Die neue Expertise des Forschungsbeirats Industrie 4.0 bei Acatech beschäftigt sich mit der Frage, wie hiesige Unternehmen ihre Datenbasis aufbauen, nutzen und monetarisieren. Aus Umfrage-Erkenntnissen haben die Experten Handlungsoptionen abgeleitet, mit denen Firmen ihre Daten Schritt für Schritt in den Dienst der eigenen Wertschöpfung stellen können.
Umsetzungsstand der industriellen Datenutzung bei den befragten Industrieunternehmen. (Bild: Acatech – Dt. Akademie der Technikwissenschaften)
Erstmals in der Geschichte belegten 2021 Digitalkonzerne die obersten Ränge der weltweit wertvollsten Unternehmen: Apple, Amazon, Alphabet und Microsoft (PWC; 2021; Global Top 100 companies – March 2022). Im Gegensatz zu traditionellen Industrieunternehmen bestimmt sich der größte Anteil der Unternehmens- bzw. Börsenwerte dieser Konzerne nicht durch physische Assets, sondern durch den immateriellen Wert vorhandener Daten, Informationen und informationstechnischer Dienste (Tamir; Miller; Gagliardi; 2015). Datenzugriff und -nutzung sind zunehmend wettbewerbsentscheidend und begründen auch in der produzierenden Industrie die Notwendigkeit zur digitalen Transformation etablierter Geschäftsmodelle und -prozesse (Akred; Samani; 2018). Dennoch schöpft Deutschland relativ zur wirtschaftlichen Bedeutung sein Potenzial für die Datenwirtschaft nicht aus.
Wo die hiesige Industrie steht
Zur Ermittlung des Status quo wurde eine Fragebogenstudie durchgeführt. In den drei Handlungsfeldern Aufbau, Nutzung und Monetarisierung wurden Unternehmen aufgefordert, Aspekte wie Datenqualität, Formen und Ziele der Datennutzung oder Preisfindungsstrategien und damit verbundenen Herausforderungen einzuschätzen. Aus der Verteilung der durchschnittlichen Zustimmungswerte zu den Fragen (Abbildung 1) lassen sich zwei wesentliche Schlussfolgerungen ableiten: Die Handlungsfelder Aufbau und Nutzen weisen ungefähr die gleiche durchschnittliche Bewertung auf.
Darüber hinaus ist der durchschnittliche Zustimmungswert zu den Antwortvorgaben im Handlungsfeld Monetarisierung deutlich geringer als in anderen Handlungsfeldern und es haben hierbei zudem weniger Teilnehmende geantwortet. Dies sind eindeutige Indizien dafür, dass produzierende Unternehmen in der Monetarisierung ihrer Datenbasis wesentlich schlechter aufgestellt sind als in den anderen beiden Bereichen.
Grundlegende Mängel
Auf dem Weg zur Datenmonetarisierung müssen deutsche Unternehmen noch einige Herausforderungen meistern. Vielfach ist die Datenqualität zu niedrig, um sie weiterführend nutzen oder monetarisieren zu können. Zu den häufigsten Mängeln zählen der geringe Umfang oder die Unvollständigkeit der Daten bis hin zu Datenfehlern. Inkonsistente oder fehlerbehaftete Daten können nicht verwendet werden und die daraus gewonnenen Informationen sind nicht glaubwürdig.
Darüber hinaus fehlen Unternehmen oft Kenntnisse über existierende Datenquellen. Weitere Hürden stellt die fehlende Bereitschaft der Kundinnen und Kunden von Produktionsunternehmen dar, Daten mit den Herstellern zu teilen. Zudem fehlen Fertigern vielfach Möglichkeiten und Kompetenzen, auf Daten zuzugreifen und diese sinnvoll zu nutzen. Ist eine fundierte Datenbasis aufgebaut und nutzbar, muss ihr Wert erfasst werden, um sie monetarisieren zu können.
Das können Unternehmen tun
Der Begriff Datenmonetarisierung umfasst zunächst die Fähigkeit, das ökonomische Potenzial verschiedener Unternehmensdaten zu erkennen und zu realisieren. Darüber hinaus beschreibt er auch den konkreten Tausch der Daten gegen Geld. Die Monetarisierung erstreckt sich daher von einer internen, impliziten Bewertung bis hin zur externen, konkreten und situativen Wertzuweisung. Produzierende Unternehmen können Daten auf verschiedenen Wegen monetarisieren.
Nach innen gerichtet können sie dazu beitragen, Prozesse und Produkte zu verbessern und langfristig Kosten zu reduzieren. Extern lassen sich Daten über den Verkauf einer Leistung direkt vermarkten. Hierzu bieten sich verschiedene Möglichkeiten: der Verkauf von Rohdaten, datenbezogene Leistungen (Smart Services), auch in Kombination mit einem Produkt (z.B. vorausschauende Wartung einer Pumpe) und produktunabhängige Leistungen (z.B. datenbezogene Unternehmensexpertisen wie Beratung zum Düngen und Ernten).
Optionen werden deutlich
In den Experteninterviews der Studie wurden verschiedene Handlungsoptionen sichtbar. Zunächst müssen Daten in Unternehmen als Bestandteil einer Leistung mit konkretem Nutzen verstanden werden. So könnten Daten beitragen, bestehende Angebote attraktiver zu machen oder komplett neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Außerdem gilt es sinnvolle Preise für die neuen Möglichkeiten der Datennutzung festzulegen. Dabei ist eine Bepreisung angelehnt an den Kundennutzen denkbar, der sich anhand erfasster Kundendaten ermitteln ließe.
Vertrieb einbinden
Auch die Einbindung des Vertriebs ist wichtig. Wie sollen digitale Angebote vertrieben werden? Dies kann durch die Verknüpfung mit anderen Angeboten erfolgen oder innerhalb einer neuen Vertriebsstruktur. Dies beinhaltet Anreize für Vertriebsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Schulungen sowie gegebenenfalls die Schaffung neuer Positionen.
So analysiert etwa der Customer Success Managers, wie Kunden das digitale System nutzen, welche Probleme auftreten und welche Kundenbedürfnisse darüber hinaus entstehen. Die Expertise zeigt, dass es in Deutschland noch viel Potenzial bei der Nutzung und Monetarisierung von Daten gibt. Mit den erarbeiteten Handlungsoptionen erhalten Unternehmen und ihr Umfeld einen Kompass, mit dem sie den Wert von Daten schrittweise für sich entdecken und nutzen können.
„Aktuelle Produkte bringen die Voraussetzungen für solche Geschäftsmodelle mit”
Harald Schöning ist Sprecher der Industrie des Forschungsbeirats Industrie 4.0, Vice President Research für die öffentlich geförderten Forschungsprojekte der Software AG. (Bild: acatech – Dt. Akademie der Technikwissenschaften)
Müsste man den europäischen Datenschutz lockern, um den hiesigen Industrieunternehmen den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Datenbasis zu erleichtern?
Harald Schöning: Der europäische Datenschutz ist eine Errungenschaft, die man wertschätzen sollte. Was allerdings erforderlich und auch ohne Aufgabe der Datenschutzprinzipien möglich wäre, ist eine klare, europaweit einheitliche und maßvolle Auslegung der Datenschutzgrundverordnung, verbunden mit verbindlichen Handreichungen. Solange Unternehmen befürchten müssen, dass reine Maschinendaten von manchen Aufsichtsbehörden als personenbezogen eingestuft werden, verhindert die verständliche Unsicherheit das Nutzen und Teilen von Daten, um neue Geschäftsmodelle zu etablieren.
Welche Geschäftsmodelle zählen Sie zu den ‘low hanging fruits’ im Industrieumfeld?
Schöning: Dazu zähle ich alle datenbezogenen Geschäftsmodelle, die ein Unternehmen ohne Kooperation mit anderen umsetzen kann. Dabei kann man davon ausgehen, dass die heutige Produktgeneration die technischen Voraussetzungen für solche Geschäftsmodelle bereits mitbringt. Beispielsweise für ein kundenspezifisches Serviceangebot basierend auf der tatsächlichen Nutzung der Maschine, inklusive Wartung, Upgrade, Bezahlmodell, Zusatzdienste wie Verbrauchsoptimierung oder Parametrisierung. Da lässt sich vieles aus der B2C-Welt übertragen. Andere Beispiele sind nutzungsspezifische Bezahlmodelle wie Pay per use sowie Pay per stress, oder Freischaltung von Produktfähigkeiten über das Internet, dauerhaft oder für eine durch das Bezahlmodell bestimmte Zeit. n
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