Inwieweit gleicht die Investition in ein IoT-Startup einem Glücksspiel?

Bevor wir in Startups oder in Kooperationen investieren, prüfen wir sehr genau, welche Erfolgsaussichten ein Business-Modell hat. Am wichtigsten ist die Frage nach der Skalierbarkeit. Nur wenn ein Startup hier Potenzial mitbringt, gehen wir eine Partnerschaft ein. Ein wenig anders ist das in unserem Inkubator, wo wir weltweit junge Gründer von der Pike auf fördern und begleiten.

Startup mit Großkonzern, das klingt ein wenig wie der Elefant, der mit der Maus zusammenlebt. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie die Jungunternehmer aus Versehen mit ihren Prozessen erdrücken?

Zweifelsohne prallen hier Welten aufeinander. Konzerne dürfen nicht den Fehler machen, Startups zur Begrüßung mit einer Prozesslawine zu überrollen – denn das bedroht den Kern ihres Geschäftsmodells. Gründer sind erfolgreich, weil sie kreative Denker oder Tüftler sind. Immer auf der Suche, offen für Neues und durchaus bereit, mit dem bisher Erreichten zu brechen und schnell umzuschwenken. Freigeister darf man nicht in Ketten legen, damit ist keinem geholfen. Andererseits sind Startups teilweise übermütig und zu risikofreudig – sie haben schließlich weniger zu verlieren als ein Großkonzern. Die Zusammenarbeit klappt nur, wenn man anpassungsfähig ist, sich gegenseitig Freiheiten lässt und aufeinander eingeht.

Freigeister darf man nicht in Ketten legen.
Damit ist keinem geholfen.
Anette Bronder, T-Systems

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen Sie unseren Partner Roambee, ein Startup aus dem Silicon Valley für smarte Logistik. Das Unternehmen bietet ein Tracking-System, nicht größer als ein iPhone 7, das den Zustand von Waren und Gütern auf weltweiten Transportwegen über ein Webportal transparent macht. Im Backend braucht es dazu eine sichere, skalierbare und hoch verfügbare Cloud. Und Konnektivität. Genau hier kommen wir ins Spiel: Roambee steuert seine ausgereifte Soft- und Hardware mit entsprechenden Sensoren bei. Wir setzen unsere skalierbare Cloud-Plattform darunter und haben die Integrations-Expertise. Für beide Seiten ein Gewinn.

Siemens bedauert mittlerweile auf großer Bühne, die jungen Gründer von Cisco seinerzeit vom Hof geschickt zu haben. Welche historische Chance hat T-Systems verpasst?

T-Systems hat lange auf das klassische Outsourcing-Geschäft gesetzt – auf Verträge, die teilweise bis zu zehn Jahre Laufzeit hatten. Wo sich aber, vor allem in den letzten fünf Jahren, sowohl der Markt als auch das Umfeld so radikal verändert haben, dass dem vertraglich vereinbarten Geschäft quasi zwischendurch der Boden unter den Füßen weggebröckelt ist. Der Schwenk von der Private zur Public Cloud hat beispielsweise einen umfassenden Strategiewechsel herbeigeführt. Inzwischen haben wir unsere eigene Public Cloud gelauncht und ein Cloud-Partner-Ökosystem mit mehr als 150 Partnern und unabhängigen Softwareanbietern aufgebaut. Ich würde nicht sagen, dass wir eine historische Chance verpasst haben, aber unsere Lernkurve war steil. Und wir betreten weiterhin Neuland, zum Beispiel mit neuen Geschäftsfeldern wie Connected Mobility oder Digital Health. Das sind Test- und Lernfelder. Um hier erfolgreich zu sein, müssen Großkonzerne mehr Startup-Spirit tanken.

Zu guter Letzt: Was ist Ihrer Meinung nach derzeit das heißeste Startup?

Es gibt zu viele gute Geschäftsideen und Gründer auf der Welt, um sich hier festzulegen. Besonders spannend sind zur Zeit Themen wie Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Digital Health und Connected Mobility. Neue Technologien werden schon bald die Medizinforschung, Gesundheitsversorgung und auch unsere Mobilität revolutionieren. Die Digitalisierung wird uns mehr Zeit und Lebensqualität schenken. In Zukunft meldet sich der Arzt bei uns, wenn es gilt, Auffälligkeiten zu kontrollieren. Für Diabetiker beispielsweise gibt es bereits Lösungen, bei denen Nanosensoren unmittelbar unter die Hautoberfläche implantiert werden, die Blutwerte überwachen und an eine sichere Cloud-Plattform übertragen – nur einsehbar für den behandelnden Arzt. Künstliche Intelligenz wird wiederum einen entscheidenden Beitrag leisten, um aus den Unmengen von Daten die wichtigsten Muster und Informationen herauszufiltern und Reaktionen einzuleiten – ob im Gesundheitswesen, in der Industrie oder beim Thema Mobilität. Ein großes Thema bei Startups und auch bei Technologiekonzernen, die enorm in die Forschung und Entwicklung von KI-Lösungen investieren. Code is King, und wer den richtigen entwickelt, gewinnt.