Wartungsarbeiten wie die Kalibrierung von Werkzeugmaschinen könnten künftig deutlich einfacher werden. Im Technologieprogramm Smarte Datenwirtschaft entsteht gerade eine Auditlösung für datengetriebene Dienstleistungen, die Maschinenbetreibern und Wartungsfirmen den rechtssicheren Austausch von Messdaten ermöglichen soll.
Die Maschinen in der Produktion werden zunehmend komplexer. Ihre Wartung erfordert, auch durch die zunehmende Digitalisierung von Maschinenkomponenten, immer mehr Knowhow der Fachleute. Diese haben aber oft volle Terminkalender und es kommt zu Wartezeiten. Ist es dann soweit, müssen Betriebe die Ausfallzeit ihrer zu wartenden Maschinen aufwendig in ihre Betriebsabläufe integrieren. Außerdem ist jeder Besuch eines Wartungstechnikers mit Kosten verbunden. Die Wartung selbst zu übernehmen, ist dabei meist keine Option: Schon aus Haftungs- und Maschinensicherheitsgründen sind die Maschinenhersteller für die Wartung der Anlagen zuständig, nicht die Maschinenbetreiber. Gleichzeitig bedeuten Wartungen für die Maschinenhersteller laufende Einnahmen, diese fallen aber unregelmäßig an und sind mit hohem Aufwand verbunden. Servicebereitstellung im Maschinenbau erfordert viel Wissen, Prozessverständnis und Erfahrung, insbesondere bei Konfiguration, Wartung und Fehlerdetektion. Dafür brauchen Maschinenhersteller qualifizierte Fachkräfte, die nicht nur teuer, sondern auch immer schwerer zu finden sind.
Selbstständige Wartung mit digitaler Unterstützung
Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, der Technischen Universität Dresden, der Metrom Mechatronische Maschinen GmbH, der Software AG und der TU Wien arbeiten an Lösungsansätzen für dieses Problem. Das Projekt ist Teil des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Technologieprogramms Smarte Datenwirtschaft, in dessen Rahmen anwendungsnahe Forschung im Bereich digitaler Spitzentechnologien gefördert wird. Die Idee: Das Team des Projektes ‚Auditlösung für ML-basierte, datengetriebene Dienstleistungen‘ (kurz AUDIo, der Lesbarkeit halber künftig Audio) kreiert eine Plattform, die die Möglichkeit für einen sicheren, auditierfähigen und automatisierten Austausch von Daten bietet. Dieser basiert auf der Distributed-Ledger-Technologie, vielen besser bekannt als Blockchain. Zudem werden Dienstleistungen wie Wartungen angeboten und zwischen den beteiligten Akteuren, also Maschinenhersteller bzw. Servicedienstleister und Maschinenbetreiber, vermittelt.
Distributed-Ledger-Technologie (DLT) kommt zum Einsatz, wenn die Daten der Maschinensteuerung über die Audio-Plattform vom Maschinenbetreiber zum Dienstleister oder Maschinenhersteller übertragen werden und wenn Kalibrier- und Konfigurationsdateien von und für Werkzeugmaschinen zurückübermittelt werden. Durch die Nutzung der Plattform sorgen alle Akteure dafür, dass Datentransaktionen und Zustände von Dateien über einen sogenannten Hash-Wert abgesichert werden, der eine Art Fingerabdruck von Dateien und Datensätzen darstellt und nahezu einzigartig ist. Man kann aus einem Hash-Wert nicht auf die Daten schließen – mit den Daten ist es aber sehr einfach, den Hash-Wert zu berechnen. Die Distributed-Ledger-Technologie macht es praktisch unmöglich, diesen Hash-Wert nachträglich zu manipulieren oder zu löschen, da dieser in einem dezentralen, öffentlich einsehbaren Distributed-Ledger-Netzwerk gespeichert wird. Somit kann keine der geschäftstreibenden Parteien behaupten, andere Daten über die Audio-Plattform versendet und erhalten zu haben, denn durch die Offenlegung von den entsprechenden Maschinen-, Kalibrier- oder Konfigurationsdaten und deren Abgleich mit dem Hash-Wert können alle Akteure die Richtigkeit ihres Tuns belegen.
Kreisformtest mit automatischer Datenübertragung
Wie kann das nun in der Praxis aussehen? Auf der im Projekt entwickelten Plattform bietet ein Maschinenhersteller Unterstützung bei der Rekalibrierung einer Maschine als Dienstleistung an. Ein Maschinenbetreiber kann diese Dienstleistung buchen, bekommt aber digitale Unterstützung statt den Besuch eines Technikers. Für den Fall der Kalibrierung einer beispielhaften Werkzeugmaschine der Metrom Mechatronische Maschinen GmbH, die etwa für Fräs- oder Schweißaufgaben eingesetzt werden kann, hat das Audio-Forscherteam ein besonderes Messsystem (Double Ball Bar) entwickelt. Mit dessen Hilfe kann die Genauigkeit der Werkzeugmaschine durch das Abfahren von Bahnen ermittelt werden. Über mathematische Formeln lassen sich dann Fehler und Abweichungen im Raum berechnen, welche durch eine Maschinenkonfigurationsdatei behoben oder minimiert werden können. Durch den Einsatz von Augmented-Reality-Brillen kann der Maschinenbetreiber zusätzliche digitale Unterstützung bei der richtigen Handhabung des Messsystems an seiner Werkzeugmaschine erhalten. Alle gemessenen Daten, die für die Kalibrierung relevant sind, werden von der Maschinensteuerung auf ein Gateway oder Laptop geladen, um über die entwickelte Plattform zum Auftragnehmer transferiert zu werden. Auf Basis der erhaltenen Daten erzeugt der Maschinenhersteller nun die Konfigurationsdatei, die zur Neukalibrierung genutzt wird.
Erweiterungen des digitalen Marktplatzes
Perspektivisch soll die entwickelte Plattform ein Marktplatz zum Vermitteln von Dienstleistungen werden, auf dem nicht nur die Implementierung der Kalibrierdienstleistungen möglich ist, sondern auch die Schnittstellenanbindung von unterschiedlichen Systemen. Durch die Integration von vorhandenen Softwarelösungen in Form von Diensten, beispielsweise in den Bereichen Bauteilvermessung oder automatische Nachbearbeitung von Bauteilen soll das Angebot auf der Plattform zukünftig noch erweitert werden – auch durch Drittanbieter.
Bisher befindet sich die Audio-Lösung in der Entwicklungsphase. Ist sie einsetzbar, bietet sie zahlreiche Vorteile: Maschinenbetreiber können Wartungen auf Basis der Systemdaten individuell planen und somit auf Zeiten legen, in denen die betreffende Maschine sowieso stillsteht. So sind sie unabhängig vom Zeitplan der Maschinenhersteller und anderer Dienstleister. Auch Maschinenhersteller und andere Dienstleister aus diesem Segment sollen durch die Plattform an Flexibilität gewinnen: Sie müssen ihre Fachkräfte nicht mehr auf teure Dienstreisen schicken. Außerdem können Dienstleistungen auf dem Marktplatz leichter skalierbar gemacht werden.
Eckdaten zur Technologie
Wie ermittelt ein Fertigungsunternehmen für sich, ob es von den Projektergebnissen profitieren kann?
Eine Kalibrierung ist für jede Werkzeugmaschine notwendig. Da die Kalibrierung aus Haftungsgründen durch den Hersteller vorgenommen werden muss, wird die Nutzung von Audio Unternehmen, in denen solche Maschinen zum Einsatz kommen, viel Zeit und Geld sparen.
Welche IT-Infrastruktur sollte vorhanden sein, um die im Projekt entstandene Technologie zügig zu adaptieren?
Es muss ein Messsystem geben, das der Maschinenbetreiber selbstständig oder mit VR-/AR-Unterstützung nutzen kann. Zudem hat das Konsortium das System so konzipiert, dass die Werkzeugmaschine nicht zwingend über das Internet erreichbar sein muss, sondern zunächst unabhängig ihrem Betrieb nachgehen kann. Um die Daten von der Maschine an die Plattform zu übermitteln, braucht es allerdings einen PC mit Internetzugang, über den Formulardaten auf der Online-Plattform ausgefüllt und Daten bereitgestellt werden können.
Mit welchem Aufwand für die Einrichtung und Pflege der Systeme muss ein Unternehmen rechnen?
Die Anbindung an die Plattform ist mit keinem übermäßigen Aufwand verbunden. Das System wird, derzeit, durch die FhG IWU und Software AG für Nutzende kostenfrei gepflegt und weiterentwickelt. Das Messsystem (Double Ball Bar) muss wie jedes Messsystem regelmäßig geprüft werden, um Schäden auszuschließen und Messfehler zu vermeiden. Die Installation der Software dauert etwa vier Wochen. Für die Optimierung der Modelle ist anschließend mit etwa drei bis sechs Monaten zu rechnen. Danach ist das Programm eingerichtet und muss nur noch nach Bedarf gewartet werden.
Autoren:Dr. Tom Kraus arbeitet für das Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH. Das iit ist Teil der Begleitforschung des Technologieprogramms Smarte Datenwirtschaft und unterstützt das Technologieprojekt AUDIo.
Autoren: Dr. Tom Kraus arbeitet für das Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH. Das iit ist Teil der Begleitforschung des Technologieprogramms Smarte Datenwirtschaft und unterstützt das Technologieprojekt AUDIo.
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