Mittelstand auf dem Weg zur Industrie 4.0

Smarte Prozesse von Produktion bis Service

Klaus Multiparking in Aitrach fertigt halb- und vollautomatische Premium-Parksysteme für zum Teil mehr als 100 Fahrzeuge. Um sich am Markt zu differenzieren, will das Unternehmen nun von festgelegten Wartungsintervallen abrücken und die Instandhaltung stattdessen an der Nutzungsdauer und -intensität ausrichten. Dieser Baustein in der Industrie 4.0-Strategie des Produzenten soll die Kundenbindung erhöhen und die eigenen Serviceprozesse optimieren helfen.

Auf einer Sechs-Meter-Abkantbank werden die Seitenwangen der Parksysteme bearbeitet und von einem Roboter aufgenommen, wenn sie fertig sind.
Bild: proAlpha Business Solutions GmbH

 

Geschäftsführer von Klaus Multiparking, Michael Groneberg: „Abhängig vom Produkt und unseren Erfahrungswerten geben wir den Kunden unserer Parksysteme bislang die Wartungsintervalle vor. In Zukunft sollen die Nutzungsdauer und -intensität der Parkanlagen permanent überwacht und auf dieser Basis dem Kunden eine vorausschauende Wartung vorgeschlagen werden.“ Um das zu erreichen, haben Mitarbeiter von Klaus Multiparking zusammen mit dem Hersteller des eingesetzten ERP-Systems Proalpha einen Prototypen erarbeitet, der Predictive Maintenance-Funktionen bereitstellt. Die Grundlage für die Lösung ist die ERP-Anwendung des Fertigers, die seit 2002 alle Unternehmensbereiche digital unterstützt.

Parkanlage und ERP-System sprechen miteinander

In Kooperation mit dem Steuerungshersteller der Anlagen, dem Anbieter der Kommunikationssoftware und dem ERP-Hersteller entwickelte die IT-Abteilung des Mittelständlers diesen Prototyp. Schon nach wenigen Monate konnten die Parkanlagen fehlerfrei mit dem ERP-System ’sprechen‘. Basis dafür ist die Integration Workbench (INWB) der ERP-Lösung. Diese Integrationsplattform dient dazu, unterschiedliche Systeme miteinander zu vernetzen und Prozessketten aufzubauen. Im ersten Schritt wertet der Prototyp mit einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) die Zustandsmeldungen der Parkanlage aus – etwa Sicherheitsabschaltungen bei gefährlichen Zuständen, das Auslösen des Motorschutzschalters oder das Unterbrechen der Lichtschranke. „Die Daten aus der Anlage werden über einen Raspberry-Minirechner via Router und Internetanbindung an das Servicemodul von Proalpha übermittelt und dort kontinuierlich verarbeitet“, erläutert Nobert Blessing, IT-Leiter bei Klaus Multiparking.

Prozesse im Service weitreichend automatisiert

Bei einer kritischen Meldung, die den Einsatz eines Servicetechnikers erforderlich macht, wird im ERP-System automatisch ein Serviceauftrag angelegt und im Kalender des Wartungsdienstes eingeplant. Gleichzeitig finden die Disposition der erforderlichen Ersatzteile und das Erstellen eines Werkzeug-Bestückungsvorschlages für das Einsatzfahrzeug statt. Einer der über 100 Kundendienstmitarbeiter von Klaus Multiparking in Deutschland, der in der Nähe verfügbar ist, erhält den Auftrag über die Proalpha-Partnerlösung L-Mobile auf sein mobiles Endgerät. Diese Servicemanagement-Software ist über eine Standardschnittstelle mit dem ERP-System verbunden und tauscht mit ihm ständig Daten aus. Beim Erledigen der Wartungsaufgaben arbeitet der Techniker eine digitale Checkliste auf seinem Tablet ab. Er kann dabei weitere Daten aus der Anlage erfassen und den Austausch von Teilen festhalten. Diese Informationen gehen zusammen mit seinen Arbeitszeiten zurück an das ERP-System. Dort werden sie dann direkt in die Buchhaltung für das Erstellen der Rechnung übernommen. Außerdem lassen sich alle Service-Calls automatisch im Dokumentenmanagementmodul des ERP-Systems speichern.

Die Premium-Parkanlagen / Parksysteme von Klaus Multiparking bieten teils Raum für mehr als 100 Fahrzeuge.
Bild: proALPHA Business Solutions GmbH

Vom Serviceprozess zum Industrie 4.0-Ablauf

Dieser medienbruchfreie Serviceprozess ist nur der Anfang des Industrie 4.0-Projekts bei Klaus Multiparking. In Kombination mit weiteren gespeicherten Informationen aus dem ERP-System – beispielsweise historischen Daten über bisherige Ausfälle, lastabhängigen Zuverlässigkeitsanalysen und detaillierten Verschleißmodellen – sollen künftig exakte Rückschlüsse über die Funktionsbereitschaft und den voraussichtlichen Ausfall von bestimmten Bauteilen der Anlage abgeleitet werden. Instandhaltungsarbeiten lassen sich dann bereits einleiten, wenn noch gar keine Störung in der Anlage aufgetreten ist. Diese Predictive Maintenance-Funktion soll Ausfälle und dadurch notwendige ‚Feuerwehreinsätze‘ der Servicetechniker vermeiden. Das spart den betroffenen Autobesitzern, die im schlimmsten Fall nicht mehr an ihr Fahrzeug herankommen, Wartezeiten und Ärger. Klaus Multiparking kann sich hingegen als innovativer Hersteller mit intelligenten Serviceprozessen profilieren.

Smart Factory mit vernetzten Maschinen

Die Industrie 4.0-Strategie beim Hersteller geht über Digitalisierung von Produkt und Service hinaus. Der Anlagenhersteller aus dem Allgäu investiert zusätzlich mehrere Millionen Euro in seine Fertigung. Herzstück der Fabrik ist ein neues Lagersystem zur automatischen Beschickung der Highend-Fertigungsanlagen in der Blechverarbeitung. So sind etwa eine TruPunch-Stanz und Nibbel-Anlage sowie eine Laserschneidemaschine miteinander vernetzt. Auf einer Sechs-Meter-Abkantbank werden die bis zu fünf Meter langen Seitenwangen der Parksysteme bearbeitet. Die fertigen Teile übernimmt ein Roboter, der sie passend biegt und wieder ablegt. Alles läuft vollautomatisiert. Lediglich bei der Verknüpfung zwischen Laserschneiden und Abkantbank und Stanz- sowie Nibbel-Anlage greift ein Mitarbeiter ein. Gesteuert wird der Ablauf in der neuen Blechbearbeitung durch die Produktionsfeinplanungssoftware APS von Proalpha. Diese Advanced Planning and Scheduling-Anwendung (APS) bezieht verschiedene Ressourcen in die Produktionsplanung ein. Sie sorgt dafür, dass die Kundenaufträge im Werk mit möglichst geringen Durchlaufzeiten fertig werden. „Die Voraussetzung dafür ist eine Stelle, die sämtliche Informationen sammelt, koordiniert und steuert“, sagt Norbert Blessing. Das ERP-System sei dafür prädestiniert, denn hier würden von jeher die Daten aller wesentlichen Prozesse gebündelt.

Mehrstufiges Investitionskonzept für die Industrie 4.0

Am Ziel ist Klaus Multiparking noch nicht. Mit weiteren Zwischenlagern, die logistisch integriert werden, soll der Produktionsablauf weiter optimiert werden. Außerdem wird eine weitere Laserschneidemaschine in das Fertigungsnetzwerk eingebunden. „Dafür haben wir ein mehrstufiges Investitionskonzept eingeplant“, sagt Geschäftsführer Groneberg. Im Prinzip könnten die Maschinen nun acht Stunden am Stück völlig autonom arbeiten und das Unternehmen zwei Schichten mit vergleichbarem Personalbestand fahren. Die Kosteneffizienz der hochvernetzten Fabrik liegt um 20 bis 30 Prozent höher als früher und es wird schneller gefertigt bei gleichbleibend hoher Qualität. Das Ziel ist laut IT-Leiter Blessing eine „nahezu selbstorganisierte Produktion, bei der Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte direkt miteinander kommunizieren“. Das ERP-System Proalpha wird dabei die zentrale Datendrehscheibe bleiben.







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