Die Einführung eines MES ist ein komplexes Projekt. Es wird gerade zu Beginn Ressourcen binden – und Geld kosten. Dafür stehen am Ende optimierte Produktionsprozesse, bessere Qualität und positivere Betriebsergebnisse. Die folgenden Hinweise helfen MES-Anwendern in spe dabei, diese Effekte mit ihrem Rollout zu erzielen – und nicht über die typischen Fallstricke zu stolpern.
Bild: Fastec GmbH
Der Rollout einer vernetzten MES-Anwendung ist eine Voraussetzung für den Einstieg in die digitale Produktion. Im folgenden Beitrag geht es um mögliche Stolpersteine, die alle Projektbeteiligten aus dem Weg räumen müssen, bevor die Fertigung mit der angedachten IT-Unterstützung arbeiten kann. Um die wichtigste Weiche zum Erfolg hervorzuheben: Alle Beteiligten müssen früh und ausführlich informiert werden. Die Einführung wird nur erfolgreich, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Von der IT-Abteilung bis hin zum Maschinenbediener und dem Betriebsrat müssen alle Mitarbeiter wissen, was von ihnen erwartet wird und welche Chancen sich ihnen bieten. Das ist wichtig, wenn die Investition nicht von Anfang an auf wackeligen Füßen stehen soll. Spekulationen und Mutmaßungen von Angestellten sind weder zielführend, noch steuerbar. Sorgen und Skepsis einzelner Beteiligter beruhen häufig auf Unkenntnis und sind ernst zu nehmen. Die Verantwortlichen sollten ausreichend Zeit und Ressourcen darauf verwenden, allen Beteiligten die Hintergründe und den Nutzen einer MES-Einführung zu vermitteln. Der Weg der Digitalisierung verläuft stets über die Menschen.
Think Big – Start Small
Die MES-Implementierung ist für viele Unternehmen die erste Berührung mit ausgefeilter Werks-IT. Deshalb sollte schon zu Beginn ein Gesamtbild gezeichnet werden, inklusive konkreter Ziele und nachvollziehbarer Zeitpläne. Daraus abgeleitet ist es am sinnvollsten, dort zu starten, wo am schnellsten der größte Nutzen erzielt werden kann. Konsequenterweise setzen Hersteller In den meisten Fällen bei der Produktivitätssteigerung der Maschinen an. Hier lautet die grundsätzliche Devise wiederum: Die teuersten zuerst. Daher steht die Maschinendatenerfassung (MDE) inklusive Nutzung der OEE-Kennzahlen ganz weit oben auf der To-Do-Liste. Mit dem MES-Modul Maschinendatenerfassung (MDE) legen die Produzenten zugleich die Basis für den Rollout weiterer Funktionen. Häufig wird im MES-Projekt erst eine Maschine angeschlossen. So wird der Umgang mit den faktenbasierten Daten schneller erlernt. Für die Unternehmenslenker hat dieser Start den Vorteil, dass sie die Amortisierung des Projektes genauer berechnen können. An diesem Punkt sind die wesentlichen Grundvoraussetzungen für einen Rollout auf weitere Maschinen gegeben.
Systemauswahl braucht Zeit
Um das passende System zu finden, sollten sich Unternehmen Zeit nehmen. Referenzkunden des MES-Anbieter sollten geprüft und Möglichkeiten für Referenzbesuche angefragt werden. Beim Funktionsumfang der Systeme gilt es genau hinzuschauen. Einige als MES angebotene Systeme sind bei näherer Betrachtung reine MDE-/BDE-Lösungen. Das mag zunächst ausreichen und ist unter Umständen anfangs auch günstiger. Im Nachhinein kann sich die Investition aufgrund fehlender Standardisierung und Modularität als Fehlentscheidung erweisen, wenn etwa eine Feinplanung, Instandhaltung oder Energie-Monitoring hinzukommen sollen. Hier zahlt es sich aus, wenn die angestrebte Lösungslandschaft bereits früh definiert wurde. Eine sehr gute Orientierung für die Funktionalitäten einer MES-Anwendung bietet die Richtlinie VDI5600. Sie beschreibt zehn typische MES-Aufgaben:
Feinplanung und Feinsteuerung
Betriebsmittelmanagement
Materialmanagement
Personalmanagement
Datenerfassung
Leistungsanalyse
Qualitätsmanagement
Informationsmanagement
Energiemanagement
Auftragsmanagement
Bei mancher MES-Software können sich Anwender ihre Lösung quasi wie aus einem Baukasten aus Modulen wie Maschinendatenerfassung, Betriebsdatenerfassung und Instandhaltung zusammenstellen. In das Konzept einer umfassenden Werks-IT gehört, welches Modul zwingend und wann benötigt wird. Ein Leitgedanke ist dabei: Was nutzt dem Produktionsprozess am meisten?
Mit dem Betriebsrat zusammen
Die Aufgeschlossenheit des Betriebsrats sollte unbedingt genutzt werden. Ihn einzubinden, ist nicht nur wichtig, weil es sich um ein mitbestimmungspflichtiges Projekt handelt. Vielmehr kann der Betriebsrat bei der Einführung eine wichtige Hilfe sein. Er kennt die Vorbehalte und Skepsis der Mitarbeiter. Diese reichen nicht selten von der Angst kompletter Überwachung bis hin zum Arbeitsplatzverlust. Durch entsprechendes Projekt- und Produktwissen kann der Betriebsrat viele Sorgen entkräften. Er sollte stets wissen, mit welchem MES-Modul welches Ziel verfolgt wird. Gute Kommunikation motiviert den Betriebsrat, die Mitarbeiter vom Nutzen eines MES zu überzeugen. Nur eine Belegschaft, die das MES wirklich einsetzt, kann notwendiges Feedback geben, wie sich dessen Betrieb optimieren lässt und welche Module als nächstes implementiert werden sollten.
Die Einführung eines MES benötigt Knowhow und Zeit. In der Praxis müssen häufig die Mitarbeiter, die für die MES-Einführung eingeteilt wurden, dennoch ihr Tagesgeschäft erledigen. Daher muss genau geplant werden, wer wann welche Aufgaben übernehmen kann und wann sie vorbereitet werden müssen. Ohne realistischen Termin- und Aufgabenplan geht es nicht. Für die Projektleitung gilt: Wer wird MES-Botschafter – auch über die Einführungsphase hinaus? Wer verfügt neben der fachlichen Kompetenz auch über die Akzeptanz in der Belegschaft? Ohne die IT-Abteilung und IT-Experten geht es ebenfalls nicht . Diese Mitarbeiter sollten von Anfang an mit an Bord sein. Beim MES-Rollout ist ein Server bereitzustellen, Schnittstellen zum ERP-System sind zu klären und oft sind weitere Softwaresysteme anzubinden. Je früher diese Aufgaben vorbereitet werden, desto besser. Oft stellt ein MES-Anbieter zu Projektbeginn Dokumente mit Informationen zum Ressourcenbedarf zur Verfügung. In der Regel können die Anwenderunternehmen durch die notwendigen Schulungen benötigtes Knowhow ebenfalls aufbauen.
Externe Leistungen einplanen
Bei der Ressourcenallokation sollte bedacht werden, dass oft auch externe Leistungen bezogen werden, die ihrerseits Vorlauf benötigen. Wenn eine Schnittstelle zum ERP-System oder die Kommunikation mit der Anlagensteuerung erfolgen soll, müssen diese Anpassungen vielleicht externe Fachleute erledigen. Es gilt in Erfahrung zu bringen, ob vielleicht der MES-Anbieter über solches Wissen verfügt oder sogar eigene SPS-Programmierer beschäftigt.
Anforderungskatalog entwickeln
Aufgrund der menschlichen, technischen und organisatorischen Anforderungen, die im Verlauf einer MES-Einführung zu berücksichtigen sind, muss abteilungsübergreifend kooperiert werden. Nur so gelangen Unternehmen an einen gut abgestimmten Anforderungskatalog. Dieser sollte denjenigen MES-Anbietern zur Beantwortung zugestellt werden, die in die engere Wahl für den Zuschlag genommen wurden. Dieser Katalog ist meist der Grundstein für das gemeinsame Verständnis von den anfallenden Aufgaben und der beidseitigen Erwartung. Dabei sollten die Produzenten gezielt nach verfügbaren Modulen und Sonderentwicklungen fragen. Vielleicht hat der IT-Dienstleister auch nützliche Hinweise darauf, an welcher Stelle Probleme auftreten könnten und was sich am Lastenheft verbessern lässt.
Praxisnahe Workshops
Es ist zudem sehr zu empfehlen, dass sich Vertreter vom Fertigungsunternehmen und dem IT-Dienstleister zu einem Workshop treffen. Auf dieser Basis können sich beide Firmen ein besseres Verständnis über die Aufwände verschaffen und ihr Lastenheft verfeinern. Auch die Angebote der verschiedenen Anbieter lassen sich so leichter vergleichen. Die Workshop-Dokumentation ist dafür meist sehr nützlich. Spätestens jetzt gilt es, die Referenzen des Anbieters zu prüfen. Sofern ein Referenzkunde des Anbieters kein direkter Wettbewerber ist, ist es meist keine große Herausforderung, einen Besuch zu organisieren.
Zeitpuffer sind ein Muss
Unternehmen sollten bei ihren Planungen Zeitpuffer für unerwartete Ereignisse einrechnen. Interne und externe Ressourcen müssen gut aufeinander abgestimmt werden und wie Zahnräder ineinandergreifen. Verzögerungen bergen das Risiko eines Domino-Effekts und können das Projekt in Schieflage bringen. Regelmäßige Meilensteine und eine durchgehende, offene Kommunikation sollten für alle Beteiligten selbstverständlich sein. Insbesondere dann, wenn es einmal hakt. Der MES-Integrator kann beim Aufstellen dieser Pläne helfen, damit sich das Vorhaben nicht womöglich bereits zu Projektbeginn auf einer kritischen Zeitachse bewegt.
Dr. Karl-Heinz Gerdes ist Gründer und Geschäftsführer der Fastec GmbH.
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