Autonome Planung und Advanced Analytics

Wie künstliche Intelligenz MES-Software ergänzt

Manufacturing Execution Systems bilden im Sinn eines Daten-Siebes den Ist-Zustand der Produktion ab. Diese Daten können Unternehmen mit künstlicher Intelligenz qualifizieren, um in historischen und Echtzeit-Daten Muster und Wirkzusammenhänge in Produktion und Maschine zu erkennen. Planungsprognosen entstehen, mit denen sich Reaktionszeiten verkürzen und die Effizienz erhöhen lassen.

 (Bild: ©dTosh/stock.adobe.com)
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MES-Lösungen für die Industrie sind spezialisierte, leistungsstarke Datensammler und dort im Einsatz, wo Produktionen digital analysiert, kontrolliert und gesteuert werden. Anlagen, Maschinen und sonstige produktionsnahe Systeme werden kontinuierlich und in Echtzeit überwacht, Betriebsdaten, Maschinen- und Prozessdaten sowie Informationen aus dem Materialfluss und dem Auftragsmanagement erfasst. Alle Informationen fließen in ein digitales Fertigungsmanagement ein. Diese Produktionsleitsysteme können ein hohes Maß an Transparenz und Flexibilität erzeugen. Sie tragen zur nachhaltigen Optimierung der fertigungsnahen Prozesse bei, weshalb sie in allen Branchen und Unternehmensgrößen in Fertigung und Logistik eingesetzt werden.

Steigender Druck am Markt

Der steigende Wettbewerbsdruck, die Notwendigkeit von Standardisierung bzw. Automatisierung für mehr Effizienz und Produktivität sowie ein nachhaltiger Ressourceneinsatz sorgen für ein Umdenken. Wollen sich Betriebe für die Zukunft aufstellen, müssen sie Daten erfassen und sinnvoll auswerten. So erhalten sie einen Überblick über die Produktion, eine präzise Vor- und Nachkalkulation sowie Einblicke in die Leistung von Mensch und Maschine. Doch gerade im Mittelstand wird oft auf Basis von Erfahrungswerten produziert. Insellösungen setzen der Analytik ebenfalls Grenzen, da Daten oft nicht standardisiert und übergreifend ausgewertet werden können. Hier können Anwendungen unterstützen, die über Schnittstellen große Datenmengen verarbeiten können.

Keine Frage des Budgets

Mit einem MES lassen sich Daten systematisieren, auch bei einem kleinerem Budget. Oft ist die Sorge vor hohen Kosten, fehlendem IT-Wissen sowie dem Einsatz großer Kapazitäten unbegründet. Denn der Aufwand der Implementierung wird zuweilen höher eingeschätzt als er ist. Die Einführung einer digitalen Produktionssteuerung muss nicht jahrelang dauern. Um diese digitalen Lösungen einzusetzen, sollten vielmehr Unternehmensführung und Fertigungsmanagement zeitgemäß eingestellt sein.

Der digitale Zwilling

Sollen Daten aus der Fertigung strukturiert und kontinuierlich erfasst werden, sind Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit wichtig. Der Transfer sollte störungs- und verlustfrei stattfinden, um eine verlässliche Datenbasis aufzubauen. Verarbeitungs- und Zugriffszeiten erfolgen heute häufig in Echtzeit, um ein flexibles Planen und Steuern zu ermöglichen. Die eingesetzten IT-Lösungen müssen bedarfsgerecht konfiguriert sein. Außerdem sollte die Software dafür sorgen, dass ein virtuelles Abbild der Produktion entsteht. An diesem digitalen Zwilling werden optimierbare Prozesse und alternative Produktionsplanungen sichtbar. Unternehmen erkennen Engpässe und Abweichungen, wo der Materialfluss stockt, oder ob sich Kapazitäten verschieben, weil etwa Lieferschwierigkeiten zu Anpassungen bei den Auftragsreihenfolgen führen. Damit müssen sich Produzenten aktuell häufiger befassen.

Strapazierte Lieferketten

Die Corona-Krise mit ihren Auswirkungen auf die weltweiten Lieferketten, der Schiffsunfall im Suezkanal sowie der aktuelle Ukraine-Krieg zeigen, wie fragil das Gleichgewicht in der globalen Vernetzung ist. Digitale Abbilder helfen Firmen, auf dynamische Entwicklungen zu reagieren, indem etwa Maschinen rechtzeitig umgerüstet und ausgewählte Teilprodukte so vorproduziert werden, dass sie zu den Lieferungen passen. Firmen kennen ihre Lagerbestände und die ihrer Zulieferer. So wissen Unternehmen, was sie wie lange produzieren können und welche Rohstoffe notwendig sind. Aufträge können priorisiert und die Auslastung angepasst werden.

Daten zum Energieverbrauch

Auch Energiedatenmanagement lässt sich mit einer digitalen Produktionssteuerung implementieren: Sie deckt Energieerzeuger und -verbraucher in der Produktion auf, um möglichst energieeffiziente Planungen. So lassen sich Fertigungsschritte passend zur Verfügbarkeit großer Energiemengen takten, etwa wenn Energie zur Verfügung steht, schafft sich der Betrieb eine weitere Maschine an. Bei diesen neu erworbenen Maschinen lassen sich Daten übernehmen, viele Programmierungen werden unnötig.

Von Big Data zu Smart Data

Die digitale Transformation ermöglicht viele effektive Neuerungen im Produktionsmanagement. Besonders vielversprechend ist es, künstliche Intelligenz auf MES-Komponenten aufzusetzen. Die Eintrittsschwelle sinkt, denn die erforderliche IT-Infrastruktur wird leistungsfähiger und günstiger: Hohe Rechnerleistungen, große Datenbankkapazitäten und die digitale Transformation der Industrie bilden die Grundlage, um mit KI-Werkzeugen weitere Produktivitätssteigerungen zu erreichen. Denn viele Regelungsschleifen und Steuerungsmechanismen sind durch die Manufacturing Execution Systems schon vorhanden, die Datenbasis zum Anlernen etwa von Machine-Learning-Algorithmen steht also bereit. Durch solche Analysen können Daten über ihren konkreten Zweck hinaus in ein Lernsystem integriert werden: Mit Machine Learning lassen sich Prognosen aus großen Datenmengen ableiten, die vorausschauende Planung und Produktionssteuerung ermöglichen.

KI in der Instandhaltung

In der Praxis hat sich die Instandhaltung als beliebter Ansatz für die KI-Integration erwiesen. Oft wird turnusgemäß gewartet und Verschleißteile werden nach Herstellerangaben, gesetzlichen Vorgaben oder Erfahrungswerten ausgetauscht. Planungsmängel bei Instandhaltungen und Reparaturen senken die Verfügbarkeit von Maschinen und bremsen die Produktion. Reisen externe Instandhalter an, wird es mitunter kompliziert: Deren Arbeitszeit, das Material und dessen Beschaffung müssen einkalkuliert werden. Das Produktionsplanungssystem ermittelt hier zwar passende Zeiten, wenn die Maschine für die Maßnahme geblockt wird und erlaubt es, die Produktion anzupassen. Mit künstlicher Intelligenz hingegen lassen sich Arbeiten vorbeugend ausführen, was Ausfälle verhindern kann. Dazu werden Maschinen-, Energie- und Prozessdaten zusammenhängend analysiert, woraufhin das System Abweichungen von Normalwerten erfasst, die zu Störungen führen können.

KI lernt aus Fehlern

Hinzu kommt, dass die Komplexität von Maschinen und Fertigungsprozessen die Ursachenforschung bei Störungen erschwert. Eine KI-basierte Instandhaltung kann aus den kontinuierlich gesammelten Daten lernen, Normwerte und Wirkzusammenhänge erkennen. So kann frühzeitig auf eine potenziell auftretende Störung hingewiesen oder sogar automatisch regulierend eingegriffen werden: Das System veranlasst eine Instandhaltungsmaßnahme und rechnet diese in die Produktionsplanung ein. Falls nötig, kann die Fertigung umgestellt werden, um größere Produktionsverzögerungen oder -ausfälle zu vermeiden. Das KI-System qualifiziert sich autonom, problematische Verschleißteile zu erkennen. Die Wartungsarbeit wird an die Produktions- und Feinplanung gemeldet und dort in der Fertigungsplanung berücksichtigt – Aufträge können bei Bedarf umgeplant, Fachpersonal anderweitig eingesetzt und Materialtransporte neu terminiert werden. Das Tool weiß auch, wer für die Reparatur oder Wartung qualifiziert ist und kann die Aufgabe in die Personaleinsatzplanung einfließen lassen. So lassen sich Maschinenausfälle vermeiden und Ressourcen in Echtzeit und zukunftsbezogen auf den Bedarf anpassen. Ist die künstliche Intelligenz einmal im Einsatz und wächst die Datenbasis weiter, kann das Gesamtsystem zunehmend konkreter werden und aussagekräftige Analysen und Prognosen erstellen.

Personaleinsatzplanung

Ein weiterer Use Case für KI ist die Personaleinsatzplanung. In diesem Handlungsfeld lassen sich Erkenntnisse, Erfahrungen und Ereignisse im Produktionsalltag automatisch in die Personalbedarfs- und -einsatzplanung überführen. Während ein Tool zur Einsatz- und Schichtplanung bereits optimierte Pläne erstellt, hilft eine KI im System dabei, Planänderungen im Produktionsgeschehen in hoher Qualität und zügig mit der Personaleinsatzplanung zu harmonisieren. Schichten und Aufgaben werden umgeplant, Mitarbeitende benachrichtigt und abhängig von der Qualifikation eingesetzt sowie Informationen automatisch an relevante Stellen weitergegeben.


Katharina Van Meenen-Röhrig, CEO der GFOS Group

„Komplexe Prozesse werden steuerbar”

Bild: ©GFOS | Joseffson Fotografie
Bild: ©GFOS | Joseffson Fotografie

Wo sehen Sie aktuell das greifbare Potenzial von werksnaher künstlicher Intelligenz?
Katharina Van Meenen-Röhrig: Das innovative Potenzial für die Industrie liegt in der tiefgreifenden Analysemöglichkeit. KI macht es möglich, vorausschauend und datenbasiert zu planen, die Produktivität signifikant zu steigern und die Wirtschaftlichkeit entlang der Wertschöpfungskette nachhaltig zu verbessern. Damit stehen Daten nicht nur umgehend und übersichtlich zur Verfügung, KI-Systeme helfen darüber hinaus, sie zu analysieren, zu deuten und damit Muster bzw. Regelmäßigkeiten sichtbar zu machen. So entstehen Überblick, Kontrolle und eine vielschichtige, gewinnbringende Transparenz. Dieser Erkenntnisgewinn ist nur auf Basis der KI-Algorithmen möglich.

Wie profitiert ein MES-System von künstlicher Intelligenz?
Van Meenen-Röhrig: Während bereits mit Hilfe von Manufacturing Execution Systems prozessorientiert auf die stetig wachsende Komplexität in Fertigungsprozessen reagiert werden kann, verspricht die Ergänzung um spezielle Module der künstlichen Intelligenz eine exponentielle Potenzialausschöpfung. Denn damit stehen Daten nicht nur umgehend und übersichtlich zur Verfügung, KI-Systeme helfen darüber hinaus sie zu analysieren, zu deuten und damit Muster bzw. Regelmäßigkeiten sichtbar zu machen. So entstehen Überblick, Kontrolle und eine vielschichtige, gewinnbringende Transparenz. Dieser Erkenntnisgewinn ist nur auf Basis der KI-Algorithmen möglich.

Wie realistisch ist die Einführung von KI in Unternehmen?
Van Meenen-Röhrig: Noch stehen KI-basierte Manufacturing Execution Systems (MES) ganz am Anfang. Die Einführung eines KI-basierten MES ist aber bereits heute möglich, denn durch die enge Zusammenarbeit der IT-Dienstleister sind entsprechende Module für die Industrie verfügbar. Die GFOS ist einer der Marktführer für digitales Produktionsmanagement und die Aixbrain GmbH bietet hochspezialisiertes Wissen für die Entwicklung fertigungsbezogener KI-Module. So wird künstliche Intelligenz für die Industrie zum effektivitätssteigernden Werkzeug. n





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