Automobilhersteller agieren bislang erfolgreich in ihren eher geschlossenen Wertschöpfungsketten. Sie verstehen den Markt als Nullsummenspiel. Unternehmen wie Apple haben vorgemacht, dass es auch anders geht: Von offenen Ökosystemen können alle profitieren. Wann öffnet sich die Automobilindustrie für diese Idee?
(Bild: MHP Management- und IT-Beratung GmbH)
Zu Beginn war iTunes kaum mehr als ein Programm für Apple-Rechner und den iPod. Mit dem iTunes Music Store öffnete Apple 2003 seine Welt aber für neue Player. Als 2007 das iPhone heraus kam, dynamisierte sich die Entstehung des Ökosystems. Gleichzeitig veränderte die neue Device-Klasse das Verhalten von Menschen drastisch, mit immensen Einfluss auf die Wirtschaft. Stephen Elop, von 2010 bis 2013 CEO von Nokia, kommentierte den Wandel treffend: „The battle of devices has now become a war of ecosystems, where ecosystems include not only the hardware and software of the device, but developers, applications, ecommerce, advertising, search, social applications, location-based services, unified communications and many other things.“ Trotzdem gelang es Nokia nicht, sich unter den neuen Rahmenbedingungen zu behaupten. Auch wenn Apple also nicht alles richtig gemacht hat, lassen sich vor allem vier Erfolgsfaktoren für den Aufstieg des Ökosystems ableiten:
• Apple hat eine digitale Plattform als Online-Marktplatz etabliert, über den sich Angebots- und Nachfrageseite finden und digitale Produkte austauschen können – etliche andere Anbieter haben später ähnliche Plattformen aufgebaut.
• Apple hat die eigene Software und Hardware für externe Akteure (in gewissem Rahmen) geöffnet – auch wenn nur die Ausgestaltung neu war.
• Apple hat sukzessive Kooperationen mit Stakeholdern aus verschiedenen Branchen aufgebaut – so arbeiten beispielsweise Apple und Nike seit einigen Jahren zusammen.
• Apple hat immer auch die Hardware mitgedacht – und war damit ein wichtiger Wegbereiter für das Internet of Things (IoT).
IoT und die Automobilindustrie
Auch für die Automobilindustrie ist das Potenzial des Ökosystems immens. Seit über einem Jahrzehnt wird intensiv an Connected Cars gearbeitet. Und tatsächlich sind viele Fahrzeuge mittlerweile mit dem Internet verbunden. Der richtige Durchbruch ist bislang aber noch keinem der etablierten Hersteller gelungen. Dass es noch am großen Wurf mangelt, dürfte nicht unmittelbar an der Technologie liegen. Hervorragende Sensoren und Aktoren sind verfügbar, ausreichend Rechenperformance lässt sich leicht im Fahrzeug installieren und die Verbindung mit dem Mobilfunknetzt ist eine Kleinigkeit, abgesehen von Lücken in der Netzabdeckung. Den OEMs ist es aber bislang nur sehr bedingt gelungen, sich untereinander und mit Vertretern anderer Branchen zu verbinden. Aktuell ist das Automobil im Sinn der IT-Welt zwar intelligent und potenziell vernetzbar, bleibt aber ziemlich allein. Das Minimum wäre daher die Verständigung auf Standards für die Kommunikation, um Interkonnektivität zu ermöglichen – das Maximum wären dauerhafte strategische Partnerschaften.
Ein Verständniswandel könnte die Grundlage dafür schaffen: Die Hersteller müssten ihre Fahrzeuge nicht mehr nur als Hardware begreifen, sondern analog zum Smartphone als Plattform, über die auch externe Stakeholder ihre Dienste anbieten können. Grundvoraussetzung für solche Bemühungen ist die Offenheit aller Beteiligten in den Unternehmen. Gerade in der Automobilindustrie ist die allerdings oft nicht besonders stark ausgeprägt. Das war in der Vergangenheit auch nicht erforderlich, weil die Branche als geschlossenes System gut funktionierte. Und so wird Offenheit heute auch nicht immer als Chance wahrgenommen, sondern als Bedrohung. Offenheit könnte Außenstehenden Einsichten gewähren, die diese nutzen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Solchen Überlegungen liegt ein Verständnis von Wirtschaft als Nullsummenspiel zugrunde: Der Verlust des Einen ist der Gewinn des Anderen. Die Beraterinnen und Berater bei MHP vertreten die Auffassung, dass diese Logik nicht grundsätzlich zutrifft. Stattdessen lassen sich durch Offenheit häufig Win-Win-Situationen schaffen. Weil erst durch die Kooperation nützliche Szenarien entstehen. So können IoT-fähige Fahrzeuge erstens dazu beitragen, Geschäftsprozesse vor allen in der Forschung und Entwicklung sowie der Produktion zu verbessern, indem sie Daten an die Devices oder Systeme der Hersteller übermitteln. Closed-Loop-Manufacturing-Szenarien sind dafür ein prominentes Beispiel. Bei der jüngsten Fahrzeuggeneration ist das bereits Realität, was insbesondere daran liegt, dass OEMs hier sehr autonom handeln können. Potenzial haben zweitens Use Cases, bei denen ein Fahrzeug mit der unmittelbaren Umwelt kommuniziert. In eine Smart City könnte sich ein Connected Car mit Infrastrukturassets austauschen, z.B. um die Steuerung des Verkehrsflusses zu optimieren. Fortschritte sind hier allerdings kaum zu erkennen. Damit Bewegung in das Thema kommt, sind herstellerübergreifend standardisierte Schnittstellen erforderlich. Am anspruchsvollsten ist drittens der Austausch zwischen zwei oder mehr Fahrzeugen. Hier ist der Nutzen aber auch am größten. Kommunizieren Fahrzeuge beispielsweise in einem Stau miteinander, könnten sie die Geschwindigkeit aufeinander anpassen, und der Verkehr würde schneller wieder besser fließen. Viertens sind neue Mobilitätsformen umsetzbar – zum Beispiel Car-Sharing-Services, bei denen Nutzer eine Fahrzeugklasse mieten und an bestimmten Standorten Fahrzeuge der gebuchten Klasse nutzen können. Gerade die Mobilitätsdienstleistungen der vierten Kategorie könnten nochmal einen Innovationsschub bringen, da von den Consumern getrieben die Nachfrage nach der Bereitstellung und Integration von Dienstleistungen Dritter steigen wird. Momentan scheinen Verabredungen zwischen allen Beteiligten eines mobilen Ökosystems eher schwierig. OEMs können aber die Zusammenarbeit mit einzelnen Akteuren vorantreiben und damit zunächst bilaterale Verbindungen knüpfen. Mit dem Autobauer im Mittelpunkt kann mittelfristig eine Interkonnektivität im gesamten Partner-Netzwerk entstehen. Möglich ist auch, Akteure auf eine offene Plattform einzuladen – wie es Apple mit seinen Stores seit knapp 20 Jahren macht. Natürlich müssen dafür Onboarding-Prozesse etabliert und rechtliche Grundlagen geschaffen werden, die zur Zielgruppe passen und die attraktiv sind.
Offene Plattform bereitstellen
In diese Richtung bewegt sich der Volkswagen-Konzern gerade. Zum einen mit seiner 2019 aufgebauten Car.Software-Organisation, die seit seit 2020 am Linux-basierten Betriebssystem VW.OS arbeitet. Das Betriebssystem soll später ähnlich wie Android als Open-Source-Software bereitgestellt werden. Zudem hat Volkswagen gemeinsam mit Amazon Web Services und Siemens die Industrial Cloud an den Start gebracht. Der Konzern arbeitet also auf ein offenes (Sub-)Ökosystem hin, in dem Hersteller, Zulieferer und weitere Dienstleister ihre Lösungen anbieten und damit voneinander profitieren können. Das Konsortium der Partner tritt hier als Mediator auf, der für das Sub-Ökosystem neben der technologischen Plattform auch die Spielregeln bereitstellt.
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