Die Inbetriebnahme der Sensoren und Aktoren von Fahrerassistenzsystemen im End-of-Line der Fahrzeugendmontage ist ein großer Zeit- und Kostenfaktor. Das ist bedingt durch zeitintensive Prozesse auf den Fahrwerkgeometrieprüfständen. Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik wird im Forschungsprojekt Auto IBN 2 ein Ansatz entwickelt, um die geometrische Fahrachse des Fahrzeuges schon in der Fließmontagelinie zur ermitteln. Ein hierfür entwickeltes automatisches Radadaptionssystem soll bald die Inbetriebnahme der Fahrerassistenzsysteme in Linientaktzeit erlauben.
Bild: Zema gGmbH
Schon aus Wettbewerbsgründen arbeitet die Fahrzeugindustrie stetig daran die Leistungsfähigkeit in der Endmontage zu steigern. Ein aktueller Ansatz zielt darauf ab, die Inbetriebnahme von Fahrerassistenzsystemen zu erleichtern. Dafür ist ein neues Betriebsmittel entwickelt worden, das in ein vollkommen automatisiertes System integriert und in der Modellfabrik am Zema als Prototyp abgebildet wurde.
Umfeldsensoren im Fahrzeug
Komplexe Fahrerassistenzsysteme zählen in modernen Kraftfahrzeugen mittlerweile zum Standard und sind vom Markt nicht mehr wegzudenken. Dazu gehört beispielsweise der Spurhalteassistent, der vor ungewolltem Abkommen von der Fahrspur warnt, aber auch in das Fahrverhalten eingreifen kann. Das wohl bekannteste System ist der Abstandsregeltempomat, der den Abstand zum vorderen Fahrzeug konstant hält und das Fahrzeug bremsen und beschleunigen kann. Auch Systeme wie die Rückfahrkamera oder Rückfahrwarner gehören zu den Fahrerassistenzsystemen und benötigen Sensorik zur Umfeldüberwachung des Fahrzeuges. Die Entwicklung von neuen Sensoren schreitet voran, da für autonom fahrende Fahrzeuge künftig neue Technologien zur Fahrzeugumfeldüberwachung benötigt werden.
Sensoren in Betrieb nehmen
Damit die Fahrerassistenzsysteme zuverlässig funktionieren, muss die Sensorik zur Umfeldüberwachung erst einmal in Betrieb genommen werden. Dabei werden die Sensoren am Ende der Fahrzeugmontagelinie auf einem Fahrwerkgeometrieprüfstand zu einem geometrischen Bezug des Fahrwerkes kalibriert. Dieser Bezug ist die geometrische Fahrachse des Fahrzeuges. Diese bildet sich durch die Winkelhalbierende der Gesamtspur an der Fahrzeughinterachse. Somit wird die geometrische Fahrachse allein durch die Hinterachsspurwinkel definiert.
Kostenfaktor Inbetriebnahme
Das Fahrzeug kommt nach Verlassen der getakteten Montagelinie und Motorerststart in die Fahrzeuginbetriebnahme. Aufgrund der zeitintensiven Prozesse auf den Prüfständen, lassen sich die heute gängigen Linientaktzeiten von ein bis zwei Minuten pro Fahrzeug nicht einhalten. Daher wird das End-of-Line in parallele Strukturen aufgefächert. Für diese parallelen Linienstrukturen brauchen die Werker jedes Prüfmittel gleich mehrfach. Auf dem Fahrwerkgeometrieprüfstand wird in erster Linie die Spur eingestellt. Da die meisten Automobilhersteller jedoch die Anschaffung eines nachgelagerten Fahrerassistenzprüfstandes zur Inbetriebnahme der Sensorik meiden, werden diese Prozesse ebenfalls auf dem Fahrwerkgeometrieprüfstand erledigt. Dies ist möglich, weil sämtliche Sensorik und ermittelte Parameter für den Inbetriebnahmeprozess der Fahrerassistenz-Sensorik auf dem Fahrwerkstand vorhanden sind. Lediglich diverse Zusatzeinrichtungen, wie Targets oder weitere Messtechniken, sind notwendig. Da die Sensorik zur Umfeldüberwachung des Fahrzeuges auch in Bezug auf das autonome Fahren immer weiter zunimmt, ist mit einer Überlastung der Fahrwerkgeometrieprüfstände zu rechnen. Nach aktuellen Angaben der Hersteller benötigt ein Fahrzeug mit maximaler Ausstattung an unterstützenden Systemen eine Prozesszeit auf einem Prüfstand von bis zu zehn Minuten. Die so erforderliche parallele Anordnung der Prüfstände verursacht somit hohe Investitions-, Personal- und Betriebskosten.
Rad automatisch adaptieren
Ein Ansatz der Prozessoptimierung besteht nicht darin, die Fahrwerkstände aus dem End-of-Line herauszulösen, sondern die derzeit auf ihnen lastenden Fahrerassistenzsystem-Inbetriebnahmen in die Fließmontagelinie auszulagern. Dadurch sollen sich parallele Strukturen erübrigen. Bislang gibt es noch keine einfache Technik dafür, da für die Inbetriebnahme der Umfeldsensoren die geometrische Fahrachse des Fahrzeuges im Montagegehänge sehr genau ermittelt werden muss. Bei der Entwicklung einer geeigneten Technik gilt es zu beachten, dass der Messprozess der Fahrwerkparameter der Hinterachse spannungsfrei und bei eingefederter Fahrzeugachse erfolgen muss. Aus diesem Grund wurde nun ein Radadaptionssystem entwickelt, das die Verbindung zwischen Fahrzeugradnabe und einer Messtechnik herstellt, die die geometrische Fahrachse des Fahrzeuges automatisiert ermitteln kann. Diese ermittelte Fahrachse wird im Nachgang zur Inbetriebnahme der Fahrerassistenzsysteme in der Fließmontage als Bezug dienen. Das System besteht aus dem Radadaptionskopf, der Kopfaufhängung, der Schwimmeinheit und der kinematischen Bewegungseinheit. Diese Teilsysteme erfüllen die Prozessanforderungen wie intelligentes Verbinden mit der Radnabe und spannungsfreies Einfedern bis in die konstruktive Nulllage des Fahrzeuges. Der Radadaptionskopf kann über Polymerhülsen eine prozesssichere Verbindung herstellen. Dazu werden Kunststoffhülsen im Radanschlussgewinde der Radnabe gestaucht, die sich ausdehnen und dabei verspannen. Werden sie entlastet, so entspannen und lösen sie sich wieder. Durch die kinematischen Freiheitsgrade der Kopfaufhängung und Schwimmeinheit ist nach dem Kraftschluss zwischen Adaptionskopf und Radnabe eine spannungsfreie Einfederungsbewegung der Hinterachse in die Nulllage möglich. Daraus sind gleiche Bedingungen wie auf einem heutigem Fahrwerkprüfstand geschaffen. Das Messsystem ist mit einem Stereokamerasystem zur Ermittlung der Adaptionskoordinaten, einem Sensor zum Erfassen der Fahrzeughöhenlage und drei Punkttriangulationssensoren zur Fahrwerkgeometriemessung ausgestattet. Durch Rotation der Radnabe über den Radadaptionskopf, können eine Umschlagkompensationsmessung erfolgen und die Fahrwerksparameter in der Nulllage des Fahrzeuges vermessen werden.
Prototyp lässt hoffen
Bislang gibt es einen Prototypen des Systems. Doch schon jetzt versprechen sich die Entwickler von dem Radadaptionssystem, einen großen Beitrag in Richtung Einlinigkeit des Bandendes beitragen zu können. Die erfasste geometrische Fahrachse des Fahrzeuges soll in der Fließmontagelinie mit Kameratechnik an das Fahrzeugchassis ‚angeheftet‘ werden. Somit kann die Chassisposition im Montagehänge zur detektierten Fahrachse erfasst, hinterlegt und in folgenden Takten der Fahrzeugfließmontage ausgelesen werden. Durch die Kombination dieses Vorhabens mit den entsprechenden Targets lassen sich die Umfeldsensoren zur geometrischen Fahrachse des Fahrzeuges kalibrieren. Darüber hinaus sind mittels des Systems auch Prüfprozesse möglich, die derzeit auf dem Rollenprüfstand ablaufen. Dazu zählen die Vertauschungs- und Funktionsprüfungen des Bremssystems sowie deren Sensorik. Auch der Höhenstand und die Radlast lassen sich messen. Die Projektergebnisse lassen hoffen, dass sich schon bald viele neue Möglichkeiten ergeben, moderne Systeme künftig in-Line zu prüfen und in Betrieb zu nehmen. Das dürfte deutlich zur Entlastung des Bandendes beitragen.
Autoren:M. Sc. Marcel Otto ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Zema – Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik. Professor Rainer Müller ist wissenschaftlicher Geschäftsführer der Zema gGmbH.
Autoren: M. Sc. Marcel Otto ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Zema – Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik. Professor Rainer Müller ist wissenschaftlicher Geschäftsführer der Zema gGmbH.
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