HeidelbergCement modernisiert Produktionsleitstand

Damit nichts mehr entgeht

Bei HeidelbergCement in Ennigerloh entsteht aus Rohmaterial Zementklinker, der dann zu Zement vermahlen wird. Nachdem die Leitstand zur Überwachung in die Jahre gekommen war, entschieden sich die Verantwortlichen für eine Neugestaltung. Jungmann Systemtechnik errichtete den Kontrollraum mit zwei ergonomischen Arbeitsplätzen und flexibel einsetzbarer Technik.

Das gebrochene Material wird in der Rohmühle durch die Ofengase getrocknet, mehlfein gemahlen und danach zur Homogenisierung in Silos zwischengelagert. Durch Sinterung in der Drehofenanlage entsteht daraus Zementklinker, der anschließend zum Endprodukt wird. (Bild: HeidelbergCement AG)
Das gebrochene Material wird in der Rohmühle durch die Ofengase getrocknet, mehlfein gemahlen und danach zur Homogenisierung in Silos zwischengelagert. Durch Sinterung in der Drehofenanlage entsteht daraus Zementklinker, der anschließend zum Endprodukt wird. (Bild: HeidelbergCement AG)

Seit 1909 wird am HeidelbergCement-Standort Ennigerloh Zement produziert. Für die Herstellung wird zunächst Kalkmergel aus den eigenen Steinbrüchen zusammen mit hochprozentigem Kalksteinmaterial aus dem Sauerland als Schotter dosiert oder den Rohmühlen zugeführt. Das gebrochene Material wird in der Rohmühle durch die Ofengase getrocknet, mehlfein gemahlen und danach zur Homogenisierung in Silos zwischengelagert. Beim Brennvorgang in der Drehofenanlage entsteht daraus bei einer Temperatur von etwa 1.450°C mittels Sinterung Zementklinker, aus dem anschließend in weiteren Mahlprozessen das Endprodukt Zement gewonnen wird. Die Überwachung der Herstellungsschritte erfolgt durch einen Produktionsleitstand mit zwei Arbeitsplätzen. Stand Mitte 2020 war deren technische Ausstattung sowie die Einrichtung der Räumlichkeiten etwas in die Jahre gekommen waren. So befanden sich am etwa 8m langen Kontrollraumpult zuletzt insgesamt 24 Einzelmonitore mit starren Anzeigen sowie eine Vielzahl von Tastaturen und Mäusen. Vier Generationen Leittechnik kamen dort zusammen. „Für die Mitarbeiter war es eine Herausforderung, bei dieser Fülle an Hardware die Übersicht zu behalten“, so Volker Weimer, der bei Jungmann Systemtechnik (JST) für das HeidelbergCement-Projekt verantwortlich zeichnet. „Wurde etwa an einem der weit links am Pult befindlichen Rechner eine Eingabe getätigt und danach etwas an einem ganz rechts stehenden Monitor überprüft, musste der Operator den ganzen Tisch entlangrollen. Das hat natürlich die Reaktionszeit beeinträchtigt.“ Alle 32 Bildschirme im Blick zu behalten, war für einen überwiegend alleine agierenden Leitstandfahrer eine Herausforderung. „Die Steuerungsfunktionen waren für die Mitarbeiter sehr aufwendig“, bestätigt auch Heinz Bröker, Betriebsleitung Zementwerk Ennigerloh. Die Verantwortlichen bei HeidelbergCement entschieden sich daher, für den besseren Überblick einen modernen, ergonomischen Kontrollraum einzurichten.

Großbildsystem installiert

Der von JST geplante und realisierte JST Leitstand verfügt über zwei Arbeitsplätze, deren Ausstattung es einem einzigen Mitarbeiter erlaubt, die gesamte Anlage zu bedienen und zu überwachen. Einen großen Anteil daran hat das installierte Großbildsystem, das sich durch die damit verbundene spezielle Hard- und Software steuern lässt: Das sogenannte Multi-Consoling gestattet es, Monitore zu korrelieren, so dass sich der Operator immer die Anzeige, die er gerade benötigt, auf einen der eigenen Bildschirme am Arbeitsplatz oder die Großbildwand aufschalten kann. Die Menge der Monitore im Produktionsleitstand des Zementwerks Ennigerloh ließ sich so reduzieren. „Jeder der beiden Arbeitsplätze ist mit Multikonsolen bestehend aus lediglich vier Bildschirmen sowie jeweils einer Tastatur und Maus ausgestattet“, so Weimer. „An der Großbildwand befinden sich weitere sechs Displays mit besonders schmalen Rahmen, die zu Teamview-Zwecken eingesetzt werden können. Dank der Multi-Consoling-Funktion ‚Mouse Hopping‘ lassen sie sich ebenfalls mit der am Pult vorhandenen Maus-Tastatur-Einheit bedienen.“ Die für einen Gesamtüberblick notwendigen Quellen können so auf die Display Wall bzw. auf die Arbeitsplätze aufgeschaltet werden. Die benötigten Anzeigen werden je nach Bedarf kurzfristig verschoben und bearbeitet.

Bei der Ausstattung des alten Leitstands fehlte es unter anderem an adäquater Darstellung der Prozessdaten über Großbildtechnik. (Bild: HeidelbergCement AG)
Bei der Ausstattung des alten Leitstands fehlte es unter anderem an adäquater Darstellung der Prozessdaten über Großbildtechnik. (Bild: HeidelbergCement AG)

Anpassungen über Touchpad

Situationsbezogene Anpassungen lassen sich über das sogenannte Command Pad realisieren, ein ins Operatorpult integriertes Touchdisplay. Das Pad ist mit der interaktiven Bedienoberfläche myGUI ausgestattet, die ein 3D-Layout der gesamten Kontrollrauminfrastruktur widerspiegelt. Darauf sind alle benötigten Quellen abgebildet, die über Icons einfach auf Arbeitsplatzmonitore oder Display Wall gezogen und dort bedient werden können. Das soll besonders in Stresssituationen für sichere Steuerung sorgen: „Wenn eine Störung eintritt, müssen die Operator schnell die relevanten Kamera- bzw. Anlagenbilder finden, um das Problem beheben zu können“, erklärt Weimer. Dafür können auch sogenannte myActions genutzt werden. Dabei handelt es sich um vordefinierte Szenarien, die in der myGUI hinterlegt und aufrufbar sind. Diese Funktionalität verkürzt beispielsweise bei Temperaturüberschreitungen im Drehofen die Reaktionszeit der Mitarbeiter.

Neues Raumklima

Um die Arbeitsbedingungen für die Anlagenfahrer zu verbessern, wurde im Kontrollraum zudem ein neues Klima-, Licht- und Akustikkonzept umgesetzt. Dafür spielt ebenfalls die Großbildwand eine zentrale Rolle. „Die Display Wall ist nicht nur mit akustikhemmenden Materialien ausgeführt, dort ist auch die Klimatisierung integriert“, erläutert Weimer. Kühle Luft strömt durch Lüftungsgitter unterhalb der Displays in die Leitwarte, steigt diagonal nach oben und kühlt den Raum, bevor sie oberhalb der an der Leitstand-Rückwand installierten Pantryküche abgesaugt wird. Durch die Größe der Luftauslässe (50x50cm) kann das gesamte Luftvolumen im Raum mit geringer Strömungsgeschwindigkeit ausgetauscht werden. Dies sorgt dafür, dass Zuglufterscheinungen vermieden werden. Die Mitarbeiter sind zudem durch die ergonomischen, höhenverstellbaren Kontrollraumpulte geschützt, die mit dem Boden abschließen.

Human Centric Lighting

Darüber hinaus wurden im neuen Produktionsleitstand in Ennigerloh auch zwei Opal-X11-Akustik-Deckensegel installiert. Diese von JST in Zusammenarbeit mit Experten aus den Bereichen Raumakustik und Lichtdesign neu konzipierte Lösung besteht aus einem Material mit einem aw-Wert von 0,8. „Das bedeutet, dass circa 80 Prozent des darunter befindlichen Sprechschalls durch das Segel absorbiert werden“, erläutert JST-Berater Dirk Lüders, der die Entwicklung des Segels unterstützt hat. „Das Ergebnis ist die Verringerung der Nachhallzeit und somit eine bessere Akustik an diesem Arbeitsplatz.“ Zudem wurde das Segel mit Human Centric Lighting (HCL) ausgestattet, das einen Wechsel der Farbwerte zwischen Kalt- und Warmweiß ermöglicht. So kann der Farbverlauf dem des Tageslichts nachempfunden werden, was die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit der Operatoren beispielsweise bei Nachtschichten unterstützen soll. Die Einstellung der Lichtfarbe kann über das Command Pad am Pult erfolgen.

Heute wird das Zementwerk an ergonomischen Arbeitsplätzen mit flexibler Technik überwacht. (Bild: Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG)
Heute wird das Zementwerk an ergonomischen Arbeitsplätzen mit flexibler Technik überwacht. (Bild: Jungmann Systemtechnik GmbH & Co. KG)

Alarm Light integriert

Zusätzlich lässt sich auch das Alarm Light ins Deckensegel integrieren. Diese spezielle Beleuchtung für Leitwartenarbeitsplätze und Großbildwand ist vom Monitoringsystem ansteuerbar und kann bei einer eingehenden Fehlermeldung blinken oder die Farbe wechseln. Kombiniert wurde das Deckensegel außerdem mit einem Audiosystem, das eine Soundausgabe oberhalb des Bedieners ermöglicht und das Alarm Light durch akustische Signale unterstützen kann. So lassen sich eingehende Alarme selbst dann nicht übersehen, wenn sich der Mitarbeiter gerade nicht direkt an seinem Arbeitsplatz befinden sollte.

Fast zwei Betriebsjahre

Seit August 2020 ist der neue Produktionsleitstand in Ennigerloh im Einsatz. Der Auftraggeber zeigt sich mit dem Verlauf des Projektes zufrieden: „Erst die JST-Technologie hat uns Gelegenheit gegeben, die Aufgaben aus allen Leittechniken zu bündeln und damit den Übergang in eine entspannte Arbeitsumgebung zu ermöglichen“, resümiert Bröker.