereitstellung von Ersatzteilen am richtigen Ort sowie in richtiger Menge und Qualität zuständig. Logistische Netzwerkszenarien beziehen sich meist auf die Lieferkette. Die additive Wertschöpfungskette ist jedoch mehrstufig und verläuft von den Werkstoff- und Maschinenherstellern über die Dienstleister zu den Nutzern von additiven Ersatzteilen: Die Werkstoffhersteller produzieren das Ausgangsmaterial für die additive Fertigung, die Komponentenhersteller liefern Bauteile und Baugruppen, zudem sind Messtechnikhersteller Teil der Wertschöpfungskette. In der zweiten Ebene befinden sich neben den Maschinenherstellern die Anbieter von Software zur Datenaufbereitung. Als Schnittstelle zwischen der Fertigung und Endverbraucher übertragen Online-Shop-Betreiber Geschäftsmodelle aus dem E-Commerce auf die additive Fertigung. Produzenten bieten Auftragsfertigung mit additiven Verfahren an. Am Ende des Wertschöpfungsnetzwerks steht der Technologieanwender. Aufgrund der steigenden Anzahl an Fertigungsdienstleistern sind Akteure mit vermittelnder Funktion zwischen Endkunde und Fertigungsdienstleister getreten. Aus diesem Grund liegt der Fokus der nun folgenden Netzwerkszenarien auf Technologieanwendern, Vermittlern und Produzenten.

Vermittlerposition einnehmen

Für LDL erscheint diese Position besonders relevant und attraktiv, da nach Barkawi et al. (2006) die Gewinnmargen wesentlich höher sind, als im traditionellen Transport- und Lagergeschäft. Grund dafür ist, dass After-Sales-Angebote sogenannte Value-added Services beinhalten, was bedeutet, dass die LDL zusätzliche wertschöpfende Funktionen wie Bevorratungsplanung und Verbrauchsplanung übernehmen. Gleichzeitig ergeben sich durch die Vermittlerposition auch Vorteile für die Ersatzteilnachfrager. Beispielsweise können diese ihre Ressourcen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, da der LDL als Anbieter einer vollständigen Supply-Chain-Lösung auftritt und Kapazitäten, Ressourcen und Technologien koordiniert. Dadurch ergibt sich außerdem eine erhöhte Flexibilität hinsichtlich der Kapazität und geografischen Abdeckung sowie eine Kostenreduktion für die Ersatzteilnachfrager durch branchenübergreifende Synergie- und Skaleneffekte.

Unterschiedliche Szenarien

Ausgehend von dieser Vermittlerposition können vier verschiedene Service- bzw. logistische Netzwerkszenarien für den LDL betrachtet werden, die in der Abbildung dargestellt werden. Im ersten Szenario nimmt der LDL die Rolle des digitalen Distributors ein und ist somit das Bindeglied zwischen OEM (Original-Equipment-Manufacturer) und 3D-Druck-Dienstleister. Er verfügt über ein großes Netzwerk an potenziellen Dienstleistern und wählt einen für den OEM passenden Dienstleister aus. Der OEM verfügt bereits über die CAD-3D-Druckdatei und nach Auswahl eines geeigneten Dienstleisters versendet der LDL diese Datei. In einem zweiten Szenario fungiert der LDL selbst als 3D-Druck-Dienstleister, er ist somit für die Auftragsfertigung des Ersatzteils zuständig und steht auch in Konkurrenzsituation mit den restlichen 3D-Druck-Dienstleistern. Das dritte Szenario bildet eine Kombination aus den ersten beiden: Der LDL fungiert als Vermittler und bietet dem OEM zudem sowohl potenzielle Produzenten als auch seine eigenen Dienste als 3D-Druck-Dienstleister an. Im letzten Szenario ist der LDL Berater in allen Bereichen von der Entwicklung bis zur Produktion und Auslieferung der Ersatzteile. In diesem Szenario wird weiterhin angenommen, dass die CAD-Datei dem OEM noch nicht vorliegt und er diese gemeinsam mit dem LDL entwickelt. Bei der Szenarienanalyse handelt es sich um eine Übersicht, bei welcher die Rollen und Aufgabenbereiche des LDLs im Weiteren noch stärker detailliert und differenziert werden können.

Weiterer Forschungsbedarf

Weiterer Forschungsbedarf besteht dabei vor allem in den Bereichen Technologie, Eigentumsrechte und Geschäftsmodelle. Im Technologiebereich wäre es notwendig, dass die Prozesszeiten der additiven Fertigung sinken, damit On-Demand-Fertigung realisiert werden kann. Bezüglich der Eigentumsrechte ist zu klären, wer die Intellectual-Property-Rechte, also die Rechte am geistigen Eigentum beim Austausch von CAD-Daten besitzt. Zudem fehlt es abgesehen von aufgezeigten Service-/Logistikszenarien an Geschäftsmodellen, die aufzeigen, wie für den LDL tatsächlich ein Wert geschaffen wird.