Der Energy Campus von Stiebel Eltron

Per Knopfdruck vom Winter zum Sommer

Der Haustechnik-Produzent Stiebel Eltron setzt bei seinem Schulungs- und Kommunikationszentrum auf die Prozessvisualisierungssoftware Visiwin. Mithilfe der HMI- und Scada-Anwendung wechseln Schulungsleiter per Knopfdruck etwa von einem Winter- auf ein Sommerszenario, um die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit der Technik zu demonstrieren. Die Software selbst verhält sich dabei sehr flexibel, schließlich muss sie jede neue Produktgeneration von Stiebel Eltron detailliert und schnell abbilden können.

Der Energy Campus ist ein nachhaltiges Schulungszentrum und Showroom für die neuste Stiebel Eltron-Technologie.
Bild: Inosoft GmbH / Stiebel GmbH

Zwischen Ende 2014 und November 2015 ist in Holzminden ein modernes und ökologisches Schulungs- und Kommunikationszentrum der Firma Stiebel Eltron entstanden. Eine zentrale Aufgabe des Energy Campus ist die theoretische und praktische Ausbildung von Fachpersonal aus den Bereichen Heizung, Lüftung, Klima und Elektroinstallation. Um das Fachhandwerk bestmöglich in die vielfältigen Produkte von Stiebel Eltron einweisen zu können, war die Kombination von Theorie und Praxis für das Unternehmen von besonderer Bedeutung. Während der theoretische Teil in klassischen Seminarräumen stattfindet, entstanden für die Praxis mehrere Themenwelten: Wärmepumpe, Lüftung, Warmwasser sowie das Montagezentrum und der Energiegarten. Hier wurden die verschiedenen Technologien unter Realbedingungen verbaut. Zur Visualisierung der Regelvorgänge und der Auswirkungen von äußeren Einflüssen sowie zum Bedienen der Szenarios in den Themenwelten kommt die Software Visiwin von Inosoft zum Einsatz.

Immer neue Anforderungen

Die Planung des Großprojektes in Holzminden stellte Bauherren und Dienstleister vor große Herausforderungen. Neben dem Zeitfenster von nur einem Jahr zwischen Baubeginn und geplanter Fertigstellung waren auch technische und bauliche Ausgestaltung der Themenwelten anspruchsvoll. Die Technologien von Stiebel Eltron sollten für die Schulungszwecke schließlich dem neusten Stand der Technik entsprechen. Was machbar war, konnte teilweise erst während des Baufortschritts festgestellt werden. Dementsprechend benötigte der Energy Campus auch eine Steuerungs- und Visualisierungssoftware, die sich den verändernden Anforderungen in den Themenwelten anpasst. Die Software musste zudem auf mobilen Endgeräten funktionieren, auch wenn zum Projektbeginn noch nicht feststand, ob diese Android- oder iOS-basiert arbeiten würden. Der Softwarehersteller Inosoft nahm diese Herausforderung mit seiner Human-Machine-Interface- (HMI) und Scada-Software Visiwin an. Die Prozessvisualisierung bietet einen Client-Typen, der plattformunabhängig ist, und neben dem klassischen Desktop-PC auch iOS- und Android-Betriebssysteme unterstützt. Dadurch war die Festlegung auf Apple-Produkte, die im Zuge des Projektes vorgenommen wurde, ohne großen Aufwand möglich. Die HTML5-Technologie ermöglicht dabei browserbasierte Oberflächen, Gestensteuerung z.B. mit ‚wischen‘ auf Multi-Touch-Bildschirmen und Einbindung von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets.

Bei Schulungen werden Systemdaten per Visiwin visualisiert und über das Tablet des Ausbilders auf dem TV-Bildschirm ausgegeben.
Bild: Inosoft GmbH / Stiebel GmbH

Szenarien per Software

Die Idee der Themenwelten ist es, die Technologien von Stiebel Eltron im praktischen Einsatz erlebbar zu machen – für Seminarteilnehmer, Handwerker und Außendienstler mit Kunden. „Um das optimale Erleben zu ermöglichen, können wir verschiedenste Szenarien simulieren“, erklärt Frank Röder, Leiter des Energy Campus und der Planungsabteilung bei Stiebel Eltron. So kann z.B. ein kalter Wintertag simuliert werden, um zu demonstrieren, wie Geräte wie Wärmepumpen oder Lüftungssysteme reagieren. Zudem ist es möglich, in den Schulungen Einflussfaktoren, die negativ auf die Systeme einwirken können, zu verändern und so einen Teilausfall oder ein Fehlverhalten der Systemkomponenten herbeizuführen. Darüber hinaus lassen sich Rezepte, das heißt automatisierte Abfolgen definierter Funktionen von Aktoren, realisieren. Für ein Rezept wie ‚Badewanne mit 130 Liter Warmwasser mit einer Temperatur von 40°C befüllen‘ gibt die Software die entsprechenden Befehle an die SPS. Diese regelt dann u.a. Wasserhahn- und Mischbatterieventilfunktion im Zusammenspiel mit einer Temperaturüberwachung. In den Themenwelten stehen insgesamt 16 Wärmepumpen und Wohnungslüftungsgeräten von denen jeweils 300 bis 400 Datenpunkte erfasst werden.

Mobile Lösungen

Um die Arbeit mit dem System im praktischen Unterricht zu erleichtern und realistische Szenarien jederzeit abspielen zu können, entschied sich Stiebel Eltron für den Einsatz mobiler Endgeräte und legte dabei großen Wert auf hohe Bedienerfreundlichkeit. Das HTML5-basierende WebUI der Visualisierungsanwendung ermöglicht es, Ansichten und Dashboards auch für mobile Geräte zu erstellen. So können für die Seminarleiter speziell für den Unterricht gestaltete Dashboards (Stiebel-Eltron-Campus-Navigator) bereitgestellt werden, mit denen diese in der Lage sind, die in den Themenwelten eingesetzten Technologien gezielt anzusteuern und die vorbereiteten Szenarien oder Rezepte abzuspielen. Der Navigator dient als ‚Armaturenbrett‘ für die Geräte und Szenarien. Über verschiedene integrierte Dashboards kann der Hersteller in Echtzeit die Werte der im Szenario eingesetzten Geräte überwachen und steuern. „Auf dem Display oder via Apple TV, verbunden mit unseren TV-Screens, können wir jederzeit nachvollziehen, wie sich eine Wärmepumpe in einem Szenario verhält, wann sie aktiv werden muss, wieviel Energie sie benötigt und mit welcher Effizienz sie arbeitet“, sagt Frank Röder. Geräte wie die Wärmepumpe erheben ihre Daten über ein internes CAN-Bus-Protokoll und kommunizieren über Modbus mit der SPS, die auch über verschiedene andere Protokolle Daten von weiteren Sensoren und Aktoren sammelt und der Anwendung zur Verfügung stellt. Die Visualisierung zeigt das Regelverhalten der Anlage quasi in Echtzeit, wobei der Nutzer Darstellungsform und Werte wählen kann. So gibt es z.B. Kurven für die Effizienz oder Tachos für den COP, den Coefficient of Performance. Der kann Dozent mit Tablet-typischen Bewegungen die Aktoren ansteuern, um von einem Kalter Wintertag- in das Hochsommer-Szenario zu wechseln.

Software als Vertriebstool

Neben dem Einsatz im Schulungsbereich kann die Software auch von Außendienstlern genutzt werden, da der Campus Planern oder privaten Bauherren ebenfalls offensteht. „Jeder Bauherr oder Hausbesitzer hat andere Herausforderungen zu meistern und unterschiedliche Ausgangssituationen“, schildert Frank Röder. „Eine Familie mit drei Töchtern benötigt mehr Warmwasser zum Duschen, als ein Single. Wir können hier individuell und unkompliziert das Szenario simulieren, das auf den Kunden zukommt. Hier kann also direkt vor Ort getestet werden, welche Systemlösung dafür die effizienteste ist. Über die eigens entwickelten Slider im UI des Tablets kann per Befehl an die SPS die gewünschte Trinkwarmwasser Zapfmenge verändert werden, wodurch sich verschiedene Zapfprofile, wie z.B. eine ausgiebige Dusche, einstellen lassen. Ein anderes Beispiel ist der Nachweis des Leistungsvermögens von Lösungen des Herstellers für bestimmte Szenarien. Wenn ein Installateur seinem Kunden ein Integralgerät mit integrierter Wohnungslüftung und Wärmepumpe empfiehlt, weil sie im Winter effizient wärmt, im Sommer angenehm kühlt, Energie spart und dabei noch eine hohe Luftqualität sicherstellt, dann hat er die Möglichkeit, diese Aussagen mit den entsprechenden Werten in der Visualisierung des Energy Campus zu belegen.

Visiwin unterstützt verschiedene User Interfaces - und mit diesen auch Web-Anwendungen und Gestensteuerung.
Bild: Inosoft GmbH / Stiebel GmbH

Fruchtbare Zusammenarbeit

Der Bau des Schulungszentrum verlief erfolgreich. Aber auch nach dessen Eröffnung wird die Zusammenarbeit fortgesetzt. Neben der klassischen Wartung und Weiterentwicklung der Software müssen regelmäßig neue Komponenten in das System eingebunden, Steuerungen parametriert, Slider und Visualisierungsdarstellungen angepasst und neue Rezepte und Szenarien programmiert werden, um die Ausbildungsmöglichkeiten immer auf dem neuesten Stand zu halten. „Unsere Trainer und Ausbilder sind von den Möglichkeiten begeistert. Mit wenigen Befehlen können Sie über das Tablet Probleme im Unterricht simulieren“, sagt Frank Röder. „Unsere Gebietsverkaufsleiter können mit ihren Kunden jederzeit in den Campus kommen und mit ihren Tablets direkt in die Demonstration starten.“ Da Inosoft den gesamten Service übernimmt, können sich die Mitarbeiter von Stiebel Eltron auf Ihre Kernkompetenz konzentrieren: die Anwendung und den Unterricht. 2016 wurden rund 10.000 Schulungsteilnehmer in der Akademie ausgebildet. 2017 erwartet Stiebel Eltron eine weitere Steigerung. Im Sommer 2017 wurden innerhalb von nur wenigen Wochen sämtliche Themenwelten mit der neuesten Gerätegeneration ausgestattet, die parallel wieder in das System, in die Rezepte und die Darstellungsoptionen der Visualisierung integriert werden mussten. Dafür mussten Menüs und Grafiken in den Benutzeroberflächen komplett überarbeitet werden. „Wir wissen, dass wir uns auf Inosoft verlassen können“, sagt Frank Röder. Inzwischen wird die Software auch bei Tochterunternehmen von Stiebel Eltron eingesetzt – mit den gleichen Funktionen und markenspezifisch angepasster Oberfläche.