Digitalisierung und Mobilität

Mehr Homeoffice heißt nicht zwangsläufig weniger Verkehr

Wie eine aktuelle ZEW-Studie zeigt, reduzierte sich während der ersten beiden Jahre der Pandemie die Mobilität in (Land-)Kreisen mit höherer Unternehmensdigitalisierung stärker. Allerdings sei für die Zeit nach dem Wegfall der Homeoffice-Pflicht und anderer Corona-Maßnahmen ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Mobilitätsreduktionen nicht länger nachweisbar, so die Studienverantwortlichen.

 (Bild: ©Liubov Levytska/stock.adobe.co)
(Bild: ©Liubov Levytska/stock.adobe.co)

Im Verlauf der Corona-Pandemie kam es zu erheblichen Investitionen in digitale Infrastruktur und einem starken Anstieg an Homeoffice-Vereinbarungen. Wie aus den Studienergebnissen hervorgeht, erwarten die Unternehmen in Deutschland auch für die nächsten Jahre eine deutlich intensivere Homeoffice-Nutzung als vor der Pandemie. Ob dieser Homeoffice-Schub die CO2-Emissionen im Verkehrssektor allerdings langfristig senken könne, sei aus unterschiedlichen Gründen unsicher, so die Studienverantwortlichen.

„Die meisten Menschen haben ein intrinsisches Bedürfnis nach Mobilität“, sagt Janna Axenbeck, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich ’Digitale Ökonomie’ und Ko-Autorin der Studie. „Viele Beschäftigte verlassen auch im Homeoffice das Haus. Sie verabreden sich in ihrer Mittagspause oder zum Abendessen und erledigen Besorgungen.“ Solche Treffen oder Erledigungen konnten vor der Pandemie häufig mit dem Arbeitsweg kombiniert werden. Darüber hinaus ermögliche das Homeoffice auch eine Verlagerung des Wohnorts, der nun weiter vom Arbeitgeber entfernt sein könne und somit den Arbeitsweg an Pendeltagen erhöhe, so die ZEW-Wissenschaftler.

Potenzial vorhanden

In der Studie untersuchte das ZEW-Team den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Mobilität im Verlauf der Corona-Pandemie. „Die Digitalisierung birgt laut unseren Ergebnissen ein Potenzial zur Reduktion des Verkehrsaufkommens und in der Hochphase der Pandemie wurde dieses Potenzial tatsächlich genutzt“, fasst ZEW-Ökonom und Ko-Autor Dr. Daniel Erdsiek zusammen. „Für die Zeit nach der Aufhebung fast aller Corona-Maßnahmen im März 2022 finden wir auf Kreisebene hingegen keinen Zusammenhang mehr zwischen Digitalisierungsgrad und Mobilitätsreduktion.“

Insgesamt deuten die Ergebnisse der Studie somit darauf hin, dass sich ein möglicher Digitalisierungsschub nicht zwangsläufig in einer längerfristig verringerten Mobilität niederschlägt. „Wenn keine akuten, gesundheitlichen Bedrohungen und staatlichen Einschränkungen bestehen, wird das Potenzial digitaler Technologien kaum ausgeschöpft. Auch wenn viele Beschäftigte womöglich ihr Mobilitätsverhalten im Homeoffice verändern, reduzieren diese Verhaltensänderungen nicht unbedingt die insgesamt zurückgelegten Wege“, sagt Janna Axenbeck. Deshalb sei es wichtiger, umweltfreundliche, klimaneutrale Mobilität zu fördern, als auf die Vermeidung von beruflichen Wegen durch mehr Homeoffice zu hoffen, so die Wissenschaftlerin.

Unterschiede in den Kreisen

Für die Analyse wurde ein Textanalyseverfahren verwendet, das es erlaubt, den Digitalisierungsgrad eines Unternehmens anhand seiner Webseite zu bewerten. Auf Basis dieser Information schätzten die Forschenden für jeden der 400 Kreise in Deutschland den durchschnittlichen Digitalisierungsgrad der ansässigen Unternehmen. Dieses Maß verglich das ZEW-Forscherteam im Anschluss mit den Veränderungen der Mobilität, die anhand von Mobilfunkdaten ebenfalls auf Kreisebene beobachtet wurden. Die Analyse zeigt, dass Kreise mit einer höheren Unternehmensdigitalisierung in den ersten beiden Jahren der Pandemie eine stärkere Reduktion der Mobilität erfahren haben. Um den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Mobilitätsreduktionen möglichst präzise messen zu können, wurden für die Studie nur Kreise verglichen, die mit Ausnahme des Digitalisierungsgrades sehr ähnliche Eigenschaften aufweisen.