Single-Pair-Ethernet für das Industrielle IoT

Universelle Schicht mit Ethernet gebildet

Single-Pair-Ethernet-Technik adressiert die steigenden Anforderungen an Automatisierungsinfrastruktur nach Interoperabilität. Denn mit der Technologie-Plattform lassen sich verschiedene Legacy-Netzwerke zu einer universellen physikalischen Schicht verbinden. Eine praktikable Möglichkeit für Produzenten, Daten im Sinne von Industrie 4.0 durchgängig bereitzustellen – vom Edge-Sensor über die Fertigung bis hin zum tragbaren Laptop.

Bild: ©jamesteohart/adobestock.com
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Die neuesten Entwicklungen in der Ethernet-Datenkommunikation betreffen die kürzlich erweiterten Möglichkeiten für Zweidrahtleitungen. So lassen sich mit der Single-Pair-Ethernet (SPE)-Technologie etwa Gebäudeautomationssysteme, Maschinen und ältere Industrienetzwerke zu einer einzigen Ethernet-Netzwerktechnologie migrieren. Das Besondere dabei ist, dass sich über die Leitungen Strom und Daten gleichzeitig transportieren lassen.

Die M8-Steckverbinder von Panduit gemäß MICE2/3-Klasse in IP67 sind durch die Pin-Kodierung identisch mit bestehenden Sensor- und Feldbussystemen. (Bild: Panduit)
Die M8-Steckverbinder von Panduit gemäß MICE2/3-Klasse in IP67 sind durch die Pin-Kodierung identisch mit bestehenden Sensor- und Feldbussystemen. (Bild: Panduit)

Das SPE-Ökosystem

SPE erweitert die Ressourcen des Industriellen Internet der Dinge (IIoT) und hilft Unternehmen, beschleunigt auf Ethernet-basierte Betriebstechnologien (Operation Technology – OT) zu migrieren. Es bietet gemeinsame Kommunikationsprotokolle an, die mit dem Netzwerk der Informationstechnologie (IT) kompatibel sind. Diese Erweiterung umfasst End-to-End-Lösungen einschließlich Switch, Kabel und Sensor, die von zahlreichen Anbietern entwickelt wurden. Ziel der Bestrebungen ist es, OT- und IT-Operationen auf diesem effektiven Protokoll zu harmonisieren. Zurzeit entsteht ein Ökosystem, um Single-Pair-Ethernet weitreichend nutzen zu können: Standards, Komponenten, Endgeräte und Anwendungen. Das Ethernet hat seit ca. 20 Jahren auch im industriellen Markt bereits große Anteile gewonnen und ist in vielen Varianten verfügbar: etwa Profinet, EtherNet/IP oder EtherCAT. Zusammen mit ergänzenden IP-basierten Protokollen ist die Technik vielerorts als Datenkommunikationsplattform gesetzt. Allerdings gibt es nach wie vor spezielle Protokolle für Anwendungen, deren Anforderungen Ethernet bislang nicht erfüllt. Das führt zu Szenarien, in denen mehrere parallel laufende Protokolle die Kosten und die Komplexität von Umgebungen erhöhen. Zudem wird zum Betrieb solcher Umgebungen Installations- und Wartungspersonal benötigt, dass in sogenannten Multiprotokollen erfahren ist.

Mehr datenbasierte Prozesse

Aus der Erschließung von künstlicher Intelligenz und den generell zahlreichen Digitalisierungsprojekten ergeben sich viele datenbasierte Prozesse in den Unternehmen. Diese Möglichkeiten gibt es zwar schon länger. Doch aktuell ist zu beobachten, dass Anwender aufgrund der Dynamik einzelner Technologien wie Machine Learning ganze System-Topologien zusammenführen – mit einer Fülle an Möglichkeiten. Da immer mehr Fertigungs- und Industrieanlagen und -geräte in die IT eingebunden werden, entwickelt sich die Betriebstechnik vielerorts zu einem Verbund aus Ethernet und älteren Feldbusprotokollen. In Bezug auf die neu installierten Knoten kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass industrielles Ethernet im Jahr 2018 zum ersten Mal die traditionellen Feldbusse quantitativ überholt hat, und diese Entwicklung setzte sich auch im Jahr 2019 fort. Industrielles Ethernet hat weiterhin eine stetige Wachstumsrate von 20% und macht nun 59% des globalen Marktes aus, ein Anstieg von 7%. Weltweit ist Ethernet/IP das meistgenutzte industrielle Ethernet-Netzwerk mit 15% Marktanteil, dicht gefolgt von Profinet mit 14%. Vor allem war 2019 das erste Jahr, in dem die Zahl der neuen Feldbusknoten um -5% zurückging, verglichen mit einem Wachstum von 6% im Jahr 2018.

Der Panduit-IP20-SPE-Steckverbinder gemäß IEC63171-1 Typ 1 nimmt die halbe Grundfläche eines RJ45-Anschlusses ein und verfügt über eine positive Verriegelung für sichere Verbindungen. (Bild: Panduit)
Der Panduit-IP20-SPE-Steckverbinder gemäß IEC63171-1 Typ 1 nimmt die halbe Grundfläche eines RJ45-Anschlusses ein und verfügt über eine positive Verriegelung für sichere Verbindungen. (Bild: Panduit)

SPE beschleunigt die Migration

Mit SPE stehen künftig mehr Möglichkeiten zur Verfügung, Netzwerklösungen ausschließlich mit Ethernet-Technologie aufzubauen. Das Leistungsversprechen solcher Netzwerke sind ihre einfache Implementierung und Verwaltung, aber auch die Datentransparenz und IT-Sicherheit. Die zahlreichen IIoT-Applikationen und digitalisierten industriellen Prozesse erfordern ein nahtloses Informationssystem im Unternehmen und befördern die Konvergenz auf der Ethernet-Plattform. Der ursprüngliche Single-Pair-IEEE-Standard 802.3cg-2019 wurde Anfang 2020 verabschiedet. Parallel wurden Gerätechips zur Unterstützung von SPE-Anwendungen in der Prozess-, Industrie- und Gebäudeautomation eingeführt.

Reduzierte Komplexität

Die Vorteile einheitlicher Netzwerk-Topologien erstrecken sich bis hin zur Verkabelung. Mit der reduzierten Anzahl an Kommunikationskabeln verringert sich die Varianz bei Kabel- und Steckergrößen. Hinzu kommt, dass die Technik gleichzeitig Strom und Daten transportiert. Der IP20-SPE-Steckverbinder gemäß IEC63171-1 Typ 1 (Bild 1) von Panduit etwa ist ein kleinformatiges Modul, das auf der Hälfte der Grundfläche eines RJ45-Anschlusses eine positive Verriegelung für Verbindungen unterbringt. Die integrierte Strom- und Datenversorgung macht lokale Batterien oder Netzteile überflüssig. Im Vergleich zur Terminierung eines vierpaarigen Kabels nach TIA-568A/B-Standard ist der Kabelabschluß eines einpaarigen Kabels mit dem LC-Stecker vor Ort schneller und einfacher. Mit handelsüblichen Werkzeugen kann ein Techniker einen SPE-Steckverbinder in der Hälfte der Zeit am Kabel fixieren, die sonst für eine vierpaarige Terminierung benötigt wird. Zudem werden einpaarige 18 AWG-Kabel (etwa 1qmm Durchmesser je Ader) verwendet, die leichter und schmaler sind. Der Anschluss des SPE-Steckverbinders ist auch weniger fehleranfällig, was Nacharbeiten reduzieren kann. Durch das geringere Gewicht und die geringere Größe können mehrere Kabelstränge zusammengezogen werden, um die Implementierung zu vereinfachen. Aber der wesentliche Nutzenaspekt ist wohl die Stromversorgung von entfernten Geräten über SPE. Der IEEE-802.3bu-Standard sieht eine dezentrale Gleichstromversorgung über die SPE-Verbindung vor, die als Power-over-Data-Line oder PoDL bezeichnet wird. PoDL ist vergleichbar mit der Power-over-Ethernet (PoE)-Technologie für Standard-Ethernet, welche die Stromversorgung der Datenkommunikations-Infrastruktur in Gebäuden bereits entscheidend verändert hat.

Der Weg der Daten im OSI-Modell – so senden analoge und Feldbussensoren ihre Daten. (Bild: Panduit)
Der Weg der Daten im OSI-Modell – so senden analoge und Feldbussensoren ihre Daten. (Bild: Panduit)

Wiederverwendbarkeit

Vorhandene SPE-Kabelmedien lassen sich wiederverwenden. Maschinen und Anlagen verfügen über einpaarige verdrillte Kabel-Topologien, die sich jetzt als SPE-Kabelmedien nutzen lassen. Beispielsweise besitzen viele RS-485-Kabel, die in Gebrauch oder redundant verlegt sind, den Querschnitt 18 AWG und sind für Verbindungen tauglich, wenn sie den Leitungstest bestehen. Dieser Test muss sicherstellen, dass die Kabel die elektrische Leistung in Bezug auf den TIA-568.5-Standard für eine 10BASE-T1L-Übertragung erfüllen.

Engagiert

Als weltweiter Anbieter von Lösungen im Bereich physikalische und elektrische Infrastruktur entwickelt Panduit an zukünftigen Kommunikationsstandards mit. Bob Voss, Senior Principal Engineer in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Panduit, ist Vorsitzender des Single-Pair Ethernet Subcommittee bei der Ethernet Alliance. Das von ihm geleitete Unterkomitee entwickelt die Roadmap für Base-T1-Ethernet, um die Technologie weiter als universelle Technologie für industrielle Netzwerke zu empfehlen. Diese Entwicklung wird zunehmend anfällige ältere Protokolle durch IP-Netzwerke ersetzen, die höhere Datengeschwindigkeiten, Übertragungsdistanzen und mehr Funktionen bei der Daten- und Netzwerksicherheit bieten.

Ethernet-Sensoren versenden Daten auf Basis des OSI-Schichtenmodells. (Bild: Panduit)
Ethernet-Sensoren versenden Daten auf Basis des OSI-Schichtenmodells. (Bild: Panduit)

Vielfältiger Ethernet-Stack

Einige dieser Funktionen in Ethernet- und IP-basierten Netzwerken reduzieren bei der Konsolidierung einer SPE-Umgebung Aufwände, die nicht unmittelbar mit der Datenübertragung zusammenhängen. Ethernet-Netzwerke bieten mittlerweile Techniken wie Time Sensitive Networking (TSN) und Software Defined Networking (SDN). Während das 4-Paar-Ethernet häufig höhere Ebenen in industriellen Netzwerken unterstützt, ist es für viele kleinere Edge-Geräte oft nicht die kostengünstigste Wahl. Bei kostensensiblen IIoT-Geräten könnte demnach SPE die bessere Wahl darstellen. Zumal Systeme mit serieller RS-485-Kommunikation oft mit geringen Änderungen aufgerüstet und in das Ethernet-Netzwerk eingebunden werden können.

Das verdrillte Kabel kann mehr und sorgt für EMV und hohe Übertragungsqualität ohne Übersprechen. (Bild: Panduit)
Das verdrillte Kabel kann mehr und sorgt für EMV und hohe Übertragungsqualität ohne Übersprechen. (Bild: Panduit)

Neue Applikationen möglich

SPE unterstützt Datenraten bis zu 10MBit/s bei Entfernungen bis zu 1.000m. Verglichen mit Protokollen auf Basis von RS-485, die auf die gleiche Distanz 31,2kBit/s übertragen, ist die Geschwindigkeit 300 mal schneller. Damit lassen sich Edge-Geräte preisgünstig zu vielen Anwendungen befähigen, die vorher technisch kaum zu realisieren waren. Die Panduit-M8-Steckverbinder (Bild 2) gemäß MICE2/3-Klasse sind nach Schutzart IP67 gegen Staub sowie Wasser geschützt. Dass die Pin-Kodierung identisch mit bestehenden Sensor- und Feldbussystemen ist, erleichtert den Umstieg. Zu den frühen Anwendungen für SPE gehören:

  • • Anschluss von Skid- und Maschinen-E/A-Blöcken zum Ethernet-Netzwerk,
  • • Verbindung maschineninterner Geräte an einen maschineninternen oder zellularen industriellen Netzwerk-Switch,
  • • Anschluss von Feldsensoren und Aktoren an industriellen Netzwerk-Switch über Punkt-zu-Punkt oder strukturierte Kabel-Link-Kanäle, beides mit Längen bis zu einem Kilometer, also weit über der aktuellen 100m-Grenze,
  • • Verbindung von Feldgeräten mit eingebetteten 2-Kanal-Schaltern in einer Daisy-Chain,
  • • Verbindung von Remote-I/O-Modulen untereinander, mit dem Netzwerk-Switch oder mit der Steuerung,
  • • Anschluss von Schaltschrank-Einbaugeräten untereinander über ein einzelnes Kabel in Multi-drop Topologie (10BASE-T1S).

Für Hersteller und Industrieanlagen lässt sich SPE unter anderen einsetzen für:

  • • Netzwerke von der Cloud bis zum Edge-Gerät,
  • • zur Implementierung von Diagnosemöglichkeiten,
  • • Redesign von Edge-Netzwerken, ohne Protokollübersetzungs-Gateways,
  • • Transformation der Gleichstrom-Infrastruktur für Steuerungen,
  • • Erweiterungen der IT-Angriffsabwehr-Technologien in die Fertigung,
  • • Verbindung von Micro-IoT-Geräten,
  • • Projekte zur Total Cost of Ownership-Reduktion (TCO).

Wandel zur Interoperabilität

Die Verbreitung des Internets der Dinge hängt stark von der Kostenentwicklung der eingesetzten Technologien ab. Durchgängigkeit und Skalierung sind vor allem bei älteren Installationen oft nur schwer herzustellen. Der Wandel zu interoperableren Automatisierungskomponenten dürfte sich zuerst bei den Massenprodukten vollziehen, während es bei spezialisierten Geräten mit älteren Protokollen länger dauern wird, bis sie ersetzt werden. Wollen Anwender mithilfe von SPE Wettbewerbsvorteile erschließen, wird die Implementierung der zugehörigen Geräte drastisch zunehmen. Und durch den durchgehenden Einsatz von Ethernet-Technologie die Komplexität der Netzwerke reduzieren.







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