Disruption Künstliche Intelligenz

Innovation von Ackerbau bis Zugverkehr

Der finnische Hersteller von Krananlagen Konecranes vernetzt mehr als eine halbe Million seiner Kräne in einem weltumspannenden Internet of Things. Die Anwendung zählt in Fachkreisen zu den bekanntesten ihrer Art und hat dem Unternehmen den Ruf eingebracht, bei der Verknüpfung von Industrie und IT ganz vorne dabei zu sein. Welche Entwicklungssprünge Algorithmen für Künstliche Intelligenz in naher Zukunft auslösen könnten, schildert Juha Pankakoski, EVP Technologies Chief Digital Officer bei Konecranes.

Disruption Künstliche Intelligenz Innovation von Ackerbau bis Zugverkehr (Bild: Konecranes GmbH)
Bild: Konecranes GmbH

Diskussionen über künstliche Intelligenz (KI) reichen selten weiter als bis zur Erwähnung des fahrerlosen Autos – eine Technologie, die nach gegenwärtigem Stand wahrscheinlich in wenigen Jahren auf unseren Straßen zu sehen sein wird. Hier behauptet sich Deutschland gegen das Silicon Valley. 2018 brachte Volkswagen einen D-Wave-Quantencomputer zum Einsatz, um zu demonstrieren, wie er die Bewegungen von 10.000 Taxis in Peking auf einmal steuern, ihre Routen optimieren und somit Straßenüberlastung reduzieren konnte. BMW baut derzeit ein Rechenzentrum, das zehn Mal so groß ist wie die bestehende Anlage des Unternehmens, um den Datenanforderungen der künstlichen Intelligenz gerecht zu werden. Bosch hat kürzlich angekündigt, eine Milliarde Euro in ein neues Werk in Dresden zu investieren, das Chips für die Sensoren von selbstfahrenden Autos herstellen wird. Auch die Regulierung der KI ist in Deutschland fortschrittlicher als anderswo. Im Bestreben, Mindeststandards zu regeln, veröffentlichte die Bundesregierung Anfang des Jahres die weltweit ersten ethischen Richtlinien dafür, wie solche Fahrzeuge mit in Sekundenbruchteilen zu treffenden Entscheidungen umgehen sollten. Die Bilderkennungstechnologien, die es fahrerlosen Fahrzeugen ermöglichen, potentielle Probleme zu erkennen, könnten auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen. Da festgestellt wurde, dass menschliches Versagen für mindestens drei Viertel der Schiffsunfälle verantwortlich ist, prognostiziert Rolls Royce eine neue Generation autonomer Schiffe, die Stürme, Kollisionen und komplexe Andockmanöver ohne Kapitän auf der Brücke bewältigen können.

Innovation hinter Werkstoren

In ähnlicher Weise hat Konecranes ‚intelligente Funktionen‘ eingeführt, die Bewegungsgrenzen für Krane festlegen, über die sich manuelle Bediener nicht hinwegsetzen können. So lassen sich Kollisionen mit anderen Maschinen und Schäden an den Anlagen vermeiden und darüber hinaus die Sicherheit der Arbeiter auf dem Boden gewährleisten. Obwohl ihr in der unsichtbaren Welt der Fertigung viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird, finden dort einige der beeindruckendsten Sprünge in der KI statt. KI führt nun zu intelligenten Robotern, die mit Sensoren und Computertechnologie ausgestattet sind, welche Sensordaten nicht nur lesen, sondern auch interpretieren und ihre Aktionen entsprechend dieser Interpretation modifizieren können. Der entscheidende Unterschied zwischen der ‚alten‘ Welt der Automatisierung und der neuen mit KI besteht darin, dass erstere in einer geschlossenen Umgebung stattfindet – mit KI kann sie jedoch mit den unerwarteten Parametern umgehen, denen sie ausgesetzt wird.

Digitale Zwillinge lohnen sich

Bis vor kurzem haben beispielsweise die Maschinenbediener und Techniker von General Electric Flugzeugtriebwerke oder Lokomotiven überwacht, indem sie auf Scheppern und Surren hörten und ihre Messinstrumente prüften. Heute setzt das Unternehmen KI mit derselben Absicht ein, also um Störungen vorherzusagen. Die Wissenschaftler von GE entwickelten digitale Zwillinge, also cloud-verknüpfte Softwaremodelle der Maschinen des Unternehmens, die nach Informationen von Sensoren auf ihren Fabrikaten gebaut und mit physikbasierten Modellen, KI und Datenanalyse ergänzt wurden. So kann GE den Verschleiß mit Hilfe von Sensordaten statt anhand von Annahmen oder Schätzungen verfolgen. Die Technologie ist auf KI angewiesen, um sich ständig zu aktualisieren. Wenn Daten mangelhaft sind oder fehlen, füllt das Unternehmen die Lücken mit Hilfe maschinellen Lernens, einer Form von KI, die Computer lernen lässt, ohne dass ihnen dies explizit einprogrammiert wird. GE sagt, dass seine digitalen Zwillinge den jährlichen Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen einer ihrer Schienenfahrzeuge um 32.000 Gallonen beziehungsweise 174.000 Tonnen pro Jahr reduzieren. In ähnlicher Weise setzt der Landmaschinenhersteller John Deere KI bei Maschinen ein, die Daten über Wetter- und Bodenverhältnisse empfangen können, was den Landwirten hilft, fundiertere Entscheidungen darüber zu treffen, wann und wo sie säen und pflügen sollen.

Kräne mit Sensoren

Auch die Kräne von Konecranes sind mit Sensoren ausgestattet und haben digitale Nachbildungen. Die Sammlung und erweiterte Analyse generierter Daten ermöglicht eine vorausschauende Wartung, so dass mögliche Probleme – sowie Muster, die zu Ausfällen führen – bereits im Vorfeld erkannt werden können, zum Beispiel wenn abruptes Bremsen, Übergewicht oder falsch ausgerichtetes Heben nicht nur den Kran, sondern auch die Objekte in der Umgebung schädigen könnten. Der nächste Schritt – der in den kommenden zehn Jahren zu beobachten sein sollte – ist die Entwicklung einer Bilderkennungs-KI-Technologie, die es beispielsweise einem Kran ermöglicht, die zu hebenden Geräte zu begreifen und zu identifizieren, die Risiken wie starken Wind oder passierenden Personenverkehr abzuschätzen und die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Je unterschiedlicher die gehobenen Lasten und je vielfältiger die Umstände tatsächlich sind, desto ausgeklügelter wird die Maschine, da die KI sich je nach spezifischem Bedarf ändern, modifizieren oder umgestalten kann. Sie werden fähig sein, aus den Daten zu lernen und dabei jene Muster erkennen, die mit Fehlern in Verbindung gebracht werden können, um so das Wiederauftreten eines bestimmten Unfalls zu verhindern und weitaus kompetentere Geräte werden.

Weniger Unfälle durch KI

Wie selbstfahrende Autos in Aussicht stellen, Verkehrsunfälle zu reduzieren, so kann die KI in einem industriellen Umfeld die Zahl der Arbeitsunfälle erheblich reduzieren. Die gesammelten Daten sind nicht nur Betriebsdaten, die helfen, bessere und effektivere Maschinen zu entwerfen. Sie liefern auch empirische Hinweise darauf, wie gut die Geräte im Arbeitsvorgang eingesetzt werden. Dies ermöglicht es OEMs, ihre Kunden über effizientere Anwendungspraktiken zu beraten, Kundenbedürfnisse vorherzusehen und ihr Angebot besser auf die Bedürfnisse jedes Kunden individuell abzustimmen. Erfreulicherweise beginnt die Bundesregierung in weitere Forschungsprojekte zu investieren, um für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gegenüber dem Silicon Valley zu sorgen. Mit dem Projekt GAMA beispielsweise machen mehrere Forschungspartner – darunter das Software-Technologie-Institut der Universität Koblenz-Landau, der Kameratechnikspezialist Motec und Konecranes – den ersten Schritt, damit Maschinen in Hafenanlagen ihre eigene Umgebung spüren und erkennen können, um ihr Verhalten anzupassen. Häfen sind wie hochaktive Bienenstöcke, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Fahrzeuge und Maschinen, wie Kräne, Züge und Schiffe, die gleichzeitig in Betrieb sind, was erhebliche Kollisionsrisiken mit sich bringt. Das teilweise vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanzierte GAMA-Pilotprogramm kombiniert Sensoren mit Bildverarbeitung, so dass autonome Fahrzeuge in eingeschlossenen Hafenbereichen nahtlos mit manuell betriebenen Fahrzeugen interagieren können. Dies wird die Sicherheit in Häfen verbessern und die Industrie in eine Zukunft führen, in der Menschen mühelos mit Maschinen interagieren – mit dem Ziel, automatisierte Terminalsysteme mit gemischtem Verkehrsbetrieb zu schaffen.

Öffnen für Kollaboration

In praktisch jeder Industrie, die Daten jeglicher Art hat, wird KI-Technologie zum Einsatz kommen. Das Beratungsunternehmen PwC sagt sogar, dass das Wachstum der künstlichen Intelligenz das globale BIP bis 2030 um 16 Billionen US-Dollar steigern wird. Das stellt eine enorme neue Herausforderung für Unternehmen dar, die sich traditionell auf die Fertigung konzentrieren. Die deutsche Industrie ist zwar bekannt für ihre Fokussierung auf spezifische Probleme, doch die Fertigung des 21. Jahrhunderts dürfte dazu führen, dass sich Deutschland dem offeneren und kollaborativeren Ansatz des Silicon Valley anpassen muss.