Warum Profinet mit Ethernet Schritt halten muss

Die Zukunft von Profinet

Viele Innovationen produzierender Unternehmen zielen darauf ab, mit neuen und digital-basierten Geschäftsmodellen als Gewinner aus der digitalen Transformation hervorzugehen. Für solche Projekte braucht es oft viele neue Kommunikationskanäle von der Automation bis zur Büro-IT. Um diese Anwendungen zukunftssicher zu unterstützen, muss sich der offene Standard Profinet zu einem informationsorientierten Technologieportfolio weiterentwickeln.

Zukunftsblick: Warum Profinet mit Ethernet Schritt halten muss
Bild: © Oliver Sved / Fotolia.com

Auf dem Weg zur Industrie 4.0 stellt die Suche nach neuen Businessmodellen eine wesentliche Motivation für Innovationen dar. Häufig setzen die aktuell vorgestellten Neuheiten ein hohes Maß an Digitalisierung voraus, etwa im Bereich Cloud Computing und digitale Dienste. Wesentliche Merkmale der Produktion in Anlagen der Generation Industrie 4.0. sind verteilte und synchronisierte Produktion von Teilen eines Guts auf mehreren Standorten des gleichen oder von unterschiedlichen Herstellern sowie flexible Produktion von individualisierten Produkten bis herunter zur Losgröße 1. Vor allem Letzteres erfordert den Einsatz von neuen Produktionstechnologien sowie ein erweitertes Maß an Standardisierung in Feldern, die heute in einzelnen Unternehmen proprietär implementiert wurden. Ein solches Umfeld bringt mit sich, dass die industrielle Kommunikation noch wesentlich wichtiger und dominanter sein wird, als es heute der Fall ist. Die zunehmend konkreter werdenden Themen im Industrie 4.0-Umfeld lassen die Experten in den Arbeitskreisen von PI (Profibus & Profinet International) die Richtung zunehmend klarer erkennen, in der die Technologien entwickelt werden müssen. Es wird deutlich, dass sich die strategische Ausrichtung von PI von einem kommunikationsbezogenem hin zum informationsorientierten Technologieportfolio entwickeln muss. Die Innovationen betreffen neben einer zielgerichteten Industrie 4.0-gerechten Weiterentwicklung von Profinet im Wesentlichen die Themen Semantik & Informationsmodelle sowie Security bei Betrachtung neuer Geschäftsmodelle. Basis für Profinet bilden nach wie vor die Ethernet-Standards des Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE).

Echtzeit über TSN

In dieser Normungsorganisation finden derzeit an zwei Stellen interessante Projekte statt. Zum einen wird mit TSN ein Echtzeit-Ethernet mit Eigenschaften entwickelt, die für die Nutzung in der industriellen Automatisierung prädestiniert ist. Zum anderen wird für Anwendungen, die die Überwindung langer Distanzen erfordert, ein neuer Physical Layer für Zwei-Draht-Leitungen entwickelt.

TSN in Profinet integriert

Seit Bestehen basiert Profinet auf Ethernet, was einer der Grundpfeiler des Erfolges ist. Damit die damit einhergehende Offenheit bestehen bleiben kann, muss Profinet der Entwicklung von Ethernet folgen. Der Eckpfeiler der TSN-Strategie ist, dass Profinet auf der Feldebene auch mit unterlagertem TSN arbeiten wird. Die Anwendersicht bleibt dabei unverändert, wozu insbesondere Zugang zu Daten, Diagnose aber auch Profile wie Profisafe gehören. TSN wird neben RT/IRT für Profinet einen zusätzlich möglichen Layer 2 Zugang zu einem konvergenten Ethernet-TSN-Netzwerk bieten. Ziele der Integration von TSN in Profinet sind zum einen, jene Details aus den Features von TSN herauszuarbeiten, die den größten Nutzen bringen. Um anderen gilt es, skalierbare und auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnittene Gerätefunktionen festzulegen. Festzustellen ist des Weiteren, welche hardwarenahen Features von TSN in der Zukunft zur Verfügung gestellt werden sollen. Dies dürfte neue Möglichkeiten für das Gerätedesign eröffnen. PI erwartet außerdem, dass bald neue Standard-Ethernet-Bausteine mit TSN verfügbar sein werden, was Profinet neben den 100MBit/s den Einstieg in die GBit/s-Klasse erleichtern dürfte.

Zwei-Leiter-Ethernet

Die heutigen Ethernet-Standards (z.B. 100/1000BASE-T) erfüllen nicht alle Anforderungen zur Anbindung der Prozesssensorik und -aktorik im Feld, zu denen insbesondere eine zwei-Leiter basierte Kommunikation für größere Distanzen für bis zu 1000m Segmentlänge sowie eine Energie-Versorgung der Sensorik bzw. Aktorik auf dem zwei-Leiter parallel zur Kommunikation gehören. Damit Lösungen künftig auch diese Anforderungen erfüllen können, wurde in der IEEE die 802.3cg Task Force eingerichtet, um einen Standard für eine Datenrate von 10MBit/s für Full-Duplex-Kommunikation über eine zwei-Draht-Leitung mit optionaler Energieversorgung der angeschlossenen Endgeräte (Power over Data Line) bereitzustellen. Mit dem Ergebnis der IEEE-Arbeiten können ASIC-Hersteller einen Ethernet-PHY entwickeln, der in den genannten und weiteren Domänen eingesetzt werden kann. Der bei der Prozessautomatisierung häufig wichtige Explosionsschutz werden in der IEEE allerdings nicht berücksichtigt. Daher hat PI mit den beiden Organisationen ODVA und Fieldcomm Group das Projekt Advanced Physical Layer (APL) aufgesetzt, das eine Lösung für solche Erweiterungen für IEEE 802.3cg unter Berücksichtigung der Anforderungen des Verbandes Namur erarbeiten soll. Elf Industriepartner beteiligen sich an diesem Projekt. Eine weitere Kernaufgabe des APL-Projektteams ist es, die Voraussetzungen und Maßnahmen für Interoperabilität von APL-Komponenten zu definieren. Hierzu gehört auch die Spezifikation einer eigensicheren Kommunikation und Versorgung sowie dazugehöriger Profile, damit Industrial-Ethernet-Feldgeräte in explosionsgefährdeten Bereichen bis Zone 0 bzw. Class I/Division 1 eingesetzt werden können. Außerdem sollen Kriterien zur Bewertung der Konformität der Geräte zur Spezifikation erarbeitet werden, um die Interoperabilität in einer Anlage sicherzustellen. Auf der Basis von APL kann das ein IIoT bis zu den Feldgeräten im Explosionsgefährdeten Bereich ausgerollt werden.

M2M und vertikaler Transfer

Zur Kommunikation zwischen verschiedenen Steuerungen und vertikal weiter oben angesiedelte Lösungen hat sich OPC UA als der geeignete Standard herauskristallisiert. Durch die Unterstützung von Objektorientierung, einfachen Browsens und integrierter Security-Mechanismen können Anwender die Anforderungen in dieser Ebene vergleichsweise einfach und schnell erfüllen. Das funktioniert in den meisten Fällen bereits schon auf Basis des seit Jahren verfügbaren TCP/IP-Protokolls, das koexistent in Profinet-Netzen betrieben werden kann. Durch den Einsatz neuer Mechanismen in OPC UA wie Pub/Sub und TSN erhalten solche Netze zusätzliche leistungssteigernde Eigenschaften, insbesondere das Echtzeitverhalten betreffend. Bisher ist die fehlersichere Kommunikation über einen Feldbus oder Industrial Ethernet auf reine Master-Slave- bzw. Controller-Device-Architekturen begrenzt. Da sich PI für Verbindungen zwischen Steuerungen in Profinet-Netzen für OPC UA entschieden hat, bietet es sich an, die Mechanismen von Profisafe auch auf OPC UA auszuweiten. Hierzu haben die OPC Foundation und PI im Rahmen einer Kooperation beschlossen, gemeinsam einen ‚Profisafe over OPC UA‘-Standard für die Anwendung einer fehlersicheren Controller-Controller-Kommunikation zu erstellen.

Mapping von Objekten

Am Übergang von Profinet zu OPC UA müssen Datenformate standardisiert werden. Gelöst werden soll diese Aufgabe im Rahmen der Kooperation von PI mit der OPC Foundation, in der eine OPC UA Profinet Companion Specification erstellt werden soll. In dieser soll ein OPC UA Information Model zur Darstellung des standardisierten Objektmodells (Object Dictionary) von Profinet definiert werden. Das Informationsmodell soll es OPC UA-Diensten ermöglichen, herstellerunabhängig auf die Objekte von Profinet-Geräten zuzugreifen. Der Zugriff kann über einen OPC UA Server erfolgen, der direkt in das Profinet-Gerät integriert ist, oder über einen OPC UA Server, der Objektwörterbücher mehrerer Profinet-Geräte zusammenfasst. So lässt sich eine horizontale Kommunikation zwischen Profinet-Geräten und OPC UA-Geräten auf der Feldebene sowie die vertikale Kommunikation implementieren, die von Geräten in der Prozess- oder Unternehmensebene initiiert wird. Im ersten Schritt werden die Themen Asset Management und Diagnose bearbeitet.

Ausblick

Die Themen auf der Agenda sind so ausgerichtet, dass Profinet auch in Zukunft auf Standards der IT-Technologie setzt und gleichzeitig die harten Echtzeitanforderungen der Automatisierung erfüllt. Ziel von PI ist es, Profinet auf ein zukunftsfähiges Fundament für die Industrie 4.0 zu setzen. Dafür muss das Protokoll die vielfach diskutierten neuen Geschäftsmodelle abbilden können, von denen sich die Industrie aktuell so großen Mehrwert verspricht.

Profinet Architektur mit TSN und APL (Bild: Profibus Nutzerorganisation e.V.)
Profinet Architektur mit TSN und APL (Bild: Profibus Nutzerorganisation e.V.)