Sander Rotmensen von Siemens zum für die Industrie reservierten 5G-Funkspektrum:

„Für private Anwender ein riesiger Vorteil“

Es gibt Kritik an der IT-Sicherheit des 5G-Funkstandards. Wie sehen Sie diesen Aspekt mit Blick auf die industrielle Anwendung? Lassen sich womögliche Schwachstellen mit Siemens-Lösungen schließen?

Rotmensen: 5G ist sicherer als alle anderen Standards davor, auch aufgrund neu integrierter Verfahren. Was wir bei Siemens als großen Vorteil betrachten, ist die Möglichkeit des privaten Netzbetriebs. In ihrem eigenen Netzwerk können sie die Topologie, die Geräte und den Datenverkehr präzise verwalten und steuern. Das erleichtert es Anwendern auch, ihr Netz um das Security-Konzept von Siemens zu erweitern. Wir gehen mit 5G wie mit unserer bereits verfügbaren LAN- und Industrial- Wireless-LAN-Vernetzung um.

Was lässt sich denn mit 5G auf lokaler Ebene realisieren, die mit den heute verfügbaren Funktechnologien nicht zu realisieren ist?

Rotmensen: Man kann in diesen 5G-Netzwerken skalieren, etwa um mehrere Applikationen darin zu betreiben. Aktuelle Wireless-Lösungen werden häufig nur für eine Lösung aufgesetzt, etwa für eine Elektrohängebahn. In der Zukunft könnte alles über sogenannte Slices in einer einzigen großen Infrastruktur eingebunden sein. Sie können sich das als virtuelle 5G-Netze vorstellen, die jeweils eigene Anforderungen stellen. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass es auch in Zukunft nicht nur 5G geben wird, Industrial-Wireless-LAN und so weiter wird weiterhin eingesetzt werden. Branchenverbände und einzelne Unternehmen haben es als Verhandlungserfolg vermittelt, dass bei der 5G-Frequenzvergabe ein Bereich für die industrielle Nutzung reserviert wurde. Dieses 100-Megahertz-Frequenzspektrum für private Anwendungen ist ein großer Vorteil für die hiesige Industrie. Vor allem für Industrieunternehmen mit besonders viel kabelloser Kommunikation, die ihre besonders wichtigen Applilkationen über ihre private Frequenz betreiben und bei weniger wichtigen auf öffentliches Spektrum ausweichen. Bei Handheld-Geräten spricht auch nichts gegen den Einsatz von bereits verfügbarer Technologie wie Industrial Wireless LAN. Zumal die kommende Version Wi-Fi 6 ebenfalls viele Verbesserungen für die Industrie mitbringen wird.

Welchen Stellenwert werden solche Funktechnologien Ihrer Meinung nach in der Fertigungsorganisation der Zukunft einnehmen?

Rotmensen: 5G und Industrial Wireless LAN werden zuverlässig mobilere und flexiblere Fertigungen unterstützen. Die Lösungen dürften sich in ihren Latenzen immer mehr der Echtzeit annähern, was auch Geschwindigkeiten erhöhen wird.

Bis hin zur modularen Fabrik?

Rotmensen: Das ist zweifellos eine realistische Vorstellung, ohne jetzt einen konkreten Zeitrahmen nennen zu wollen. Die Diskussionen um solche Konzepte könnten durch die aktuelle Wireless-Technologie einen beachtlichen Schwung erhalten.

Wie sieht die Produkt-Roadmap von Siemens aus?

Rotmensen: Wir arbeiten daran, aber richtig los geht es mit der Veröffentlichung von Release 16 im Sommer. Erst dann liegt uns und den anderen Hardwareherstellern die Beschreibung des Standards vor. Bis diese in Chips und anschließend in Produkte realisiert ist, dürften ein bis zwei Jahre vergehen. Die ersten Produkte werden wahrscheinlich noch keine höheren Echtzeitanforderungen umsetzen. Bis zu solcher Hardware für private Industrial 5G-Netze könnte es mindestens drei bis vier Jahre dauern.

Wird diese Siemens-Hardware interoperabel mit der Hardware anderer Hersteller sein?

Rotmensen: Unser Ziel ist immer, nah am Standard zu bleiben. Davon weichen wir in der Regel nur ab, wenn der Standard unseren Anwendern nicht die Möglichkeiten bietet, ihre Applikationen und Lösungen umzusetzen.

Herr Rotmensen, vielen Dank für das Gespräch! (ppr)





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