Mit einem kostenfreien Leisten-Konfigurator und einem 3D-Druck-Service verkürzt Protiq die Vorlaufzeit für die Maßanfertigung orthopädischer Schuhe auf wenige Tage. Dieser Anwendungsfall ließe sich leicht auf andere industrielle und handwerkliche Bereiche übertragen.
Der 3D-Druck kommt schon seit längerer Zeit in der Orthopädieschuhtechnik zum Einsatz. Angefangen bei additiv hergestellten Einlagen und Orthesen ist die Technik mittlerweile in der Leistenproduktion angekommen. Damit sind zwei Herausforderungen verbunden: erstens, die Wahl eines geeigneten Materials, das den großen Beanspruchungen in der Werkstatt standhalten muss. Zweitens, die Erstellung eines 3D-Modells, wofür bislang CAD-Software und -Kenntnisse oder eine externe Konstruktion erforderlich waren. Dieser Aufgabenstellung hat sich der Blomberger 3D-Druck-Dienstleister Protiq in Zusammenarbeit mit dem Orthopädieschuhtechniker Stefan Brockmann gestellt. Entstanden ist eine Lösung, bei der die Leisten in einem kostenfreien Konfigurator modelliert und anschließend durch Selektives Lasersintern (SLS) aus individualisiertem Thermoplastischen Polyurethan (TPU) gefertigt werden. Vom Maßnehmen beim Kunden bis zum Erhalt des 3D-gedruckten Leistens vergehen mit diesem Verfahren maximal drei Tagen.
Branchenspezifische Anforderungen
Protiq fungiert innerhalb der Phoenix Contact-Gruppe als Kompetenzzentrum für die additive Fertigung. „Bei jedem einzelnen Bauteil hat für uns oberste Priorität, dass es exakt den Anforderungen der anwendenden Branche entspricht“, erklärt Protiq-Geschäftsführer Dr. Ralf Gärtner. „Dafür setzen wir auf einen partnerschaftlichen Austausch mit Vertretern aus der Praxis. Als Beispiel sei Stefan Brockmann genannt, der uns auf einen völlig neuen Anwendungsbereich gebracht hat.“ Stefan Brockmann führt das Orthopädie- und Schuhfachgeschäft seiner Familie in Steinheim bereits in der fünften Generation. „Die Leistenfertigung war bisher der zeitaufwendigste Teil meiner Arbeit. Daher habe ich in diesem Bereich schon vieles ausprobiert – von Software über extern hergestellte Leisten bis zum eigenen 3D-Drucker“, so Brockmann. „Irgendwann bin ich dann mit den Mitarbeitern von Protiq ins Gespräch gekommen und habe meine Anforderungen an den perfekten Leisten geschildert. Die prompte Antwort: kein Problem. Bei den meisten seiner Industriekunden hätte der 3D-Druck-Spezialist es mit ganz anderen Toleranzen zu tun.“
Die Wahl des Materials
Das Protiq-Team hat ein Angebot für die additive Fertigung der Schuhleisten erarbeitet. Als ideales Material erwies sich in diesem Fall der synthetische Kunststoff TPU, denn die elastischen Eigenschaften von Gummi lassen sich mit zugleich hoher Festigkeit gegen mechanische Belastungen kombinieren. In Zusammenarbeit mit dem Materialhersteller BASF hat Protiq die Prozessparamater des TPU auf die Anforderungen der Orthopädieschuhtechnik abgestimmt. Die Bedürfnisse von Stefan Brockmann sind in diese Vorgehensweise eingeflossen. „Als ich den ersten aus TPU produzierten Leisten mit in meine Werkstatt genommen und dort bearbeitet habe, hat mich überrascht, dass die Eigenschaften eher mit denen von Holz als von Schaum zu vergleichen sind“, so Brockmann. „Die Leisten zeichnen sich durch sehr gute mechanische Eigenschaften aus und können nahezu ohne Verschleiß geschliffen, geklebt, getackert, gebohrt und gepresst werden. Alle Arbeitsschritte fühlen sich wie bei meinen gewohnten Holzleisten an, lediglich der Schleifstaub ist jetzt eben weiß.“ Als weitere Handhabungsvorteile führt Brockmann die Oberfläche der Leisten, ihre Biegsamkeit bei der Entnahme aus dem fertigen Schuh sowie das reduzierte Gewicht gegenüber Holzmodellen an.
Der Leisten kann sowohl massiv als auch innen hohl mit Gitterstruktur hergestellt werden. Die Wanddicke ist ebenfalls variabel, wobei sich im bisherigen Praxistest 1cm als optimal für die weitere Bearbeitung herausgestellt hat. Zusätzliche Optimierungsoptionen bestehen bei der Teilung der Leisten, die in der 3D-Druck-Anlage direkt mitgefertigt wird. Gängige Trennungen wie etwa zweiteilig, dreiteilig, treppen- oder stufenförmig sind umsetzbar. Zum Verschrauben der Teile sollte im Inneren des Leistens ein Gewinde vorgesehen werden. Bei Bedarf lassen sich zudem individuelle Kennzeichnungen zu seiner Identifizierung einbringen. Diese Variantenvielfalt wird auch durch das von Protiq eingesetzte Verfahren des Selektiven Lasersinterns (SLS) ermöglicht. Dabei wird das TPU durch einen Laser schichtweise verschmolzen, wodurch sich eine höhere Präzision und Robustheit erzielen lassen als etwa mittels des Fused Deposition Modeling (FDM).
Auftrag per Konfigurator
Konnten bislang die 3D-Modelle der Leisten an Protiq gesendet werden, steht den Schuhtechnikern nun ein Konfigurator auf dem Protiq-Webportal zur Verfügung. Für dessen Nutzung sind keine Software-Lizenzen oder Konstruktionskenntnisse notwendig. Zunächst erstellen die Techniker einen 2D-Scan des Fußes und nehmen die Maße an Spann, Ferse und Ballen. Diese Daten fließen in den Konfigurator ein, wo sich Knöchel- und Beinmaße, Leistenkontur, Spitzen- und Fersensprengung, Aufmaße, Ballenachse, Pelotte und Querschnitte durch manuelles Verschieben von Markierungen auf dem eingeblendeten Brandsohlenumriss bearbeiten lassen. Ausgehend von dieser Basis erscheint ein 3D-Vorschaubild des Leistens, das der Schuhtechniker von allen Seiten beurteilen kann. Ist alles korrekt, generiert er das 3D-Modell und der Fertigungsprozess wird in Auftrag gegeben. Kosten und Zeitaufwand sind vor der Bestätigung des Bestellvorgangs im Konfigurator sichtbar. Der digitale Leisten wird bei Protiq gespeichert, wodurch spätere Nachbestellungen oder Nachbearbeitungen möglich sind.
Automatischer Druck
Der Druck-Prozess läuft automatisch ab – angefangen bei der Ausgabe des Versandetiketts direkt nach Abschluss der Bestellung. Die Maschinenbeschickung erfolgt mittels des sogenannten ‚Nestings‘, sodass das Bauvolumen der 3D-Druck-Anlage optimal ausgenutzt wird. In einem Druckvorgang können so bis zu 30 Leisten im SLS-Verfahren aufgebaut werden. Dies spart Zeit und der Stückpreis entspricht dem eines gefrästen Leisten. Die Zeitersparnis zahlt sich dann aus, wenn etwa die Berufsgenossenschaft eine termingerechte Versorgung fordert. Anhand des 3D-gedruckten Leistens können Probeschuhe durch ein Vakuum-Tiefziehgerät erstellt werden. Dies erweist sich als schneller und günstiger als deren Druck auf CAD-Basis.
Der Konfigurator deckt zunächst die klassischen Anwendungsfälle mit einem bedingten Maß an Deformation ab. „Sonderfälle werden später als Zusatzfunktion im Tool enthalten sein. Das haben wir bereits mitgedacht und vorbereitet – genauso wie die Datenerfassung per 3D-Scan“, so Protiq-Entwicklungsleiter Dr. Johannes Lohn. „Sobald die 3D-Scan-Technologie zugänglicher ist, beispielsweise über Smartphone-Apps, werden die Schuhtechniker ihre Leisten im Verhältnis zum 3D-Scan ausformen können, der als Bild im Hintergrund liegt. So lassen sich dann ebenfalls ausgeprägte Deformationen problemlos abbilden.“ Dieses Beispiel aus der Orthopädieschuhtechnik kann auch auf andere industrielle und handwerkliche Bereiche übertragen werden.
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