Vom virtuellen Modell zum fertigen Produkt

Entwicklungszyklen rapide verkürzen

Produktlebenszyklen werden immer kürzer und Kunden fordern laufend neue Produkte. Daher ist die unternehmerische Innovations- und Reaktionsgeschwindigkeit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Neue Fertigungsverfahren wie das Rapid Manufacturing können helfen, Custom Engineering und Geschwindigkeit bei der Produktentwicklung zu verbinden.

Bild: Festo AG & Co. KG

Die in den 1980-er Jahren in den USA entwickelte Technologie des Rapid Manufacturing wird heute vorwiegend in der Entwicklung von Prototypen eingesetzt. Das auch ‚Generative Fertigung‘ genannte Schichtbauverfahren gestattet durch den direkten Zugriff auf CAD-Daten hohe Kosten- und Zeitersparnisse im Entwicklungsprozess. Doch was einst mit reinen Konzeptmodellen für die Entwickler – über Funktionsprototypen für Tests – anfing, ist mittlerweile auch bei der Kleinserienfertigung angekommen. So auch bei der Festo AG & Co. KG. Der Anbieter für Fabrik- und Prozessautomatisierung hat über 15 Jahre praktische Erfahrung im Additive Manufacturing gesammelt, mehr als 50.000 Teile wurden seither so gefertigt.

Für die Generativen Verfahren ist bei Festo Klaus Müller-Lohmeier, Leiter Advanced Prototyping Technology, verantwortlich. Er leitet unter anderem die vierköpfige Gruppe im Bereich Schichtbauverfahren und kennt sich mit den Herausforderungen und Chancen dieser Fertigungstechnik aus. Dabei verlangt es einiges an Prozess-Know-how, um bei diesen Technologien zu optimalen Ergebnissen zu kommen. Welches Tempo und welch hohe Flexibilität der Einsatz dieser modernen Technologie für Entwicklung und Fertigung bringen kann, dessen sind sich derzeit nur wenige Unternehmen bewusst.

Mit dem Unternehmenskonzept Fast Factory setzt der Automatisierungsanbieter bereits heute Akzente im Bereich der generativen Fertigungsverfahren. Dahinter steht nicht nur eine Technologie, sondern eine ganze Philosophie, die die schnelle, werkzeuglose physische Realisierung von Ideen und Lösungsalternativen, vom Einzelteil bis zum Lösungskonzept umfasst. Der Ansatz bildet die technologische Basis für die Umsetzung von virtuellen Lösungen in physisch-reale Körper. Die verwendete Additive-Manufacturing-Technologie kommt dabei vor allem dem Erstellen von Teilen etwa für das Prototyping in kürzester Zeit zugute. Die Fertigung erfolgt direkt aus vorhandenen CAD-Daten, ohne Umwege über Werkzeuge oder Werkstücke. Damit ergibt sich ein hohes Einsparungspotenzial, denn die ‚Time-to-market‘ wird erheblich reduziert. Vom Einsatz der Technologie profitieren neben Forschung und Entwicklung auch der Vertrieb und das ‚Bionic Learning Network‘ des Unternehmens.

Im Schnelldurchlauf vom CAD-Modell zum Produkt

Bei der Generativen Fertigung liegt der Werkstoff zu Anfang in Pulverform vor und wird im Produktionsprozess in dünnen Schichten auf eine Bauplattform aufgetragen. Jede Schicht wird mit der darunterliegenden über einen Laser verschmolzen und nur dort ausgehärtet, wo es das Steuerungsprogramm vorgibt. In Hohlräumen wird das Pulver nicht ausgehärtet und kann später wieder entfernt werden. Neben Prototypen werden erste Kleinserien aus Kunststoff-Teilen werden bereits im Schichtbauverfahren hergestellt. Dabei ist das Verfahren nicht auf Kunststoffe beschränkt: In nicht allzu ferner Zukunft wird auch die Herstellung von Metallteilen möglich. Die Fertigung durch Laser-Sintern funktioniert auch dabei nur in einem 3-D-Modell. In einer weitgehend digitalen Prozesskette entsteht aus dem CAD-Modell in kürzester Zeit das fertige Bauteil – Schicht für Schicht. Somit ist auch ein individuelles 3D-Drucken von komplexen Produkten gewährleistet.

Lastersintermaschine im Einsatz û auf Basis von CAD-Daten entsteht Schicht für Schicht das fertige Bauteil, ohne dass Zwischenschritte über Werkzeuge nötig werden. Bild: Festo AG & Co. KG

Time-to-market – schneller und wirtschaftlicher ans Ziel

„Wenn man heutzutage als Lösungspartner der Kunden erfolgreich agieren will, ist die Interaktion mit dem Kunden von Anfang an von großer Bedeutung“, erklärt Müller-Lohmeier. Ständige Interaktion beim Engineering ermöglicht eine rasche Lösungsfindung und stimmt die Kundenwünsche bestmöglich mit dem Engineering des Herstellers ab. So entstandene Lösungen können demzufolge rasch bereitgestellt werden, die frühzeitigere Entwicklungssicherheit unterstützt die Reduzierung der ‚Time-to-market‘. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Geometrie-Prototyp als hervorragende ‚Spielwiese für Änderungen‘ dienen. Unternehmen und Hersteller können am Objekt diskutieren, es erproben, anpassen und testen.

Darüber hinaus ist die Bereitstellung von normalerweise werkzeuggebundenen Prototyp-Teilen im Neuheitenentstehungsprozess in Tagen und Wochen anstatt in Monaten und Quartalen möglich. Außerdem verhilft den Entwicklern ein rechtzeitiges Feedback aus Funktionstests, zielsicher konstruieren zu können. Die frühzeitigen Testergebnisse senken wiederum die ‚Time-to-market‘. Zudem steigt die Effizienz des Entwicklungsprozesses: Kunststoffpulver, das im Fertigungsprozess unversintert bleibt, kann weitgehend recycelt und in einem späteren Prozess wieder verwendet werden. Da bei der generativen Fertigung die Werkzeugkosten entfallen, sinken abhängig von Stückzahl und geometrischer Komplexität die Herstellungskosten, auch die Folgekosten für Hilfsmittel und Vorrichtungen werden reduziert. Demzufolge ermöglichen die Rapid Technologien eine weitgehend ressourceneffiziente und damit wirtschaftliche Fertigung, die neben dem Einsat etwa im Prototyping auch in der Automatisierungstechnik zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Neue Perspektiven für das Engineering

Durch den Einsatz der Rapid Technologien im Neuheitenentstehungsprozess sind Prototypen und Musterteile nicht nur kostengünstig und schnell herstellbar, sondern die so gefertigten Teil verfügen zudem bereits über die technischen und werkstoffspezifischen Eigenschaften der Endprodukte. Erst durch die Nutzung der modernen Technologie der generativen Fertigung sind die besonderen Fertigungsvoraussetzungen für die Herstellung individueller Teile gegeben. In sehr kleinen Stückzahlen, für Muster oder für Prototypenwerkzeuge etwa, ist das Verfahren hervorragend geeignet. Je größer die Stückzahlen jedoch werden, desto wirtschaftlicher wird der konventionelle Weg sein. Nichtsdestotrotz werden Generative Technologien in Zukunft in in immer mehr Unternehmen die konventionellen Fertigungsverfahren sinnvoll ergänzen. Denn die schnelle Umsetzung virtueller Modelle in anfassbare Produkte bringt Vorteile für für alle Beteiligten innerhalb der Wertschöpfungskette. Das legt die Basis für einen Paradigmenwechsel weg vom fertigungsgesteuerten Konstruieren.





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