Untersuchung von Roland Berger

Unternehmen befinden sich in ’digitalem Dilemma’

Mehr als 60 Prozent der für eine Roland-Berger-Untersuchung befragten Unternehmen kommen mit der eigenen digitalen Transformation nicht gut voran. Laut Unternehmensberatung fehlt es dabei vor allem an Knowhow.

Bild: Roland Berger Strategy Consultants
Bild: Roland Berger Strategy Consultants

Trotz hoher Investitionen in die digitale Transformation tritt später oft Ernüchterung ein. In einer Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger geben mehr als zwei Drittel der Befragten an, ihr Unternehmen begegne Herausforderungen im Wandel zur digitalen Organisation. Befragt wurden mehr als 50 Verantwortliche auf Vorstandsebene aus führenden Unternehmen zahlreicher Branchen befragt.

„Das ‚digitale Dilemma‘, in dem sich Unternehmen befinden, die in ihrer digitalen Transformation nicht vorankommen, entsteht zumeist nicht durch technische Grenzen, sondern aufgrund von organisatorischen und strategischen Versäumnissen der Firmen. Oftmals schaffen es selbst wichtige digitale Initiativen nicht über den Status von Pilotprojekten hinaus“, sagt Jochen Ditsche, Partner bei Roland Berger. „Nicht selten fehlen einflussreiche Fürsprecher, die den Nutzen und die Chancen der Projekte aufzeigen können. Deshalb scheitern diese Vorhaben an mangelnden Ressourcen, um sie in großem Maßstab umzusetzen. Führungskräfte müssen die digitale Transformation verinnerlicht haben. Nur dann ist ihr Unternehmen attraktiv für die digitalen Talente, kann sich von der Konkurrenz abheben, Umsatzwachstum steigern oder weitere Einsparungen erzielen.“

IT-Systeme: von komplex bis nicht überschaubar

68 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass das digitale Dilemma auf sie zutrifft; demnach kommen sie mit der digitalen Transformation nicht gut voran – branchenübergreifend. Als Hauptgründe dafür werden fehlendes technologisches Knowhow (62 Prozent) und eine unzureichende Verwaltung des digitalen Portfolios (46 Prozent) genannt. 60 Prozent der Befragten beschreiben die IT-Systeme ihres Unternehmens als komplex, drei Viertel davon halten sie sogar für nicht mehr überschaubar. Nur sechs Prozent der Verantwortlichen geben an, ihre Systeme seien schlank und gut handhabbar.

Der Faktor Belegschaft

Eine weiterer Faktor ist die laut Umfrageeinergebnis die Belegschaft. Laut 69 Prozent der Befragten seien ihre Teams nicht in der Lage, abteilungsübergreifend zusammenzuarbeiten, sei es mangels der richtigen Fähigkeiten oder aufgrund der Firmenkultur. Zudem geben 70 Prozent an, dass ihnen mindestens drei technologische Expertisen im Unternehmen fehlen. Fachleute, die von den Führungskräften am stärksten gesucht werden, sind: Enterprise Architects (77 Prozent), Data Scientists (60 Prozent) und Back-end Developer (57 Prozent). Gleichzeitig sind solche Experten auf einem angespannten Arbeitsmarkt kaum verfügbar. Und es wird immer schwieriger, die Mitarbeiter mit diesen Expertisen zu halten.

Der Wandel in eine ganzheitlich digitale Organisation könne laut der Studienautoren gelingen, wenn Unternehmen die folgenden vier Säulen aufbauen. Zunächst gelte es, eine gemeinsame Geschäfts- und Digitalstrategie zu entwickeln, bei der die IT-Verantwortlichen von Beginn an in den Prozess einbezogen werden. So können Silos innerhalb des Unternehmens aufgebrochen werden. Als weiteren Baustein nennen die Autoren ein effektives operatives Modell. Unternehmen müssten die Organisationen agil aufstellen und alle Prozesse aufeinander abstimmen, so die Autoren. Ein Punkt sei dabei die frühe Einführung von Portfolio-Management-Gremien, die Ressourcen zuweisen und alle digitalen, geschäftlichen sowie IT-Prozesse führen können. Weiterhin sollte sich die Personalpolitik auf die Aktivierung, Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern konzentrieren. Helfen kann dabei etwa eine jährlich aktualisierte Human Intelligence Map, die den Bedarf und das Angebot an kritischen Fähigkeiten aufzeigt. Damit könnten drohende Lücken identifiziert und frühzeitig in Fortbildungen oder zusätzliche Stellen investiert werden, so die Studienautoren. Letztlich sei eine schlanke Unternehmens- und Datenarchitektur, die modular aufgebaut und passgenau auf die Bedürfnisse der Firma zugeschnitten ist, von großer Bedeutung. Die besten Ergebnisse würden erzielt, wenn Unternehmen dafür zunächst Datenarchitektur-Prinzipien und -Standards einführen sowie eine Cloud-First-Strategie verfolgen.