EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung

Zeiterfassung zwischen DSGVO und EuGH-Urteil

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden: Bei der Arbeitszeiterfassung müssen sich Unternehmen in Zukunft neuen Anforderungen stellen. Als Geschäftsführer des Spezialisten für digitale Arbeitszeiterfassung Virtic weiß Michael Stausberg, worauf sich Firmen einstellen sollten.

(Bild: Virtic GmbH)
(Bild: Virtic GmbH)

Herr Stausberg, welche Unternehmen betrifft das Urteil und besteht bereits Handlungsbedarf?

Michael Stausberg: Das Urteil betrifft grundsätzlich alle Unternehmen. Diese sollten nun prüfen, ob sie die Anforderungen, die sich aus dem Urteil ergeben, bereits heute erfüllen oder Änderungen vornehmen müssen. Die Gesetzgeber innerhalb der EU sind derzeit dazu aufgefordert, die nationale Rechtslage an das Urteil anzupassen. Unternehmen könnten natürlich zunächst diese neue Rechtslage abwarten. Einige Arbeitsrechtler erwarten aber, dass deutsche Arbeitsgerichte das Urteil des EuGH bei Rechtsstreitigkeiten über die Arbeitszeit schon jetzt berücksichtigen werden und im Streitfall die Arbeitszeit auf Basis einer Arbeitszeiterfassung belegt werden muss.

Welchem Zweck dient die systematische Arbeitszeiterfassung?

Stausberg: Der EuGH möchte Arbeitnehmer mit diesem Urteil in die Lage versetzen, ihre Rechte durchzusetzen – vor allem mit Blick auf den Gesundheitsschutz. Die Erfassung von Arbeitszeiten dient typischerweise folgenden Zwecken: Die Ermittlung der Vergütung etwa betrifft jedes Unternehmen und jeden Arbeitnehmer, der nach Arbeitszeit vergütet wird. Gleiches gilt für die Ermittlung der Arbeitszeit und Ruhezeit gemäß dem Arbeitszeitgesetz. Auch die Bewertung von Auswärtstätigkeiten, wie die Berechnung der steuerfreien Pauschale für Verpflegungsmehraufwände, Übernachtungspauschalen oder Auslösung ist wichtig. Hinzu kommt die Kostenrechnung, also die Ermittlung der Personalkosten je Kostenträger, Projekt oder Auftrag, was jedoch nicht in allen Unternehmen relevant ist. Unternehmen sollten demnach ein System wählen, mit dem alle relevanten Zwecke bedient werden können.

Was schreibt der EuGH für die Erfassung vor?

Stausberg: Es wird ein objektives, verlässliches, zugängliches und vertrauliches System gefordert, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden kann. Das bedeutet, dass die Arbeitszeit objektiv gemäß den betrieblichen Vereinbarungen erfasst werden muss, also unabhängig von der Person, die die Erfassung vornimmt. Zudem muss das System manipulationssicher sein, verlässlich funktionieren und in der Lage sein, alle Arbeitszeiten unabhängig vom Arbeitsort zu erfassen. Um ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis sicherzustellen, muss das System für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zugänglich sein. Die Daten müssen zudem vertraulich verarbeitet werden. Unternehmen sollten also unbedingt darauf achten, dass nur berechtigte Personen Zugang haben.

Wie können Unternehmen entscheiden, welches Erfassungssystem das richtige ist?

Stausberg: Die geeignete Erfassungstechnik hängt davon ab, in welcher Arbeitssituation die Zeiten erfasst werden müssen: An einem festen Arbeitsplatz können sich Arbeitnehmer beispielsweise an Terminals im Eingangsbereich oder an ihrem Arbeitsplatz-PC an- und abmelden. Robuste Terminals können auch bei längerdauernden Außendiensteinsätzen, etwa auf Baustellen, installiert werden. Im Homeoffice können Arbeitnehmer hingegen das Smartphone oder den PC verwenden. Mobile Geräte sind zudem ideal geeignet, wenn auch unterwegs Arbeitszeiten erfasst werden müssen, etwa beim Kunden oder im Projekteinsatz außerhalb des Firmensitzes. Grundsätzlich entsteht ein klarer Vorteil bei der effizienten Weiterverarbeitung der Daten, wenn eine digitale Lösung zum Einsatz kommt.

Worauf sollten Unternehmen bei der Umsetzung besonders achten?

Stausberg: Unternehmen müssen an dieser Stelle eine Reihe von Aspekten im Blick haben: Werden die Anforderungen der DSGVO berücksichtigt? Wo findet die Datenverarbeitung statt? Können Lese- und Schreibrechte auf bestimmte Personen begrenzt werden? Wie bedienerfreundlich ist das System und wie ist die Akzeptanz in der Belegschaft? Hat der Arbeitnehmer Zugang zu seinen eigenen Daten? Zudem muss der Betriebsrat, sofern im Unternehmen eingerichtet, eingebunden werden. Er hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, mit denen das Verhalten sowie die Leistung der Arbeitnehmer überwacht werden sollen.

 

Die Pressemitteilung des Gerichtshofe der Europäischen Union zum Urteil finden Sie hier.