Impulspapier zur Energieversorgung

Was ein Wegfall russischer Energieimporte bedeuten könnte

Europa kann in wenigen Jahren unabhängig werden von russischen Energieimporten. Das geht aus einem Impulspapier des Akademienprojekts Esys hervor. Dafür gibt es drei Voraussetzungen: ein verstärkter Ausbau von Infrastrukturen für den Gastransport, eine Reduzierung des Erdgasverbrauchs sowie eine gut abgestimmte und enge europäische Zusammenarbeit. Bis dahin drohen allerdings Versorgungsengpässe. Die Analysen zeigen zudem, dass die Preise für Verbraucher und Industrie längerfristig hoch bleiben könnten.

Bild: ©tomas/stock.adobe.com
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Das Akademienprojekt ’Energiesysteme der Zukunft’ (Esys) ist eine gemeinsame Initiative der Wissenschaftsakademien Acatech, Leopoldina und Akademienunion. In einem Impulspapier untersucht eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, mit Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die kurz- und mittelfristigen Folgen eines vollständigen oder teilweisen Wegfalls russischer Energielieferungen nach Europa. Die Fachleute diskutieren außerdem, ob und wie die Versorgungssicherheit ohne russische Energieimporte sichergestellt werden kann und welche Schlussfolgerungen für die deutsche und europäische Energiepolitik daraus resultieren. Das Papier basiert auf zwei von Esys in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Gutachten.

Wesentliche Erkenntnisse der Untersuchungen sind:

Der Bedarf an Erdgas ist kurzfristig nicht vollständig zu decken: Entfallen die russischen Erdgasimporte in den nächsten Monaten, könnten zu Hochlastzeiten im Winter in Deutschland bis zu 30 Prozent und in Europa bis zu 25 Prozent des Erdgasbedarfs nicht gedeckt werden, bezogen auf den Verbrauch aus dem Jahr 2021. Das Defizit sei durch fehlende Transportkapazitäten bedingt, so die Autoren. Selbst bei ausreichender Verfügbarkeit von Erdgas würden LNG-Terminals und Pipelines fehlen, um das Gas in Europa anzulanden und zu verteilen.

Auf- und Umbau der Infrastrukturen erforderlich: Die europäische Gasinfrastruktur, sowohl LNG-Terminals als auch Pipelines, sollte zügig aus- und umgebaut werden, so die Experten. Eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme mit großem Effekt ist der Umbau von Verdichterstationen, um eine Flussumkehr in den Pipelines (‚Reverse-Flow‘) zu ermöglichen. LNG-Terminals sind notwendig, um zusätzliche Gasmengen in Europa anlanden zu können und ermöglichen zudem eine Diversifizierung des Erdgasbezugs.

Senkung des Energieverbrauchs unabdingbar: Nur durch eine Senkung des Verbrauchs könne Europa unabhängig werden von russischem Erdgas, so die Autoren des Impulspapiers. Demnach sollten in den kommenden Jahren durch Energieeffizienz- (bspw. Gebäudedämmung) und Substitutionsmaßnahmen (bspw. Einsatz elektrischer Wärmepumpen) der Erdgasverbrauch in Gebäuden und Industrie gesenkt werden. Im Stromsektor könnte die Kohleverstromung auch mittelfristig von Bedeutung sein, um Erdgas einzusparen. Der EU-ETS sorgt dafür, dass die Emissionen in der Stromerzeugung europaweit begrenzt bleiben.

Ausbau erneuerbarer Energien ist entscheidend: Ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien ist nicht nur Grundvoraussetzung für eine Unabhängigkeit von russischen Energieimporten, so eine weitere Erkenntnis aus der Untersuchung. Er wirke sich auch dämpfend auf die Entwicklung der Energiepreise aus. Für den Ausbau sind jedoch erhebliche Investitionen aufzubringen. Dies wird umso herausfordernder, da die Volkswirtschaft durch steigende Energiepreise belastet wird.

Energiepreise könnten dauerhaft über dem Niveau von 2020 bleiben: Die Energiepreise in Europa werden voraussichtlich auch mittel- und langfristig hoch bleiben. Dies werde eine sozial ausgewogene Gestaltung der Energieversorgung und Maßnahmen zum Schutz der industriellen Wettbewerbsfähigkeit erfordern, heißt es im Impulspapier. Insbesondere kurzfristig sei zu prüfen, wie Betriebsschließungen vermieden werden können. Wichtig sei zudem eine gemeinsame europäische Einkaufspolitik für Erdgas, um einen innereuropäischen Wettbewerb zu vermeiden.

Enge europäische Zusammenarbeit notwendig: Eine gesamteuropäische Strategie zum Ausbau und Betrieb der Gasinfrastrukturen sei notwendig, so die Experten, um die Versorgungssicherheit in Europa aufrecht zu erhalten. Deutschland sei stark auf Importe aus anderen europäischen Ländern angewiesen und spiele gleichzeitig als wichtiges Transitland sowie aufgrund der größten Speicherkapazitäten eine große Rolle für die gesamteuropäische Gasversorgung.

Als Basis der Publikation dienen zwei Gutachten, die im Auftrag von Esys angefertigt wurden. Das Gutachten ‚Szenarien für die Preisentwicklung von Energieträgern‘ wurde vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) erstellt und betrachtet verschiedene Szenarien zur Entwicklung der Energiepreise in mittelfristiger Perspektive. Ein Konsortium aus Fraunhofer IEG (Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG), Fraunhofer SCAI (Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI) und der Technischen Universität Berlin widmet sich der Frage, ob und wie die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Europa durch einen Umbau von Transportinfrastrukturen wie Pipelines, Verdichter und LNG-Terminals sichergestellt werden kann, falls Importe aus Russland wegfallen. Das Gutachten ist unter dem Titel ’Europäische Gasversorgungssicherheit aus technischer und wirtschaftlicher Perspektive vor dem Hintergrund unterbrochener Versorgung aus Russland’ erschienen.







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