Signalverarbeitung in Echtzeit

„Der im Synced Factory Twin-Projekt gebaute Digital Twin zeichnet sich dadurch aus, dass Sensorsignale und Logik nahezu in Echtzeit verarbeitet werden können. Herzstück des Systems ist die von Ascon Systems entwickelte Semantik-Engine“ sagt Mathias Stach, Sprecher der Geschäftsführung der Ascon Systems. Mit hochskalierbarer, auf Internet-Technologie basierender Komponenten für die parallele Informationsverarbeitung ist sie in der Lage, in wenigen Millisekunden die entsprechenden Ergebnisse zu liefern. „Grundsätzlich ist unser Digital Twin produktiv einsetzbar. Seine industrielle Reife stellen wir derzeit im Rahmen mehrerer Pilotprojekte unter Beweis“, sagt Stach. Die Echtzeit-Fähigkeit ist eine wesentliche technische Hürde für die Implementierung des Digital Twins in einer der Final Assembly Lines (FAL) bei Airbus, da die Informationen entsprechend schnell bereitgestellt werden müssen. Was bei einem Demonstrator einfach war, weil die Daten einmal geladen werden konnten, erfordert im operativen Betrieb die Integration in das bestehende Brownfield. „Wir müssen also live auf die Informationen aus SAP ERP und anderen IT-Systemen zugreifen“, sagt Gatzmanga. Dabei stellt sich die Frage, in welchen Formaten die Daten in Echtzeit bereit gestellt werden können. Das OPC UA-Protokoll ist zum Beispiel nicht echtzeitfähig. Zudem sind die Bandbreiten der industriellen Netze nicht für die Übertragung großer Datenmengen ausgelegt. Also muss geklärt sein, welche Daten maschinennah ausgewertet werden können, um nur die kritischen Werte zu übertragen. „Ein wichtiges Thema ist auch die Sicherheit“, sagt Gatzmanga. „Wenn ich Daten in Echtzeit nutze, muss ich sicher sein, dass sie nicht manipuliert werden können. Stellen Sie sich vor, ein mit Sensoren ausgestatteter Drehmomentschlüssel wird gehackt und zieht eine kritische Schraube im Flugzeug nicht mit dem vorgesehenen Wert an, meldet aber genau diesen Wert zurück. Im Fehlerfall kann ich die Ursache kaum noch nachverfolgen.“

Das Bild zeigt Eckard Gatzmanga (links), Leiter CAD/DMU Backbone/ICT Develop bei Airbus, und Kilian Grefen (rechts), Geschäftsführer der Ascon Systems GmbH, im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, wo eine digitale Pilotfabrik entstehen soll.
Bild: Redaktionsbüro Michael Wendenburg

Für die Ausrüstungsmontage

Noch ist nicht klar, wenn und wo der Digital Twin bei Airbus produktiv zum Einsatz kommen wird. Geplant ist auf jeden Fall, die Pilotfabrik im ZAL, in der die Ergebnisse laufender Forschungsvorhaben zusammenfließen werden, damit auszustatten. An kritischen Arbeitsstationen in der Endmontage kann die Lösung schon jetzt eingesetzt werden, und zwar dort, wo es schnell Nutzen verspricht. Großes Potenzial sieht Frankenberger vor allem in der Ausrüstungsmontage, in der Tausende von Komponenten in einer Vielzahl möglicher Arbeitsfolgen in das Flugzeug eingebaut werden. Die Komplexität im Major Component Assembly (MCA) sei noch größer als in der FAL. In der Strukturmontage, in der die großen Rumpfsegmente und Flügel zusammengefügt werden, lassen sich die Arbeitsfortschritte einfacher nachvollziehen, weil die Teile sehr groß sind und oft nur an einem bestimmten Bauplatz montiert werden können. Hier wäre es jedoch interessant, das Extended Enterprise in die Betrachtung einzubeziehen und anhand bestimmter Check Gates im Vorfeld zu prüfen, ob die Zulieferkomponenten rechtzeitig auf dem Shop Floor zur Verfügung stehen werden. Man könnte bei Teilen mit mehreren Tage Zulaufszeit schon die Verladung und den Transport verfolgen, um die Ankunft abzuschätzen.

20 Prozent schneller ans Ziel

„Die Abläufe werden heute extrem gestört durch fehlende Lieferungen oder andere Probleme, die sich eigentlich schon länger vorher andeuten“, sagt Frankenberger. Der Prozess von der Vormontage über die Struktur- und Ausrüstungsmontage bis zur finalen Integration dauert bei einem Airbus A321 heute zwischen 32 und 33 Tagen. Vorsichtig geschätzt ließen sich durch die automatische Erfassung der realen Situation auf dem Shop Floor und mit dynamischem Line Balancing etwa 20 Prozent der Zeit sparen, wie Frankenberger sagt. „Noch höher wären die Kosteneinsparungen, denn wir müssen heute einen enormen manuellen Aufwand treiben, um den Bauzustand der Flugzeuge festzustellen. Deshalb würde ich den Factory Twin lieber heute als morgen im Einsatz sehen.“


Demonstrator am Beispiel einer echten Arbeitsstation

Der Synced Factory Twin wurde unabhängig von, aber in enger Abstimmung mit den laufenden Forschungsvorhaben am Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) entwickelt. Eines dieser Projekte nennt sich AIR-X und hat die Gestaltung eines IoT-fähigen End-to-End-Daten-Backbones zum Ziel. Da sich Datenströme schwer sichtbar machen lassen, sollte der Demonstrator am Beispiel einer realen Arbeitsstation der Final Assembly Line (FAL) im Flugzeugbau veranschaulichen, wie Shopfloor-Daten in Echtzeit verarbeitet werden können, um daraus Vorhersagen für die Optimierung der Montageabläufe abzuleiten.