Vertikaler Brückenschlag

Schneller digitalisieren mit einer ERP-MES-Integration

Konsolidierte Datenbestände sind das A und O bei der Verzahnung von Geschäfts- und Produktionsprozessen. Mit der Integration von ERP-System und MES kommen Hersteller diesem Ziel einen großen Schritt näher.

 (Bild: Sage GmbH)
(Bild: Sage GmbH)

Höhere Agilität fordert der Wettbewerb aber auch in anderen Segmenten des industriellen Mittelstands. So führt der durch die Digitalisierung beschleunigte Trend zur Produktindividualisierung generell zu einer höheren Variantenvielfalt. Verkürzte Lieferzeiten, engere Lieferfenster und höhere Produktvariabilität bei gleichzeitig wachsendem Margendruck: Mit einem isolierten Fertigungsleitstand ohne direkte Anbindung an das ERP-System lassen sich derartige Herausforderungen immer schwieriger bewältigen. Denn im Shop Floor setzt die heute notwendige Lieferflexibilität vor allem eines voraus: Echtzeit-Transparenz über das aktuelle Auftragsgeschehen. Umgekehrt kann ein Zulieferer einem Kunden gegenüber nur dann ad hoc eine Lieferzusage treffen, wenn auch im ERP-System die aktuelle Maschinenauslastung sichtbar ist. Und auch die Lagerverfügbarkeit der Komponenten, die für die betreffende Bestellung erforderlich sind, muss verifiziert werden können. Nicht zuletzt bedarf es auch personeller Kapazitäten zur Abarbeitung der Ad-hoc-Bestellung sowie zur gegebenenfalls erforderlichen Maschinenumrüstung. Auf ERP-Ebene sollte daher nicht nur das Manufacturing Execution System (MES) in Echtzeit ansprechbar sein, sondern ebenso die Personaleinsatzplanung für die Produktion.

Datenbestände zusammenführen

Alles in allem schaffen konsolidierte Datenbestände die Voraussetzung dafür, den Materialfluss im Shop Floor im ERP-System detailliert abzubilden und vor Ort in der Fabrikhalle die angesprochene Auftragstransparenz herstellen zu können. Neben höherer Lieferfähigkeit sorgt eine systemübergreifende Datenkonsolidierung sowohl für eine optimierte Auslastung des Maschinen- und Anlagenparks als auch für bedarfsgerechte Beschaffungsprozesse. Auf dieser Basis kann sich auch der eingangs erwähnte Zulieferer von Überbevorratung und damit einhergehender Kapitalbindung befreien. Durch die Datenkonsolidierung auf der ERP-Plattform eines Unternehmens kann der Produzent die Prozesskomplexität abfangen, die seine großen OEM-Kunden vermehrt in die Lieferkette hineinverlagern.

Qualitätssicherung

Eine weitere Herausforderung, die sich aus zeitlich und logistisch enger verzahnten Lieferketten ergibt, betrifft die Produktqualität: Wer sich ganz traditionell auf Vorrat beliefern lässt, kann eventuelle Produktmängel eher in Kauf nehmen, da sich ein Ausschussteil dann einfach austauschen lässt. Beim Just-in-Time- beziehungsweise Just-in-Sequence-Modell hingegen schmilzt mit den Lagerbeständen auch dieser Qualitätspuffer dahin, so dass für Zulieferer auch das Qualitätsmanagement auf den Prüfstand gehört. Zu signifikanten Verbesserungen führt die umfassende ERP-MES-Integration hierbei unter anderem durch die Möglichkeit zur Echtzeit-Verknüpfung von Betriebs- und Maschinendaten mit Fertigungsaufträgen und den zugehörigen Schichtplänen. Prozessparameter der Herstellung lassen sich somit unmittelbar in Korrelation setzen zum jeweiligen Zustand des betreffenden Produkts. Schon im Vorfeld werden dadurch mögliche Ursachen für sonst erst später auffallende Qualitätsmängel erkennbar. Zudem können Prüfpläne für obligatorische Qualitätskontrollen in der Fabrikhalle sowohl aus aggregierten BDE/MDE-Informationen als auch aus hinterlegten ERP-Produktstammdaten erzeugt werden. Idealerweise laufen solche Qualitätsprüfungen online ab, weil die Prüfergebnisse dann sofort analysiert werden können. Damit werden Ursachen von Mängeln zeitnah identifizierbar und lassen sich folglich auch schneller beheben. Nach außen hin wird für Kunden zunächst das gestiegene Qualitätsniveau sichtbar. Aber auch in der internen Bilanz schlagen sich verringerte Ausschussraten als verminderte Material- und Arbeitskosten nieder.

Werktor auf für die KI

Noch besser wäre es, etwaige Mängelursachen schon im Vorfeld zu erkennen – also noch bevor ein Werkstück Schaden nimmt. Möglich wird ein solch präventives Qualitätsmanagement durch lernende Algorithmen, wobei fortlaufende Analysen aller qualitätsrelevanten ERP- und Shop-Floor-Informationen bislang verborgene Wirkzusammenhänge ans Licht bringen können: Erkennbar werden per KI-Einsatz zum Beispiel Korrelationen zwischen verfahrenstechnischen Parametern, Produkteigenschaften und dem Anlagenstatus. Die Analyseergebnisse können dann als Input in die Produktentwicklung zurückfließen und liefern zugleich Anhaltspunkte zur Verbesserung der Verfahrenstechnik. Qualitätsmanagement wird so zu einem fortlaufenden Optimierungsprozess, der weit über die Grenzen des Shop Floor hinaus geht.

Unterstützung bis zum Shop Floor

Vielversprechende Einsatzmöglichkeiten bietet KI nicht zuletzt bei der Steuerung von Fertigungsprozessen selbst – etwa durch Langzeitauswertungen bisheriger Auftragsdaten, die auch bei saisonal schwankendem Geschäft präzise Prognosen zum künftigen Auftragsvolumen ermöglichen. Einkaufs- und Logistikabteilungen können die Bestellmengen für Bauteile und Komponenten bedarfsgenau festlegen und rechtzeitig bei den eigenen Zulieferern ordern. Auch interne Ressourcen wie personelle Kapazitäten lassen sich so vorausschauend planen. Auch KI-gestützte Chatbots können fertigungsnahe Aufgaben unterstützen. Insbesondere strukturierte Abläufe mit begrenztem Dialogumfang lassen sich durch eine natürlich-sprachliche Mensch-Maschine-Kommunikation optimieren: Statt beispielsweise Pick-Listen auf einem Display abzuhaken, könnten Kommissionierer einfach „OK“ sagen. Moderne ERP-Systeme können Unternehmen also nicht nur im Büro, sondern auf der gesamten vertikalen Achse ihrer IT-Infrastruktur unterstützen.

Chatbots können nicht nur bei der Kundenbetreuung eingesetzt werden. Auch im Lager lassen sich mit Prozesse mit diesen KI-Werkzeugen unterstützen. (Bild: Sage GmbH)
Chatbots können nicht nur bei der Kundenbetreuung eingesetzt werden. Auch im Lager lassen sich mit Prozesse mit diesen KI-Werkzeugen unterstützen. (Bild: Sage GmbH)






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