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MES-Benutzerführung in der Prozessindustrie

Bedienkonzepte für mobile Produktions-IT

Da auch die Prozessindustrie den Fachkräftemangel spürt, planen viele Produzenten ihre Anlagen mit höherem Automatisierungsgrad und weniger Personal zu fahren. Ihr MES kann dabei helfen, wenn die Bedienkonzepte mit den steigenden Anforderungen mitwachsen. Gerade Mobilgeräte bergen großes Potenzial.

Bild: ©dusanpetkovic1/stock.adobe.com

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Tablet-PCs haben längst den Weg in die Industrie gefunden. Richtig aufgesetzt, sparen diese intuitiv bedienbaren Mobilgeräte einigen Schulungs- und Einarbeitungsaufwand bei den Operatoren. Gerade in regulierten Industrien wie der Pharmazeutik sowie im Nahrungs- und Genussmittel-Sektor macht sich das schnell bezahlt. Ein weiterer Effekt betrifft den Installationsaufwand, da mobile Endgeräte keine feste Installation in der Produktionsanlage erfordern, etwa im Hinblick auf die Strom- und Netzwerkversorgung. Grundsätzlich können mobile Bedienkonzepte also MES-Projekte beschleunigen.

Voraussetzungen für mobile Endgeräte

Um mobile Geräte für MES-Aufgaben zu nutzen, müssen jedoch Softwarearchitektur und Infrastruktur passen. Zum einen müssen in den Produktionsbereichen entsprechende Ablagemöglichkeiten oder Halterungen geschaffen werden, um den Operatoren freihändige Arbeit zu ermöglichen. Auch die Aufbewahrung und das Laden der Geräte muss organisiert werden. Die Messwarte bietet sich dafür beispielsweise an. Eine weitere Voraussetzung ist die WLAN-Abdeckung in den Produktionsbereichen, die dann auch anderen Applikationen zur Verfügung steht. In der Softwarearchitektur spielen Web-Applikationen auf HTML5-Basis eine wichtige Rolle, um Tablet-kompatible ME-Systeme einzurichten, die bespielsweise Responsive Design unterstützen. Zudem könnte eine produktionsnah realisierte Zero-Client-Technologie eine tragfähige Lösung darstellen, bei der die Mobilgeräte wirklich nur als HMI dienen. Einige Hersteller sind schon erste Schritte in diese Richtung gegangen, aber ein vollständig webfähiges MES gibt es noch nicht.

Grenzen workflow-basierter Bedienung

Eine weitere Komponente moderner MES-Bedienkonzepte ist die Benutzerführung. Die elektronische Chargendokumentation in der Prozessindustrie wird häufig über eine workflow-basierte Abarbeitung umgesetzt. Hierbei wird der Operator schrittweise durch den Prozess geführt, wobei die Funktionsbausteine sequenziell, parallel oder in Schleifen abgearbeitet werden. Folgeschritte können erst bearbeitet werden, wenn der vorangehende Schritt bestätigt wurde. Diese Methode bietet den Vorteil, den Prozess im Design klar definieren zu können und dessen Einhaltung abzusichern. Insbesondere für gradlinige und sequenzielle Produktionsprozesse bietet sich dieser Ansatz an. Die strikte Führung bietet also einige Vorteile, kostet jedoch Flexibilität im Prozess. Fordert die Herstellung eine flexible Abarbeitung, so muss diese im Design berücksichtigt werden. Die Folge sind komplexe Herstellanweisungen (Master Batch Record, kurz MBR), die aufwendig im Review sind und in einer umständlichen Bedienerführung auf dem Shopfloor resultieren. In workflow-basierten MES findet die Abarbeitung dabei nur im Auftrag statt, den der Operator gerade auswählt. Sind jedoch mehrere Chargen parallel zu betreuen, muss der aktuelle Auftrag verlassen und der nächste Auftrag geöffnet werden. Besonders das parallele Bearbeiten und Dokumentieren mehrerer Chargen ist somit aufwendig und begünstigt mitunter die Entstehung von Fehlern.

Aufgabenfokussierte Dashboards

Lassen sich MES-geführt mehrere Aufträge parallel bearbeiten, könnte demnach die Produktivität und die Rentabilität eines Unternehmens spürbar steigen. Dafür sind oft alternative Bedienkonzepte nötig, in denen nicht der Prozessablauf alleine im Fokus steht, sondern die Aufgaben des Operators. So könnte ein Dashboard dem Nutzer alle auf seine Rolle zugeschnittenen Aufgaben übersichtlich und mobil darstellen. Diese reichen von produktionsrelevanten Aktivitäten bis hin zu Reviews und Qualitätsfreigaben, umfassen aber auch Reinigungs- und Wartungsaktivitäten. Besonders in diesen Bereichen ist häufig weniger qualifiziertes Personal im Einsatz, dem man so einzelne Aufgaben im MES zuweisen kann, ohne dass diese Mitarbeiter extra im System navigieren müssen. Diese Form der Bedienung senkt die Einstiegshürden beim Onboarding und verkürzt den Zeitraum, bis Operatoren selbstständig arbeiten können. Für die Produktion selbst könnten so auch flexible Arbeitsabläufe über mehrere Chargen hinweg besser abgebildet und bearbeitet werden, da sich die Abarbeitung nicht mehr im starren Gerüst eines Workflows befindet. Gerade für die Produktion in Kampagnen ergeben sich so neue Möglichkeiten der Bedienerführung.

Systemwechsel leicht gemacht

Um in Produktionsanlagen mit geringem Personaleinsatz eingesetzt werden zu können und um eine Überwachung mehrerer Chargen zu ermöglichen, müssen sich MES außerdem in ein übergreifendes Bedienkonzept einfügen. Operatoren werden ­zunehmend mehrere Systeme parallel bedienen müssen. Dazu gehören neben dem MES beispielsweise Leit-, Batch- und Historian-Systeme. Um dabei anfallende Systemwechsel zu beschleunigen, helfen Login-Systeme wie softwareübergreifendes Single-Sign-On (SSO). Dafür müssen sich MES für Wearables, SmartCards und biometrische Login-Methoden öffnen. Diese lassen sich dann auch für den Login an anderen Systemen in der Softwarelandschaft einer Organisation nutzen. Zudem können darüber elektronische Signaturen geleistet werden. Für solche systemübergreifenden Anmelde-Workflows ist ein gut ausgearbeitetes Berechtigungskonzept nötig, damit nur autorisierte Benutzer auf die relevanten Funktionen zugreifen.

Etablierte Ansätze flexibilisieren

Wenn der Digitalisierungsgrad und der Fachkräftemangel in der Prozessindustrie steigen, müssen sich MES und ihre ­Bedienkonzepte weiterentwickeln. Fest installierte Bedienterminals verlieren an Bedeutung. Dabei erlauben mobile Endgeräte auch neue Bedienkonzepte in der Auftragsbearbeitung, die deutlich flexibler als herkömmliche Ansätze sind. Die aufgabenbasierte Abarbeitung wird den starren Workflow heutiger Herstellanweisungen in Zukunft voraussichtlich nicht vollständig ersetzen, aber ergänzen. Die flexible Produktionsbegleitung parallellaufender Aufträge und Chargen kann hiermit deutlich besser umgesetzt werden, als es heutige MES bieten. Darüber hinaus muss das parallele Arbeiten in mehreren Systemen optimiert werden, um Bedienkonzepte über die gesamte Systemlandschaft zu ermöglichen. Moderne Alternativen der Nutzeridentifikation bieten hier neue Möglichkeiten, um die Effizienz in der Produktion zu steigern.


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