Steffen Winkler zur neuen Rexroth-Plattform:

„Vollkommende Abkehr von proprietären Strukturen“

Die modulare Multi-Core-Steuerung ctrLX Core ist als IPC, Embedded-Modul oder antriebsintegrierte Lösung verfügbar. (Bild: Bosch Rexroth AG)
Die modulare Multi-Core-Steuerung ctrLX Core ist als IPC, Embedded-Modul oder antriebsintegrierte Lösung verfügbar. (Bild: Bosch Rexroth AG)

In wie weit hat die Offenheit mit einer neuen Generation an Entwicklern im Maschinenbau zu tun, die eher softwaregeprägt sind?

Winkler: Das ist einer der entscheidenden Faktoren. Maschinenbau ist heute Softwareentwicklung. Die beliebtesten Programmiersprachen bei den jungen Softwareentwicklern heißen heute aber nicht IEC61131 oder G-Code, sondern C, Python oder JavaScript. Sie bekommen heute als Maschinenbauer kaum noch Softwareentwickler – erst Recht nicht, wenn sie dann mit einem proprietären Automatisierungs-Tool arbeiten müssen. Mit ctrlX Automation können sie jedoch in gewohnter Entwicklungsumgebung arbeiten, sich auf Plattformen wie GitHub austauschen und erhalten trotzdem einfachen Zugang zur Automatisierungstechnik und deren Besonderheiten, auch wenn es bisher keine Berührungspunkte mit der Branche gab. Natürlich lassen sich ebenso klassische SPS-Programmiersprachen – auch parallel – nutzen, was ctrlX Automation zusätzlich als Vermittler zwischen den Generationen positioniert.

Wie viel macht dann überhaupt noch die Hardware im Maschinenbau aus?

Winkler: Wie gesagt, die Software ist bei heutigen Automatisierungsfunktionen das entscheidende und immer mehr differenzierende Element. Aber: Bestimmte Hardwarefunktionen lassen sich nun mal nicht einfach durch Software ersetzen – die physikalische Bewegung eines Antriebs, die Sensorik oder die Maschinenkonstruktion selbst. Und bei bestimmten Funktionen, bei denen absolut zuverlässiges Zusammenspiel zwischen Hard- und Software gewährleistet werden muss, hat auch die Hardwareunabhängigkeit der Software gewisse Grenzen. Beispiele sind hier Bedienersicherheit oder Anwendungen welche außergewöhnliche Präzision beziehungsweise Performance erfordern. Wir haben die System- und Softwarearchitektur auf jeden Fall aber so ausgelegt, dass diese durch den Anwender erweiterbar ist. Selbst andere Automatisierungsanbieter könnten Hard- und Softwarebausteine integrieren.

Hier kommt der App-Gedanke zum Tragen, den Sie im Rahmen Ihrer neuen Plattform aufgreifen.

Winkler: In Zukunft wird es nicht nur von Bosch Rexroth Apps für ctrlX Automation geben. Auch unsere Partner oder Maschinenbauer können alle erdenkbaren Funktionsbausteine entwickeln und anbieten. Selbst eine Wetter-App – wie beim Smartphone bekannt – könnte man für das System programmieren. Natürlich stellt sich immer die Frage nach dem konkreten Nutzen. Im Umfeld von mobilen Maschinen oder regenerativer Energie wäre eine solche vielleicht durchaus nützlich. Für uns als Initiator der Plattform ist es nur ausschlaggebend, dass alle angebotenen Funktionen legal und sicher sind.

In wie weit ist der App-Ansatz auch das Bindeglied für die Einbindung weiterer Maschinen- oder Anlagenteile?

Winkler: Die essenziellen Kernfunktionen bieten wir natürlich unseren Kunden direkt an und werden diese kontinuierlich erweitern. Eine große Zahl weiterer Funktionen, die man in ctrlX-Lösungen nutzen kann, sind im Internet bereits als Open Source vorhanden. Bleiben wir beim Beispiel der Wetter-App. Eine solche Funktion gibt es in der Git-Hub-Community mit Sicherheit schon vielfach. Weil unser neues System so offen ist, kann der Entwickler diesen Software-Baustein dann einfach übernehmen. Diese Freiheit gab es in der Automatisierungstechnik bisher nicht. Die eigene Wertschöpfung des Anwenders kann sich dann vollständig auf die entsprechenden Differenzierungsmerkmale fokussieren.

Welche IoT-Funktionalität bringt die neue Plattform mit? Ist sie auch als Enabler für die bei Industrie 4.0 oft genannten neuen Geschäftsmodelle ausgelegt?

Winkler: Bei ctrlX Automation werden Maschinen oder Anlagen nicht über ein einzelnes Gateway an das IoT angebunden, wie es bisher meist der Fall ist. Solche Geräte können meines Erachtens nur eine Übergangslösung sein. In Zukunft wird das IoT als durchgängiger Teil Voraussetzung für den Erfolg eines Automatisierungssystems sein. Entsprechend tief haben wir das Internet der Dinge in die Struktur der neuen Plattform integriert, z.B. was neue Architekturen und Geschäftsmodelle, Updates und Security oder Protokolle wie OPC UA bzw. MQTT angeht. Wir bieten zudem bereits Basis-Tools für Predictive Maintenance oder Data Analytics. Hier soll sich der Maschinenbauer ebenfalls komplett auf sein Kern-Know how konzentrieren können. (mby)







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