Die automatisierte Brauerei

Vom Roboter abgefüllt

Da die alte Palettieranlage mit der Zeit zu störanfällig wurde, entschloss sich die Westheimer Brauerei aus Marsberg im Jahr 2017 dazu, einen Palettierroboter zu installieren. Diesem ersten Automatisierungschritt sollten weitere folgen. Heute kümmern sich Roboter auch um das Leergutmanagement und das Befüllen der Flaschen.

Bild: Kawasaki Robotics GmbH
Bild: Kawasaki Robotics GmbH

Die Gräflich zu Stolberg’sche Westheimer Brauerei in Marsberg (Sauerland) braut seit mehr als 150 Jahren regionale Bierspezialitäten. Um sich auf dem Markt zu behaupten und dem steigenden Fachkräftemangel vorzubeugen, entschloss sich die Westheimer Brauerei vor einigen Jahren dazu, die gesamte Produktion schrittweise zu automatisieren. Der Bedarf an neuen Mitarbeitern sollte so reduziert sowie Prozesse genauer, flexibler und steuerbarer gestaltet werden. „Bereits in den 1990er Jahren gab es mit der Einführung einer SPS erste Gehversuche in Sachen Automatisierung bei Westheimer,“ erinnert sich der technische Leiter Thomas Juckenath.

Personelle Ressourcen schonen

Die Ausbildung und Weiterentwicklung von Fachkräften ist für die Brauerei ein wichtiger Faktor, erklärt Braumeister Jörg Tolzmann: „Eine langfristige Bindung guter Fachkräfte ist entscheidend, denn in Brauerei und Handwerk ist der Mangel deutlich spürbar, insbesondere in ländlichen Regionen wie dem Sauerland.“ Neue Mitarbeiter sind in Brauerei und Handwerk zunehmend schwieriger zu gewinnen. Auch vorausschauendes Arbeiten wird wichtiger, um die Auslastung auf dem gewollten Maß zu halten und die – auch personellen – Ressourcen zu schonen, sagt Thomas Juckenath: „Wo zuvor kurzfristig auf mögliche Störungen in der Produktion bzw. der älteren Anlagen reagiert wurde sowie Reparaturen und Wartung nach Bedarf durchgeführt wurden, stellt sich nun die Frage: Wie kann Vorsorge aussehen bevor etwas kaputt geht?“

Volle Kästen führt der Palettierroboter zur Weiterverarbeitung zu. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)
Volle Kästen führt der Palettierroboter zur Weiterverarbeitung zu. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)

Alte Maschinen ersetzt

Bis 2017 waren in der Westheimer Brauerei vorwiegend ältere mechanische Lösungen im Einsatz, teils aus den frühen 1980er Jahren. Insbesondere die alte Palettieranlage nahm sehr viel Raum ein und war störungsanfällig. Somit war diese für Braumeister Jörg Tolzmann der logische erste Schritt für die Automatisierungsambitionen des Unternehmens. Heute setzt die Brauerei auf einen Kawasaki Robotics CP500L-Palettierroboter. Neben der Geschwindigkeit und Präzision des Roboters waren u.a. auch die Einrichtung und Programmierung, die eigenständige Beschickung der Maschine und das Sicherheitssystem Cubic-S Argumente für den Einsatz. Ein neuer Kettengreifer für den gleichen Zweck wäre wohl um ein Vielfaches programmierlastiger und störanfälliger gewesen.

Bessere Auslastung

In früheren Zeiten musste die Palettieranlage schrittweise heruntergefahren werden. Im Anschluss wurde die Palette manuell beladen und dann abtransportiert – separat für volle und leere Kästen. Heute bewegt der verantwortliche Mitarbeiter primär den Gabelstapler. Vollgut- und Leergutkästen laufen inzwischen über ein Band herunter, werden automatisch ins Lagebild geschoben und vom Roboter so auf Palette gelegt. Dabei sind viel mehr Kästen gleichzeitig unterwegs und müssen nicht mehr zwischengeparkt werden. Nach der Einrichtung der Palettieranlage folgte die Modernisierung der Flaschenproduktion – mit zwei weiteren Kawasaki Robotern vom Typ BX200L für das Ein- und Auspacken der Flaschen im Zentrum. Da die Roboter nur eine kleine Grundfläche benötigen, waren für die Integration nur Sicherheitszäune und neue Bändereinstellungen nötig.

Mit dem CP500L-Palettierroboter von Kawasaki Robotics begann die Westheimer Brauerei ihre Automatisierungsinititative. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)
Mit dem CP500L-Palettierroboter von Kawasaki Robotics begann die Westheimer Brauerei ihre Automatisierungsinititative. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)

Ein Roboter, viele Sorten

Der Brauereimarkt hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert: „Früher war es eine Sorte Bier – in kleinen und großen Flaschen. Heute haben wir mehrere Eigenmarken, Limonade und weitere Getränke und produzieren für anderen Firmen. Kurzum: Es gibt eine unglaubliche Vielfalt. Unsere Mannschaft und Produktionsanlagen werden deutlich mehr gefordert als früher“, sagt Jörg Tolzmann. Mit der robotergestützten Produktion ist die Brauerei dafür flexibel aufgestellt: So ermöglicht es der Kawasaki Robotics BX200L in der Einpackstation, Formteile selbstständig aufzunehmen und schnell auf neue Sorten umzustellen.

Produktion auf zwei Ebenen

Die Produktion arbeitet auf zwei verbundenen Ebenen – das Handling von Leergut und Endprodukten unten und die Abfüllung oben. Die Leergutkästen werden aus dem Erdgeschoss über ein Bandsystem der Flaschenanlage zugeführt. Dort entnimmt ein BX200L-Roboter die Flaschen mit einem Greifer und setzt sie auf eine Bahn. Die Kästen werden in einer Kastenwaschanlage gereinigt und dem Einpacker zugeführt. Die leeren Flaschen werden über eine Zufuhr zur Flaschenwaschmaschine gebracht. Dort werden sie auf Schäden oder falsche Formen untersucht und gereinigt. Im Anschluss werden die Flaschen zusätzlich von einem Inspektor kontrolliert. Dann werden sie gefüllt, nochmals kontrolliert, etikettiert und vom Einpacker – einem weiteren BX200L-Modell – in die bereitgestellten Kästen gepackt. Anschließend werden die gefüllten und verkaufsfertigen Kästen über das Bandsystem der Palettieranlage der Bearbeitung zugeführt. Ein weiterer BX200L packt die gefüllten und etikettierten Flaschen in bereitstehende Kästen.

Automation hilft, die steigende Produktvielfalt zu bewältigen. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)
Automation hilft, die steigende Produktvielfalt zu bewältigen. (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)

Entlastung der Belegschaft

Die Belegschaft nimmt die Roboter als Entlastung wahr: „Früher musste man Flaschen manuell rausholen, kontrollieren und Paletten herfahren. Die Roboter sind eine unheimliche Erleichterung – körperlich vor allem“, sagt Jörg Tolzmann. Und auch der Faktor Wartung habe die Erwartungen übertroffen, sagt Thomas Juckenath: „Alles läuft perfekt. Einmal pro Jahr Wartung, Batterien ausgetauscht, Fettprüfung – das wars.“

Fassproduktion automatisieren

Vor allem die gesunkenen laufenden Kosten – insbesondere im Vergleich zu älteren Maschinen – haben sich für die Westheimer Brauerei als Vorteil erwiesen. „Die Roboter laufen einfach und zuverlässig. Die ganze Sache wird wartungsfreundlicher“, sagt Juckenath. Auch in der Pandemie war die Roboterlösung sehr nützlich. Zwar waren die Effekte auf die Gastronomie und die reduzierte Nachfrage nach Fassbier deutlich spürbar, doch die Nachfrage nach mehr Flaschenbier und höherer Produktvielfalt – auch nicht-alkoholische Getränke – konnte wirtschaftlich bedient werden. So waren die Kapazitäten stets ausgelastet. Aktuell legt die Brauerei ihr Augenmerk auf die Keg-Anlage und die Fassproduktion. Erste Überlegungen zur Vollautomatisierung auch dieser Anlage finden bereits statt – so soll etwa das Handling der sehr schweren Fässer vereinfacht werden.

150 Jahre Tradition: Gräflich zu Stolberg'sche Westheimer Brauerei in Marsberg (Sauerland) (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)
150 Jahre Tradition: Gräflich zu Stolberg’sche Westheimer Brauerei in Marsberg (Sauerland) (Bild: Kawasaki Robotics GmbH)