KI-gestützte Handlungsempfehlungen

Mehr Stabilität in Krisenzeiten

In den vergangenen Jahren ist der Krisenzustand fast zu einem Normalzustand geworden. Künstliche Intelligenz kann Unternehmen helfen, in diesen Zeiten Stabilität zu gewinnen. Das BMWK-Forschungsprojekt Pairs zeigt, wie das gelingen kann.

 (Bild: ©IBEX.Media/stock.adobe.com)
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Das Hochwasser im Ahrtal, die Corona-Pandemie, die Havarie der Ever Given im Suezkanal, der Ukraine-Konflikt sowie Katastrophen im Zuge der Klimakrise haben in den letzten Jahren die Verwundbarkeit globaler Lieferketten aufgezeigt. Und das hat spürbare Auswirkungen auf die Wirtschaft. Unternehmen mit unsteten Lieferketten und einer hohen Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten und Produktionsstandorten sind einem höheren wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt sind. Obwohl Krisen nicht immer vorhersehbar sind, können sich Unternehmen darauf vorbereiten, etwa mit künstlicher Intelligenz.

Krisen vorhersagen

Das Projekt Pairs (Privacy-Aware, Intelligent and Resilient CrisiS Management), das im Rahmen des KI-Innovationswettbewerbs des BMWK gefördert wird, hat zum Ziel, mithilfe seiner lernenden KI-Plattform Krisen schneller zu identifizieren und zu managen. Die Plattform richtet sich an Unternehmen, Betreiber kritischer Infrastrukturen sowie Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die KI-Hybrid-Technologie ist in der Lage, das initiale Krisenereignis aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten zu analysieren und zu erkennen Darüber hinaus berückstichtigt die Technologie auch die Reaktionen verschiedener Akteure auf das Ereignis.

Hidden Problem Detector

Zwei Use Cases aus dem Projekt sollen das Potenzial der Technologie verdeutlichen. Der sogenannte Hidden Problem Detector nimmt sich etwa den frühen Stadien der Lieferkette an. Der Detector setzt auf die graphentheoretische Analyse. Dabei werden Stücklistendaten in einen Wissensgraphen umgewandelt, der mit historischen und aktuellen Marktdaten angereichert wird. Durch die Analyse von Knotenpunkten können Nutzer kritische Komponenten, Hersteller oder Lieferante identifizieren. Das Modell ermöglicht zudem die Überwachung von Veränderungen in Lieferzeiten, Verfügbarkeiten und Preisen, um auf potenzielle Probleme in der Lieferkette zu reagieren. Für die Praxis entwickelten die Projektbeteiligten einen Service-Prototypen, der speziell für die Sensorherstellung gedacht ist. Dieser besteht aus einem Programm, in das Nutzer Dateien hochladen können. In der Folge erhalten sie eine Liste von Komponenten mit zusätzlichen Informationen, etwa wer die Komponenten herstellt und wie wichtig sie sind. Darüber hinaus gibt das Programm Marktinformationen zu den Komponenten aus, beispielsweise wie oft sie verkauft werden oder wie sich der Preis entwickelt hat. Erkennt das Modell Probleme, werden die betroffenen Komponenten hervorgehoben und eine Warnung ausgegeben. Durch die Anwendung der graphentheoretischen Analyse – einem Teilgebiet der diskreten Mathematik und der theoretischen Informatik – auf komplexe Lieferketten können Fertigungsunternehmen kritische Zustände von Komponenten, Herstellern oder Lieferanten frühzeitig erkennen und reagieren.

 (Bild: www.pairs-projekt.de)
(Bild: www.pairs-projekt.de)

Outage Protector

Der Outage Predictor dreht sich hingegen um Stromausfälle und -schwankungen in der Prozessindustrie, wo diese zu schwerwiegenden Krisensituationen führen können. So kam es etwa Anfang 2019 nach Durchtrennung eines 110-kV-Kabels zu einem großflächigen Stromausfall im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, der 31 Stunden andauerte und von dem ca. 30.000 Haushalte und zahlreiche Unternehmen betroffen waren. Der Fokus des Outage Predictors liegt insbesondere auf energieintensiven Branchen. In solchen Industrien werden Stoffe wie Öl, Holzfasern oder Chemikalien verarbeitet, wobei Stromausfälle chemische Reaktionen unterbrechen und in der Folge zu massiven Schäden führen können. Bisher setzten die Unternehmen auf eigene Kraftwerke, um die Auswirkungen von Stromausfällen abzumildern. Jedoch haben solche Ansätze oft auch Einschränkungen, da sie nicht alle möglichen Szenarien abdecken und Störungsvorhersagen auf Schätzungen beruhen. Die Projektbeteiligten entwickelten daher ein Modell für eine KI-basierte Szenarioplanung zur Vorhersage von Krisensituationen. Dieses verwendet konzeptionelle, klar definierte Szenariomuster, um Krisensituationen zu erfassen. Das Modell analysiert und verarbeitet mittels maschinellem Lernen (ML) historische Datenströme wie Wetterdaten oder Stromausfälle in Deutschland zwischen 2012 und 2020, um zukünftige Krisenszenarien vorherzusagen. Sobald der Standort eines Herstellers bestätigt wurde, werden Slots des Szenariomusters als Marker-Template verwendet, die regelbasiert mit Ergebnissen der Analyse aktueller Wetterdatenströme unter Berücksichtigung eines Klassifikationsmodells gefüllt werden. Wird ein potenzielles Krisenszenario erkannt, werden Slots des Szenariomusters mit abgeleiteten Daten gefüllt und eine Warnung ausgegeben. Die KI-basierte Szenarioplanung ist somit ein Ansatz, um in der Prozessindustrie zukünftige Krisenszenarien zu erkennen und diese bestenfalls zu verhindern.

Weitere Projekte

Darüber hinaus wird im Rahmen von Pairs an weiteren Anwendungsbereichen gearbeitet. Das Projekt zeigt, wie mittels KI die Auswirkungen von Krisen reduziert werden können. Neben Pairs thematisieren noch fünf weitere KI-Projekte des Innovationswettbewerbs die Krisenkommunikation und -prävention.


Der KI-InnovationswettberwerbMit dem Innovationswettbewerb ‘Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme’ (KI-Innovationswettbewerb) leistet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einen Beitrag zur Umsetzung der KI-Strategie der Bundesregierung. Ziel ist es, die Anwendung künstlicher Intelligenz in allen volkswirtschaftlich relevanten Wirtschafsbereichen voranzutreiben und sich dabei besonders an den Erfordernissen und Möglichkeiten der zahlreichen mittelständischen Unternehmen in Deutschland zu orientieren.