Programmiersprache

Cobol 2022: So relevant wie nie?

Cobol ist älter als die Zeit – zumindest sofern man von der Unix-Zeit ausgeht, die am 1. Januar 1970 begann. Denn Cobol erschien bereits 1959. Warum ist die Sprache trotzdem immer noch Thema in den IT-Abteilungen von heute? Martin Reusch (Bild) von Micro Focus, geht dem Mysterium Cobol auf den Grund.

Bild: Micro Focus GmbH

Cobol wurde als vergleichsweise einfache Sprache für Geschäftsanwendungen entwickelt – das B steht für Business. Cobol eignet sich für die einfache Verwaltung und Bearbeitung numerischer Prozesse und zeichnet sich durch seine Datenzentriertheit aus. Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 ergab, dass 84 Prozent der Teilnehmer Cobol als strategisch wichtig für ihr Unternehmen einstufen. Bei den Neuauflagen der Umfrage 2019/2020 und 2021 stieg dieser Wert auf 92 Prozent. Auf einer Konferenz setzte sich schnell die Erkenntnis durch, dass die Komplexität der damaligen Technologie ein wesentlicher Hinderungsgrund für den Einsatz fortschrittlicher Datenanalysen in der Geschäftswelt war.

Schweizer Messer der Programmiersprachen

Die meisten Menschen, denen man ein Schweizer Taschenmesser in die Hand drückt, werden intuitiv wissen, was mit den einzelnen Werkzeugen anzufangen ist. Ähnlich verhält es sich mit den Cobol-Befehlen, denn diese vermeiden Symbolismen und sind in einfachem Englisch gehalten. Das machte es auch für Computer-Neulinge – worunter zu Beginn der 60er Jahre fast jeder fiel – vergleichsweise leicht, die Sprache zu verstehen. Wie ein gutes Messer sollte Cobol auch überall funktionieren und seinen Dienst tun. Aus heutiger Sicht, wo wir standardisierte IT-Umgebungen gewohnt sind, mutet das vielleicht nicht wie eine Herausforderung an – im Jahr 1959 war es aber definitiv eine, denn von Standardisierung konnte damals noch keine Rede sein. Der IBM-Mainframe war zwar weit verbreitet, aber bei weitem nicht das einzige System. Die Anforderung an Cobol war, auf allen Computern zu laufen.

Lebendige Community

Auch im siebten Jahrzehnt der Nutzung gibt es eine lebendige Community. Die Sprache ist ein essenzieller Bestandteil der IT-Umgebungen von Banken, Großkonzernen und anderen weltweit tätigen Unternehmen. Die Anwendungen existieren aber natürlich nicht im luftleeren Raum und die Welt um sie entwickelt sich rasant weiter. Das stellt viele Unternehmen vor die Frage, ob sie Anwendungen in einer anderen Sprache völlig neu aufsetzen oder den Cobol-Code modernisieren sollen.

Tatsächlich spricht vieles für letzteres: In einer aktuellen Micro-Focus-Studie gaben 64 Prozent der Teilnehmer an, dass sie vorhaben, ihre Cobol-Anwendungen zu modernisieren. Anwendungen in einer moderneren Sprache komplett neu zu schreiben wäre ein immenser Aufwand ohne signifikanten Mehrwert für laufende Prozesse. Aus diesem Grund ist die Geschichte von Cobol noch lange nicht zu Ende erzählt.