Wenn Maschinen Fehler machen

Juristische Fragen rund um die Maschinenkommunikation

In der vernetzten Lieferkette einer Fabrik der Zukunft lassen sich Ursachen etwa für Falschlieferungen oder daraus folgende Produktionsstillstände mitunter schwierig erkennen. Vor allem, wenn die Interaktion der Maschinen zu den Fehlern führte. Um das Konfliktpotential zwischen den Partnern früh zu minimieren, sollten deren Vereinbarungen vorausschauend ausgestaltet und die Risiken vertraglich möglichst eindeutig abgegrenzt werden.

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Zahlreiche Industrieunternehmen befinden sich derzeit in einem Transformationsprozess, in dessen Verlauf sie klassische Produktionsmethoden und Abläufe ablösen und ihre Produktionsstätten in ‚Smart Factories‘ umwandeln. Diese bilden das Rückgrat der sogenannten ‚Industrie 4.0‘. Kennzeichen dieser Industrieform sind miteinander vernetzte und kommunizierende Produktionsmittel und Produkte, sogenannte Machine-to-Machine-Communication. In einer Smart Factory kennt das im Produktionsprozess befindliche Produkt seine Fertigungsinformationen. Es ist ein sogenanntes ‚Intelligent Object‘ (IO). Dieses IO kommuniziert mit den Produktionsmitteln in der Smart Factory und steuert seinen Fertigungsprozess selbst. Die intelligente Fabrik wiederum steuert und überwacht die Produktion, stellt die benötigten Einzelteile zur Verfügung und veranlasst deren Beschaffung bei Zulieferern. Die Maschinen und Systeme in der Zulieferkette sind dabei unternehmensübergreifend miteinander vernetzt.

Technische und rechtliche Herausforderungen

Dass im Rahmen einer solchen industriellen Revolution technische Herausforderungen zu meistern und Standards zu schaffen sind, liegt auf der Hand. Dies gilt nicht nur für den technischen, sondern auch für den rechtlichen Bereich. Die Bundesregierung spricht in ihrem Technologieprogramm ‚Autonomik für Industrie 4.0‘ daher auch rechtliche Hürden an. Wer haftet etwa bei Fehlfunktionen autonomer Systeme, bei falschen Informationen oder bei fehlerhafter Übermittlung oder Auswertung derselben? Zahlt beispielsweise ein produzierendes Unternehmen für Zulieferteile, die sinnloserweise angeliefert wurden, weil die Kommunikation zwischen herzustellendem Produkt, Smart Factory und den Systemen des Zulieferers fehlerhaft war? Oder muss der Zulieferer sie auf eigene Kosten zurücknehmen? Wer trägt das Risiko eines Bandstillstands bei falscher Terminierung? Derlei Fragen stellen sich vor allem dann, wenn ein Fehler nicht dort zu einem Schaden führt, wo er aufgetreten ist, sondern das geschädigte Unternehmen Teil einer unternehmensübergreifenden Kommunikationskette ist und die Schadensursache eigentlich in einem anderen, in diese Kette eingebundenen Unternehmen liegt. Bei solchen Fehlern in einem vollvernetzten und ‚autonomisierten‘ Bestellprozess ist aus vertragsrechtlicher Warte zunächst zu bestimmen, wer durch die zwischen den Maschinen und Systemen ausgetauschten Erklärungen eigentlich verpflichtet wird. Werden Verträge automatisiert geschlossen, ist es wichtig zu wissen, wann und wie in diesem Zusammenhang die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen überhaupt zustande kommen.

Da das deutsche Zivilrecht als Anknüpfungspunkt für Rechte und Pflichten grundsätzlich nur Personen kennt, wird rechtlich derjenige verpflichtet, dem – vereinfacht gesprochen – die ‚Erklärung‘ der Maschine zuzurechnen ist. Dies dürfte in aller Regel das die Maschine einsetzende Unternehmen sein. Von den Umständen des Einzelfalls wiederum hängt es dann ab, ob die zum Vertragsschluss führende Willenserklärung angefochten werden kann und in welchem Rahmen die Empfänger der Erklärung geschützt sind, die auf deren Richtigkeit und Bestand vertraut haben. Um derlei Szenarien in einer vernetzten Lieferkette interessengerecht zu lösen und Konfliktpotential früh zu minimieren, sollten die zwischen den verschiedenen Parteien einer Lieferkette bestehenden vertraglichen Rahmenvereinbarungen vorausschauend und im Bewusstsein der Komplexität und der Risiken der Vernetzung und Autonomisierung der Lieferbeziehung ausgestaltet und die Risikosphären vertraglich möglichst eindeutig abgegrenzt werden. Löst eine autonome Maschine eine fehlerhafte Bestellung aus und ist diese auf eine Fehlfunktion der Maschine zurückzuführen, stellt sich außerdem die Frage, ob der Betreiber der Maschine Regress beim Hersteller der Maschine nehmen kann. Dies wird in aller Regel davon abhängen, ob der Bestellfehler durch einen Mangel der Maschine oder aber durch außerhalb liegende Umstände wie fehlerhafte Bedienung oder Überwachung, Fehler in anderen Systemen oder falsche Informationen ausgelöst wurde.

Das Risiko menschlichen Versagens sinkt

Da in einer Smart Factory wenig Raum für menschliches Versagen durch falsche Bedienung und fehlerhafte Überwachung bleibt, kann dieser Faktor häufig als Ursache ausgeschlossen werden. Da in diesen Fabriken aber alle Maschinen und Systeme miteinander vernetzt sind, kann es schwierig sein, die Ursache eines Fehlers genau zu lokalisieren. Häufig wird ein Fehler auch gerade erst durch die gemeinsame Interaktion verschiedener Maschinen entstehen. Bei Regressansprüchen des Betreibers der Smart Factory gegen einen oder mehrere Hersteller von Produktionsmaschinen kann es daher leicht zu einem gegenseitigen ‚Fingerpointing‘ der Hersteller kommen, die sich wechselseitig die Verantwortung für einen entstandenen Schaden zuschieben. Absehbar ist jedenfalls, dass in einer Produktionsumgebung, in der Maschinen autonom agieren, Produktionsstörungen vermehrt auf Fehlfunktionen der Maschinen und weniger auf menschliches Versagen zurückzuführen sein werden. Dadurch steigt das Haftungsrisiko der Hersteller dieser Maschinen. Der Bereich der Produkthaftung wird daher in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen als in der Vergangenheit. Nach dem deutschen Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) haftet der Hersteller eines fehlerhaften Produkts – auch hier vereinfacht dargestellt – für durch den Fehler verursachte Personen- oder Sachschäden.

Dabei ist die Haftung nicht davon abhängig, ob der Hersteller den Fehler verschuldet oder bei der Herstellung absolut sorgfältig gehandelt hat. Das Produkthaftungsgesetz sieht allerdings eine Haftungshöchstgrenze bei Personenschäden vor und ersetzt keine Schäden an gewerblich genutzten Sachen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Einschränkungen im Hinblick auf den steigenden Einsatz von autonomen Produktionsmitteln in der Industrie und von autonomen Produkten im öffentlichen Verkehr in Zukunft zumindest für diesen Bereich modifizieren oder ganz aufgeben wird. Selbstverständlich wirft der zunehmende Einsatz autonomer und vernetzter Systeme rechtliche Fragen nicht nur im Bereich der Haftung auf. Auch regulatorische Fragen, zum Beispiel zur Zulassungsfähigkeit autonomer Fahrzeuge, werden zu klären sein. Ebenso ist ein rechtlicher Rahmen für den Umgang mit der enormen Menge an Daten erforderlich, die von den Systemen erhoben, zwischen den Systemen ausgetauscht und von diesen analysiert und ausgewertet werden. Insgesamt nimmt die rechtliche Entwicklung rund um den Bereich der Industrie 4.0 rasant an Fahrt auf. Die rechtlichen Probleme lassen sich zum Teil mit bereits etablierten juristischen Instrumenten lösen. Teilweise werden aber sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene die Gesetzgeber gefordert sein.