Energiemanagement

IoT-Plattform zum Energie sparen

Die ZF Friedrichshafen AG setzt auf konsequentes Energiemanagement. Erste Erfolge verzeichnete der Automobilzulieferer im Jahr 2014 mit einer um zehn Prozent verbesserten Energieeffizienz. Seit Anfang 2017 hilft die In-GmbH mit einem regelbasierten Lastspitzenmanagement auf Basis ihrer IoT-Plattform dabei, weiteres Sparpotenzial zu erschließen.

Bild: In-Integrierte Informationssysteme GmbH
Bild: In-Integrierte Informationssysteme GmbH

ZF produziert Antriebs- und Fahrwerktechnik sowie aktive und passive Sicherheitstechnik. Das Unternehmen zählt zu den weltweit größten Automobilzulieferern und ist mit 137.000 Mitarbeitern an rund 230 Standorten in knapp 40 Ländern vertreten. Im Jahr 2016 hat der Konzern einen Umsatz von 35,2 Milliarden Euro erzielt. ZF wendet jährlich etwa sechs Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung auf. Bereits seit 1996 betreibt das Fertigungsunternehmen ein weltweites Umweltmanagement, das alle Ebenen des Unternehmens über die Divisionen und Regionen bis in die einzelnen Standorte abdeckt. Seit 2012 gibt es auf Konzernebene ein eigenes Energiemanagement mit dem Ziel, den spezifischen Energieverbrauch kontinuierlich zu reduzieren. Im Jahr 2014 meldete die Firma, ihre Ener­gieeffizienz in Deutschland um rund zehn Prozent verbessert zu haben. Seit 2015 wird das Energiemanagementsystem auf alle europäischen Produktionsstandorte ausgedehnt.

Lastspitzen als Herausforderung

Mit Einführung des Energiemanagements wurde die Schwierigkeit der kontinuierlich steigenden Kosten für Lastspitzen transparent. So ist am Stand­ort Friedrichshafen der der Preis für Lastspitzen von 61,25 Euro im Jahre 2013 auf heute 83,18 Euro pro Kilowatt gestiegen. Dort unterhält ZF zwei mit Erdgas betriebene Blockheizkraft­werke, die jährlich rund 24.000 Megawattstunden Strom und 24.000 Megawattstunden Wärme liefern. Das entspricht dem Energieverbrauch einer Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern oder 7.300 Haushalten mit je vier Personen. Das spart der Umwelt mehr als 5.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Diese Energie wird im eigenen Betriebsnetz verbraucht. Blockheizkraftwerke haben die Eigenschaft, Strom nur dann erzeugen zu können, wenn gleichzeitig die anfallende Wärme abgeführt wird. Dabei kann es vorkommen, dass im Hochsommer die Kühlung sehr viel Strom benötigt, aber die erzeugte Wärme nicht abge­nommen werden kann. Dann schaltet sich das Kraftwerk ab und die fehlende Leistung muss durch manuelle Schalthandlungen kompensiert oder als Lastspitzen zugekauft werden.

Das Projekt Smart Energy Hub

Zu Beginn des Energiemanagements lagen die Lastspitzen über 28 Megawatt. Für 2017 ist geplant, mit nur noch 22,5 Megawatt aus­zukommen. Auf der Suche nach einer Lösung für das Lastspitzenmanagement stieß Christoph Weippert, Leiter Energie-Ma­nagement bei ZF, auf das Forschungsprojekt Smart Energy Hub, dem sich die Firma als assoziierter Partner anschloss. Projektpartner sind die In-GmbH, ein Anbieter von Cloud-basierten Managementsystemen, die Fichtner IT mit Leistungen rund um die Informationslogistik im Energiebereich sowie die Fraunhofer Gesellschaft (IAO) als Spezialist für Prognose und Algorithmen. Ziel der ersten Phase war es, Lastspitzen zu vermeiden und durch eine regelbasierte Fallbacklösung die Energiebeschaffungskosten zu senken. Angestrebt wurden Einsparungen von 100.000 bis 200.000 Euro pro Jahr. Start war im dritten Quartal 2016. Basis bildeten die vom Zulieferer über das Protokoll OPC UA an die IoT-Plattform Sphinx Open Online gelieferten Energiedaten von Verbrauchern und Erzeu­gern in den Liegenschaften des Produzenten.

Lastspitzen vermeiden

Das Herzstück der IoT-Plattform ist die ‘Regel Engine’. Die Anwendung erhält nicht nur laufend Daten über Stromerzeugung und -bedarf, sondern auch über die Komponenten des Energiesystems und deren Rahmenbedin­gungen. Diese sind mit parametrierbaren Regeln hinterlegt. Eine Herausforderung bei der Vermeidung von Lastspitzen sind die Vorgaben der Stromlieferanten. Denn in einer Viertelstunde darf eine vorgegebene Grenze im Mittel nicht überschrit­ten werden, so dass für die Analyse und Regelung nur wenige Minuten Zeit bleiben. Für die zeitnahe Reaktion bestehen zwei Möglichkeiten: eigenen Strom erzeugen oder Verbraucher abschalten. Net­zersatzaggregate – also Notstromaggregate – werden zugeschaltet oder die Lüftung wird abgeschaltet. Für die Funktion der Lüftung sind Algorithmen hinterlegt, die Abschalt- und Wiedereinschalt­zeiten steuern. Daraus ergibt sich dann für jeden einzelnen Fall, beispielsweise wenn die Abschaltung eines Blockheizkraftwerkes droht, eine Priorisierung der Komponenten, die ab- oder zugeschaltet werden können, damit die Lastgrenze nicht überschritten wird. Seit Inbetriebnahme des Systems am 9. Januar 2017 sprang das Lastspitzenmanagement-System mehrfach ein, um eine drohende Lastspitze ohne menschliches Zutun zu kom­pensieren. Seit April 2017 bewegen sich die Lastspitzen am Standort Friedrichshaven nicht über 19,5 Megawatt. Das sind drei Megawatt weniger, als urspünglich geplant.

Ein Prognosemodell integrieren

Nach diesem Projekterfolg sind schon die nächsten Ausbaustufen des Lastspitzenma­nagements geplant. Dabei werden sowohl Wetterdaten als auch Daten aus dem Produktionspro­gramm wie die Anwesenheit von Mitarbeitern oder zu fertigende Getriebestückzahlen für ein einwöchiges Lastprofil prognostiziert. Lastspitzen wer­den so schon eine Woche vor Eintreten sichtbar und kön­nen zur Reduzierung von Lasten genutzt oder auch an den Energieversorger für eventuelle Lastprofil-Bewirtschaftungen übermittelt werden. Dieser kann danach seine Beschaffungs­strategie anpassen und ZF kann eigene Stromgeschäf­te über den Terminmarkt abwickeln.

Technik noch am Anfang

In Anbetracht der gesammelten Erfahrung denkt der Fertigungsbetrieb darüber nach, die IoT-Plattform auch an anderen Standorten auszurollen. Denn das Projekt hat aufs Neue belegt, dass Lastspitzenmanagement in Verbindung mit der Produktionsplanung und einem Prognosemodell gute Möglichkeiten bietet, den Energiebedarf und hohe Lastspitzen in den Griff zu bekommen. Das Internet der Dinge und Industrie 4.0-Anwendungen im Facility Management stehen erst am Anfang. Das Potenzial im Zusammenspiel von Mess-, Prognose- und Steuerungstechnik öffnet auf jeden Fall ein weites Feld an Handlungsmöglichkeiten.