Digitaler Zwilling vor dem Rollout bei Airbus

Klare Sicht in der Montage

Produktionsplanung und -steuerung lassen sich besser synchronisieren, wenn mana die digitalen Modelle von Produkt und Fertigungslinien mit Echtzeitdaten aus dem Shopfloor füttert. Wie das im Flugzeugbau aussehen könnte, demonstriert der Synced Factory Twin bei Airbus. Doch bis das echtzeitfähige digitale Abbild der Fabrik flächendeckend bei der Flugzeugmontage hilft, ist noch einiges zu tun.

Flugzeugmontage einer Airbus
Bild: Airbus S.A.S; H. Goussé / Master Films

Airbus hat ein Problem, von dem andere nur träumen können. Mit fast 6.900 Aufträgen ist die Produktion für die nächsten zehn Jahre ausgelastet, und der Backlog wächst zurzeit schneller als die Zahl der Auslieferungen. „Wir müssen es deshalb schaffen, mehr Flugzeuge in unterschiedlichen Varianten auszuliefern“, erläutert Eckart Frankenberger, der als Leiter Industrial Architecture & Manufacturing Strategy für die Optimierung der Fertigungs- und Montageabläufe in den Airbus-Werken verantwortlich ist. Ein gemeinsam von Airbus und dem Softwarehersteller Ascon Systems in einem Prostep ivip-Projekt entwickelter Digital Twin soll dazu einen wichtigen Beitrag leisten, indem der die Trennung zwischen der realen Fabrik und ihrem virtuellen Abbild aufhebt. Das IT-basierte Abbild soll für mehr Transparenz auf dem Shop Floor sorgen, damit die Produktionsverantwortlichen bei Planabweichungen im laufenden Takt ein dynamisches Line Balancing durchführen können. Heute vergeht bei Airbus eine relativ lange Zeit zwischen der Ausführung einer Work Order und ihrer Rückmeldung, wie Frankenberger weiter ausführt. „Wir haben dadurch keine Transparenz über den tatsächlichen Ablauf einer Installationsfolge mit ihren hochkomplexen Teileflüssen, die sich über fünf, sechs Tage hinziehen kann. Bei Schwierigkeiten versuchen wir, durch Governance auf dem Shopfloor Lösungen zu finden. Das Problem ist nur, dass unsere Aircraft Manager 80 Prozent der Zeit damit verbringen, den Zustand zu erfassen und das Problem zu erkennen, und entsprechend wenig Zeit haben, es zu lösen, geschweige denn die Lösung zu überwachen. Unser Kernthema ist deshalb, immer zu wissen, was auf dem Shop Floor los ist.“ Der Digital Twin von Ascon erreicht diese Transparenz dadurch, dass die Arbeitsfortschritte im Werk über Sensorik erfasst und nachfolgend semantisch aufbereitet werden, ohne dass die Mitarbeiter die einzelnen Arbeitsgänge zurückmelden müssen. Das wäre nämlich viel zu zeitaufwendig und würde bei den relativ autonom operierenden Teams auf wenig Gegenliebe stoßen, da sie genau wissen, was sie zu tun haben. Schließlich werden Single Aisle-Maschinen wie der Airbus A319, A320 und A321 schon seit vielen Jahren in Hamburg gebaut.

Abbildung der Fertigungslogik

Für die sensorgestützte Erfassung der Arbeitsfortschritte gibt es grundsätzlich drei Ansatzpunkte, wie Kilian Grefen, Geschäftsführer der Ascon Systems GmbH erläutert: „Ich kann mir entweder anschauen, ob die Voraussetzungen für die wertschöpfende Tätigkeit gegeben sind, das heißt Material und Werkzeug zum Arbeitsplatz bewegt werden, oder ob sie stattgefunden hat, weil bestimmte Objekte wieder entfernt werden. Drittens kann ich die Wertschöpfung direkt erfassen, zum Beispiel über das Drehmoment am Schrauber.“ Entscheidend ist, dass nicht jeder Prozessschritt überwacht werden muss, um zuverlässige Aussagen über den Bauzustand des Flugzeugs machen zu können. Bestimmte Arbeitsfortschritte lassen sich indirekt über die Kombination verschiedener Sensordaten erschließen. Mit der Erfassung der Sensordaten ist es allerdings nicht getan – sie müssen im richtigen Kontext interpretiert werden. Ob ein bestimmtes Material vorhanden ist oder nicht, sagt ja noch nicht viel aus. Erst wenn das System weiß, dass genau dieses Material Voraussetzung für einen bestimmten Arbeitsschritt ist, kann es daraus Schlüsse ziehen, etwa dass die Arbeitsschritte neu organisiert werden müssen, weil ein Material fehlt. Deshalb muss zum einen die Logik der Montageabläufe in der Lösung abgebildet sein, so wie sie in der Produktionsplanung vorgedacht wurden, zum anderen muss diese Logik mit der Semantik der Sensorsignale verknüpft werden, um ihre Bedeutung für die Montageabläufe bewerten zu können. Was auf den ersten Blick recht aufwendig erscheint, ist es nicht, weil bestimmte Situationen an den Arbeitsstationen wiederkehrend sind. „Wir können die Logik, wie bestimmte Ressourcen- oder Werkzeugbewegungen interpretiert werden, in wieder verwendbaren Blöcken beschreiben“, erläutert Grefen. Dargestellt werden die Arbeitsfortschritte am 3D-Modell des Flugzeugs beziehungsweise der betreffenden Rumpfsektion, was den Vorteil hat, dass man sie bei Besprechungen mit der Werksleitung sehr einfach visualisieren kann. Dazu muss nicht zwingend die komplette Montagelinie in 3D aufgebaut werden, was aber laut Gatzmanga kein Problem darstellt, da die Produktionsmittel in aller Regel als 3D-Modelle vorliegen: „Prinzipiell wollen wir künftig alles in 3D abbilden, um zu jedem Zeitpunkt einen digitalen Snapshot der realen Fabrik zu haben. Heute erzeugen wir 3D-Modelle für die Produktionsplanung, die aber in dem Moment obsolet sind, in dem die Montagelinie angeschaltet wird, weil sich ständig etwas verändert.“