MES-Projekte in regulierten Industrien

Fabriksoftware agil entwickeln und validieren

Das beste MES nutzt kaum, wenn Anwender es nicht zu bedienen wissen. Diese Erfahrung machten Unternehmen in der CIM-Ära häufig mit ihren ersten Versuchen einer digitalgestützten Produktion. Human Centered Design stellt bei MES-Projekten die funktionalen Bedürfnisse der Werker in den Mittelpunkt. (Bild: Carl Zeiss MES Solutions GmbH)
Das beste MES nutzt kaum, wenn Anwender es nicht zu bedienen wissen. Diese Erfahrung machten Unternehmen in der CIM-Ära häufig mit ihren ersten Versuchen einer digitalgestützten Produktion. Human Centered Design stellt bei MES-Projekten die funktionalen Bedürfnisse der Werker in den Mittelpunkt. (Bild: Carl Zeiss MES Solutions GmbH)

Kreativität und Stringenz

Der Wunsch nach Anwenderfreundlichkeit und der damit einhergehenden Softwareflexibilität kann Segen und Fluch zugleich sein: Im Rahmen agiler Teilprojekte, wie dem Oberflächendesign des MES, sind viele Fachabteilungen der Meinung, dass nur eine 150 Prozent-Lösung akzeptabel ist. Dieser Wunschvorstellung nähert sich das Projektteam in Iterationen an, sogenannten Loops. Ein solches Vorgehen ist meist weder im Hinblick auf die Validierungsnotwendigkeiten noch in puncto Projektkosten zielführend. Das Projektmanagement sollte stattdessen mit wenigen agilen Loops den größten gemeinsamen Nenner an Begehrlichkeiten auf Basis wirtschaftlicher Bewertungen mit den Fachbereichen abstimmen und umsetzen lassen. Gestaltung und normkonforme Stringenz müssen sich die Waage halten, um das Projekt in-time und in-budget zu realisieren.

Schwierige Testläufe

Eine weitere Krux agiler Projektmethoden zeigt sich in der Ausführlichkeit und Qualität aller notwendigen Testläufe. Diese sind nicht nur durch die Validierungsvorschriften vorgegeben, sondern auch unternehmerisch unverzichtbar, wenn man die Verkettung und Abhängigkeiten der Prozesse im Shopfloor berücksichtigt. Im Extremfall könnte die veränderte Maske eines Buttons alle Abläufe der Produktion beeinflussen. Auch der Faktor Zeit ist wichtig. Projektleitung und Fachbereiche müssen die Testläufe in enger Abstimmung planen und umsetzen, damit das Projekt im Zeitkorridor bleibt. Eine Faustregel: Wo eine Anpassung, da ein Test. Und wo ein Test, da auch ein Korrektur-Loop.

Innovation in regulierten Märkten

Zu den wichtigsten Bestandteilen einer funktionierenden Innovationskultur gehören Neugier, Ausdauer und das Experiment. Kein innovativer Durchbruch kommt ohne experimentelle Prozesse aus. Hier liegt im Sinne der Validierungspflicht qualitätsrelevanter Abläufe die zweite Hürde. Wie können beispielsweise nach dem go-live neue Wirkbereiche eines MES erforscht werden, wenn jede Funktion, jede Änderung, auf erwartetes Verhalten hin geprüft und dokumentiert werden müssen? Erforschen und zuverlässiges Erwarten sind Schuhe, die nicht zueinander passen. In gewissen Bereichen lässt sich dieses Dilemma umgehen. Die Kombination aus den Systemfähigkeiten (Design-Tool und Protokollierung aller Änderungen am MES) und einer Projektorganisation, die in gewissen Phasen Agilität zulässt, kann beide Anforderungen in Einklang bringen. Dabei wird agil gearbeitet, wenn sich die Mitarbeiter durch Loops der fertigen Lösung annähern, die den Validierungsprozess vor dem go-live durchlaufen muss. Um hier das Budget und die Zeitplanung nicht aus dem Auge zu verlieren, sollte die Zahl der agilen Loops begrenzt werden.

Optimieren oft agil möglich

Gekapselte Projekte mit begrenzter Komplexität, etwa die Optimierung einer Anlage oder die Adaption von Dialogmasken an Arbeitsprozesse im Shopfloor, eignen sich für agile Vorgehensweisen besser als komplexe integrative Prozesse über mehrere Ebenen oder Abteilungen. Im Falle eines MES wäre ein Beispiel für komplexe Prozesse die Produktionslogistik im Zusammenspiel mit dem ERP-System und fahrerlosen Transportsystemen.