Paletten automatisiert scannen

Das Tüpfelchen auf dem I-Punkt

Der Identifikationspunkt (I-Punkt) ist eine der neuralgischen Schnittstellen in jedem Lager. Dort wird entschieden, ob ein Packstück angenommen und wohin es befördert wird. Oft erfolgt dies noch manuell, was fehleranfällig und wenig wirtschaftlich ist. Denn durch variierende Anlagenauslastung bleiben Ressourcen ungenutzt. Der Schreibgerätehersteller Staedtler setzt am I-Punkt auf eine Auto-ID-Lösung von AIT Goehner. Das System soll für eine gleichmäßigere Auslastung der Förderanlage sorgen.

Bild: AIT Goehner GmbH
Bild: AIT Goehner GmbH

Die Staedtler Mars GmbH & Co. KG ist Europas größter Hersteller für holzgefasste Stifte, Folienstifte, Radierer, Feinminen, Modelliermassen und Weltmarktführer für Industrieplastilin. Fast Dreiviertel aller Produkte werden in Deutschland gefertigt. Das 1835 gegründete Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 2.800 Mitarbeiter und ist mit seinen Produktionsstätten und Vertriebsniederlassungen in 150 Ländern vertreten. Die europäische Distributionslogistik ist seit 2007 im neu geschaffenen Eurologistikzentrum in Nürnberg zentral organisiert. Realisiert und geplant wurde das Zentrum vom Parksteiner Unternehmen Witron. Im Lager kommen pro Tag rund 300 Paletten an. Am einem zentralen I-Punkt werden diese erfasst. Anschließend werden die Paletten über die angebundene Fördertechnik in das Hochregallager – mit über 11.000 Stellplätzen – automatisiert eingelagert. Bisher übernahm ein Mitarbeiter die manuelle Identifikation der Paletten am I-Punkt per Handscanner. Im Lagerverwaltungssystem (LVS) wurde daraufhin der Einlagerungsprozess, der zuvor vom ERP-System übermittelt wurde, durchgeführt. Außerdem wurden noch weitere logistische Eigenschaften des Ladungsträgers, wie Palettentyp, Menge oder Verpackungseinheit der Ware am I-Punkt erfasst und an das LVS-System von Witron übermittelt. Da der I-Punkt aber nicht immer kontinuierlich mit Paletten versorgt wird, entschloss man sich bei Staedtler, eine automatisierte Lösung zu implementieren.

Omnidirektionales Lesen

Die neue Auto-ID-Anlage am I-Punkt sollte ein omnidirektionales Lesen der Barcodes ermöglichen, da etikettierte Kartons teilweise gekippt palettiert werden. Dabei sollte die Antwortzeit des Systems 2,5 Sekunden pro Palettenseite nicht überschreiten. Ebenso sollten manuelle Eingriffe auf ein Minimum beschränkt werden und nur im Falle von ‚Nicht in Ordnung‘ (NiO) erfolgen. Da die eingehenden Paletten meist mit Folie umwickelt sind und die Barcodes darunter liegen, die Packstücke über die Palette hinausragen oder eingerückt sein können, sollte das optische Prüfsystem eine Tiefenschärfe von mindestens 600mm aufweisen. „Für eine reibungslose Identifikation, Weiterleitung und Einlagerung von Paletten sollte die Lösung zuverlässig erkennen, um welche Ladungsträgerkombinationen es sich handelt. Es muss eindeutig erkannt werden, ob eine einfache Euro-Basispalette oder eine CP5-Palette als Huckepackpalette ankommt“, erläutert Thomas Dietze, Abteilungsleiter Lagerlogistik, Produktionsversorgung und Warenannahme bei Staedtler. Im Auswahlverfahren überzeugte die Lösung von AIT Goehner. Vor allem die Beratung im Vorfeld, die weitreichende Begleitung der Machbarkeitsstudie sowie das passende Preis-Leistungs-Verhältnis gab für Staedtler den Ausschlag.

Drehbar in 90°-Schritten

Zur Implementierung der Lösung wurde zunächst der Materialfluss der vorhandenen Logistik-Förderanlage gemeinsam mit Witron verbessert und ein neuer Drehtisch eingebunden, der sich mit aufgefahrener Palette 270° im Uhrzeigersinn in eine Richtung drehen kann, um anschließend leer wieder rückwärts in die Ausgangsposition zu gelangen. In 90°-Schritten kann der Drehtisch anhalten, damit die Kameras die Barcodes erfassen können . Das AIT-Modul besteht aus einem Rahmengestell mit acht 10MP-GigE-Kameras von Cognex sowie vier Beleuchtungseinheiten. Die Reflektionen durch die Folien wurden mit Hilfe von Polarisationsfiltern auf Beleuchtung und Kameraobjektiven reduziert. Steht eine Palette am I-Punkt bereit, erhält das AIT-Modul vom Lagerverwaltungssystem die Information, dass der Scanvorgang beginnen kann: In einem ersten Scanvorgang wird der Palettentyp erfasst. Ein zweiter Scanvorgang scannt omnidirektional alle verfügbaren Informationen auf der gesamten Palettenfläche von 1.200mmx1.750mm bzw. 800mmx1.750mm. Im Anschluss werden die Daten über eine GigE-Verbindung an einen Industrie-PC übermittelt, der die erfassten Kamerabilder mit der Bildverarbeitungs-Software verarbeitet. Ist der Scanvorgang beendet, meldet das AIT-Modul dies an das Lagerverwaltungssystem zurück, das entscheidet, ob alle Informationen vorliegen. Fehlen noch Informationen, wird die Palette um 90° gedreht und es erfolgt ein weiterer Scan. Liegen alle Daten vor, befördert die Anlage die Palette an den ihr zugewiesenen Ort und der Vorgang wird für den nächsten bereitstehenden Ladungsträger erneut in Gang gesetzt.

Sind alle durch den Scanvorgang erfassten Daten korrekt, wird die Palette an ihren entsprechenden Bestimmungsort befördert. (Bild: AIT Goehner GmbH)
Sind alle durch den Scanvorgang erfassten Daten korrekt, wird die Palette an ihren entsprechenden Bestimmungsort befördert. (Bild: AIT Goehner GmbH)

Falschlieferungen minimiert

„Wir erleben ein stark saisonales Auftragsaufkommen: Im Vorfeld des neuen Schuljahres ist unsere Lagerauslastung am höchsten. Mit Einführung der neuen Auto-ID-Anlage und deren Integration in die Witron-Technologie konnten wir bereits eine Glättung unserer Abläufe verzeichnen. Beide Systeme arbeiten sehr gut zusammen“, schildert Thomas Dietze. Zudem gelang es, die Qualität der Einlagerungen seit Inbetriebnahme des Systems zu verbessern. So funktioniere besonders das Erkennen von Artikeln, die nicht auf die Palette gehörten, zuverlässiger und genauer. Dadurch wurden u.a. Kundenreklamationen aufgrund von Falschlieferungen minimiert.

Akteptanz der Mitarbeiter

Ein besonderes Anliegen ist dem Unternehmen die Akzeptanz der Mitarbeiter bei der Einführung von automatisierten Lösungen: „Sie sollen nicht das Gefühl bekommen, Fehler der Maschinen ausbügeln zu müssen. Damit ist uns ein guter Einstieg in die kamerabasierte Identifikation gelungen“, so Thomas Dietze weiter. Wichtig sei, dass kein Mitarbeiter durch eine Maschine vollständig ersetzt werde. Man achte stark darauf, die Kollegen an anderen Stellen einzusetzen und eine gute Mensch-Maschine-Kooperation herzustellen.

System ausweiten

„Die Herausforderungen bei Staedtler lagen vor allem in der Folieneinwicklung und Anordnung eingehender Packstücke, in der omnidirektionalen Ausrichtung beim Scanvorgang sowie in der Palettenerkennung ohne zusätzliche Sensorik“, erläutert Klaus Eble, Regionalleiter Systemberatung und Vertrieb bei AIT Goehner. Die geforderte Tiefenschärfe von 600mm habe man sogar noch maximieren können. Dietze wirft zudem einen Blick in die Zukunft: „Neben dem Auslesen von EAN-Codes wird die Anlage in Kürze auch Data Matrix-Codes erfassen können. Zudem denken wir bereits an die Einführung einer 3D-Erkennung von Packstücken. Es ist auch möglich, dass wir die Auto-ID-Anlage noch an anderen Punkten im Lager nachrüsten werden.“

 





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