Ethernet-basierte Netzwerke wie Profinet sollen in vielen Maschinen und Anlagen als Rückgrat für eine flexible und reibungslose Kommunikation sorgen. Die Topologie lässt sich nahezu beliebig erweitern. Verschiedene Protokolle laufen parallel innerhalb eines Netzwerks. Schon bei der Abnahme einer Profinet-Installation zeigt sich jedoch, dass hinter der neuen Technologie deutlich mehr steckt als der schlichte Wechsel von seriell auf Ethernet.
Ohne Zugentlastung wirken Zugkräfte direkt auf die Schneidklemmen. (Bild: I-V-G Göhringer)
Im Rahmen von Industrie 4.0 und der Digitalisierung sind zuverlässige Systeme und Netzwerke wichtiger den je. Straffe Prozessketten und eine schlanke Produktion ohne Zwischenlager sorgen dafür, dass ein Ausfall heute viel gravierendere Folgen hat als noch vor ein paar Jahren. Puffer, die einzelne Stillstände auffangen konnten, sucht man heute vergeblich. Spätestens hier wird deutlich, dass Netzwerke und Bussysteme als Hauptschlagader der Produktion sicher und zuverlässig laufen müssen. Das wird in der Regel mit einer ordnungsgemäßen Abnahme nachgewiesen. Bei der Abnahme solcher Systeme nach einer Neuinstallation oder Anlagenerweiterung scheiden sich allerdings die Geister. Die Einen gehen davon aus, man könne auf eine Abnahme komplett verzichten, wenn man prinzipiell nur zertifizierte Kabel, Leitungen, Steckverbinder und Geräte miteinander verbindet. Das andere Extrem sind Meinungen, dass jede Leitung aufwendig vermessen werden muss, was sehr hohe Kosten verursacht. Obwohl die PNO (Profibus Nutzerorganisation e.V.) klare Vorgaben zur Abnahme von Profinet macht, sind im Feld je nach Anwender unterschiedliche Lastenhefte mit mehr oder weniger vielen Ungereimtheiten anzutreffen. „Ein großer Unsinn ist beispielsweise, wenn laut Lastenheft bereits zertifizierte, industriell gefertigte Profinet-Leitungen noch einmal mit dem Kabelzertifizierer geprüft werden müssen“, schildert Hans-Ludwig Göhringer von IVG Göhringer. IVG Göhringer hat sich über viele Jahre Knowhow im Bereich der Instandhaltung von industriellen Netzwerk- und Feldbusinstallationen angeeignet. Das Unternehmen wird häufig als Troubleshooter zu Anlagen gerufen, die aufgrund von Netzwerkproblemen ausgefallen sind. Zudem bietet das schwäbische Unternehmen verschiedene Schulungen zur Instandhaltung von Netzwerken und Bussystemen an – so auch auf dem diesjährigen Automatisierungstreff in Böblingen.
Profibus und Profinet
Bei der Ursachenforschung bezüglich des Wildwuchses bei den Lastenheften sind verschiedene Sachverhalte feststellbar:
• Die Anwender sind gedanklich noch bei Profibus, bei dem tatsächlich viele Parameter gemessen werden konnten und mussten. Nach Erfahrung des Netzwerkinstandhalters treten bei Profinet-Installationen um den Faktor sechs weniger Fehler auf, die messtechnisch gesucht werden müssen. Das ist jedoch wesentlich aufwändiger, da bei Ethernet Nutzsignal und Störsignal ähnliche Frequenzen haben.
• Die Diagnose-Möglichkeiten der Netzwerkkomponenten sind nicht allen Anwendern bekannt. Dass beispielsweise Switches CRC-Fehler dokumentieren und den Dämpfungsverlauf, die Leitungslänge oder die Port-Last ermitteln können.
• Zudem ist in manchen Lastenheften klar zu erkennen, welcher Messgerätehersteller die Vorlage für das Lastenheft geliefert hat – offenbar um den Verkauf seiner Messgeräte zu fördern.
• Mit dem Kabelzertifizierer kann nur an stillstehenden Anlagen gemessen werden. Im Kabelschlepp oder bei Torsionsleitungen, die im laufenden Betrieb ständig in Bewegung sind, macht eine Messung im Stillstand wenig Sinn. In der täglichen Praxis sorgen oft Zeitdruck und vielleicht auch mangelnde Kenntnisse der Technologie dafür, dass angebotene Musterlastenhefte von manchen Anwendern unreflektiert übernommen werden. Das kann auch zu Compliance-Diskussionen führen, wenn durch einseitige Beratungen Lastenhefte so erstellt werden, dass die Leistungen eines bestimmten Zulieferers in Anspruch genommen werden müssen – obwohl es nach dem Stand der Technik überflüssig ist.
Standard-Netzwerkkabel in der Produktion sind bekannte Fehlerquellen. (Bild: I-V-G Göhringer)
Beim Aufbau oder bei der Erweiterung von Netzwerken gibt es viele Möglichkeiten Fehler zu machen, beispielsweise bei der Schirmauflage, der Zugentlastung oder beim Potenzialausgleich. „Auf Erdungsprobleme treffen wir recht häufig“, berichtet Hans-Ludwig Göhringer aus seiner Tätigkeit als Troubleshooter und erläutert dazu: „Für die Störsicherheit von Netzwerkinstallationen ist eine gute Erdung und ein optimaler Potenzialausgleich enorm wichtig. Andernfalls fließen Ausgleichströme über die Schirmung der Netzwerkleitung und setzen diese außer Funktion.“ EMV-Fehler haben mit über 50 Prozent den höchsten Anteil über alle Fehlerkategorien hinweg. Das neue Dokument ‚Funktionserdung und Schirmung von Profibus und Profinet‘ ist eine aktuelle Handlungsempfehlung, die von der Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO) herausgegeben wurde. Es beschreibt die notwendigen Anforderungen an Erdung und Potenzialausgleich für Profibus- und Profinet-Netzwerke. Die elektrische Steuerungs- und Antriebstechnik ist ebenso betroffen. Grundsätzlich wird der Übergang von der Sternpunkterdung zu einem vermaschten Erdungssystem empfohlen. Die Ursprünge gehen auf die strukturierte Ethernet-Verkabelung im Gebäude zurück, gilt aber auch als Wegweiser für beliebige andere Bussysteme. „Der Leitgedanke, der hinter der vermaschten Struktur steht, ist, dass sich der Strom den richtigen Weg sucht“, erläutert Göhringer und fügt hinzu: „Im Grundsatz ist der Weg richtig. Aber es gibt keine Lösungswege, die pauschal richtig sind und für jede Anlage passen. In einer Maschenerdung nach Lehrbuch kann es auch passieren, dass man den Strom an einen Punkt leitet, an dem man ihn gar nicht haben möchten“. Zudem fehlt in diesem Dokument noch der praktische Bezug. Vorgeschlagen wird deshalb ein strukturierte Vorgehensweise, in die auch die vorhandene Felderfahrung einfließt.
Tablet-gestützte Sichtprüfung
Nach der Erfahrung des Netzwerkspezialisten lassen sich die meisten dieser Fehler durch eine visuelle Inspektion bzw. Sichtkontrolle finden. Damit das vom Anwender selbst durchgeführt werden kann, wurde ein standardisiertes Abnahmekonzept für Netzwerkinstallationen und Feldbussysteme entwickelt. Als softwaregestütztes Verfahren gibt die IVG-NetApp dem Anwender einen strukturierten und fundierten Prozess vor und unterstützt damit eine systematische Vorgehensweise. Ziel war es, Anwendern einfache Checklisten und Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen er eine strukturierte Abnahme machen kann – ohne dass er ein ausgewiesener Netzwerkspezialist ist und viele tausend Euro in Messgeräte und Schulungen investieren muss. Die App ist über den Google Playstore kostenfrei erhältlich. Per Tablet und App kann das Anlagenpersonal die geführte Sichtprüfung selber durchführen und die erkannten Fehler beheben. Optional bietet IVG Göhringer als Dienstleistung eine kostenpflichtige Auswertung anhand der erfassten Daten an. Diese umfasst eine detaillierte Auswertung mit ausführlichen Hinweisen und Expertentipps zur Fehlerbeseitigung. Durch die Sichtprüfung lassen sich folgende Mängel erkennen und beseitigen:
• Schirm per Pigtail (Schweineschwanz) angeschlossen, statt flächig verbunden
• Fehlender oder unzureichend dimensionierter Potenzialausgleich
• Fehlende Trennung zwischen Strom- und Datenleitungen
• sternförmige Erdung und unsymmetrische Stromversorgung
Schirmströme messen
Schirmströme können verschiedene Ursachen haben. Die häufigsten sind ein nicht ordnungsgemäß ausgeführter Potentialausgleich oder lange unsymmetrische Motorkabel. Unabhängig von der Ursache können zu hohe Schirmströme Geräte zerstören, wenn der Strom über deren Masse abgeleitet wird – oder die Datenübertragung beeinflussen, wenn das entstehende Magnetfeld auf die Datensignale wirkt. Deshalb gehört zur Sichtprüfung mit der App auch die Messung der Schirmströme. Die App bewertet den Stromverlauf entlang einer Linie anhand von Grenzwerten und macht so die kritischen Stellen der Erdungsstruktur sichtbar.
Typische Probleme sind bekannt
Wenn über die Hälfte der Fehler EMV-Fehler sind, wird klar, dass bei der Installation des Netzwerks hinsichtlich Zugentlastung, Abschirmung, Potenzialausgleich und Auswahl des Kabeltyps sauber gearbeitet werden muss. Die Abnahme sollte entsprechend den Vorgaben der PNO erfolgen. Der Einsatz eines Kabelzertifizieres ist nur sinnvoll, wenn von MAC-Adresse zu MAC-Adresse gemessen wird – über alle Zwischenstecker, Buchsen und Verlängerungen hinweg. Viele Lastenhefte können allein dadurch verbessert werden, dass genau und eindeutig beschrieben wird, wie die Messungen erfolgen müssen.
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