Die Volatilität des Strompreises nimmt durch den Ausbau erneuerbarer Energien stetig zu. Kleine und mittlere Unternehmen des produzierenden Gewerbes können sich diese Schwankungen durch gezielte Lastführung zu Nutze machen und Energiekosten sparen. Zur Hebung dieses Potenzials müssen sie Messzähler zur registrierten Leistungsmessung nutzen und Strom zu möglichst börsennahen Preisen beziehen.
Bild: Andy Ilmberger / Fotolia
Produzierende kleine und mittlere Unternehmen sehen sich laut BDEW-Strompreisanalyse vom Januar 2016 stetig steigenden Energiekosten gegenüber. Der Anteil der Energiekosten eines KMU der metallverarbeitenden Industrie beläuft sich bereits auf 1,10 bis 4,37 Prozent des Gesamtumsatzes. Bei durchschnittlichen Gewinnmargen von rund 7 Prozent stellen die Energiekosten somit einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar. Viele Ansätze der Energiekostenreduktion befassen sich bereits mit der Steigerung der Energieeffizienz, wobei die Anpassung des Strombezugs ein bisher weitgehend ungenutztes Potential bietet. So haben die Liberalisierung des Strommarktes und der Ausbau der erneuerbaren Energien zur Folge, dass ein erheblicher Anstieg der Preisschwankungen an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig zu beobachten ist. Aufgrund der wetterbeeinflussten Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen entsteht ein regelmäßiges Überangebot an Energiemengen, welche nicht vom Markt abgefangen werden können und entsprechend zu einer spontanen Senkung des Strompreises führen. Zur Darstellung der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation eignet sich der Spotmarkt, an dem einen Tag vor Verbrauch viertelstündlich Strommengen bezogen werden können. Dem gegenüber steht der Terminmarkt, an dem Strommengen für zukünftige Perioden gehandelt werden. Unternehmen könnten durch eine gezielte Konzentrierung des Strombezugs auf preisgünstige Perioden eine signifikante Senkung der eigenen Energiekosten erzielen. Der Mangel an Technologien zur verlustfreien und investitionsarmen Energiespeicherung erfordert hingegen, dass Unternehmen ihr Stromverbrauchsverhalten anpassen.
Produktion steuern
Eine Umsetzungsmöglichkeit ist die Integration des Kostenfaktors Energie in die Produktionsplanung und -steuerung (PPS). Bisherige Ansätze der PPS zur gezielten Lastführung konzentrieren sich auf die kurzfristige Steuerung der Produktion, wobei der Handlungsspielraum durch den Kundenbedarf stark eingegrenzt wird und das Volatilitätspotenzial nur bedingt genutzt werden kann. In dem gemeinsamen Forschungsprojekt ‚Lagerbestand als Energiespeicher‘ des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH) und des Instituts für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) wird in diesem Zusammenhang die gezielte Nutzung von Lagerbestand als Speicher von im Produktionsprozess umgesetzter Energie erforscht. Diese Lagerung soll der zeitlichen und mengenmäßigen Entkopplung der Produktion vom Kundenbedarf dienen, wodurch das Produktionsprogramm entsprechend der Energiepreise optimal ausgelegt und folglich die Energiekosteneinsparungen gesteigert werden können. Die zu entwickelnde Methode soll einen Anreiz für KMUs schaffen auf einen dynamischen Stromeinkauf umzustellen und so die Vorteile der Strompreisschwankungen zu nutzen. Zur Hebung des Potentials müssen KMU hingegen Strom zu möglichst börsennahen Preisen beziehen können.
Spezifische Lastmodifikationen, welche entsprechend der geltenden Marktsituation vorgenommen werden, können nur dann in flexiblen Tarifen abgebildet werden, wenn der unternehmensspezifische Stromverbrauch fortlaufend, in Form einer registrierten Leistungsmessung (RLM), aufgenommen wird. Die bilanzielle Abbildung von nicht RLM-fähigen Endkunden erfolgt bisher auf Grundlage von standardisierten Lastprofilen (SLP), welche eine spezifische Lastverteilung gemäß des allgemein beobachteten Verbrauchsverhaltens annimmt. Insbesondere bei kleineren Unternehmen mit Jahresverbrauchsmengen unter 100.000 Kilowattstunde bot sich die Nutzung von SLP an, da der Aufwand des Betriebs von viertelstündigen registrierten Leistungsmessungen als zu hoch angenommen wurde. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende Anfang September 2016 soll bis spätestens Ende 2032 jeder Endverbraucher mit einem RLM-fähigen Smart Meter ausgestattet sein. Die Bundesregierung rechtfertigt den Aufwand der Umstellung und des Betriebs mit den einhergehenden Potenzialen einer gezielten Leistungsmessung zur Lastganganpassung. Laut der Gesetzesbestimmung des Bundesgesetzblatts Jahrgang 2016 Teil I Nr. 43 müssen Smart Meter unter Anderem eine zuverlässige Erhebung, Verarbeitung, Übermittlung, Protokollierung, Speicherung und Löschung von aus Messeinrichtungen stammenden Messwerten gewährleisten und eine Visualisierung des Verbraucherverhaltens des Letztverbrauchers ermöglichen. Diese Mindestanforderungen sind essenziell für die Gestaltung von flexiblen Tarifen zur Nutzung von Strompreisschwankungen zur Energiekosteneinsparung. Als Alternative zum klassischen Festpreistarif hat sich der Hoch- und Niedertarifplan etabliert. Durch die Begünstigung von Strompreisen zu festgelegten Zeiten, in denen für gewöhnlich die Nachfrage sinkt, schafft das Modell einen Anreiz zur gezielten Lastverschiebung. Seit der Einführung dieses Tarifmodells hat sich jedoch der deutsche Kraftwerkspark entscheidend verändert. Schon der Einsatz von Photovoltaik-Anlagen beeinflusst die Angebotsfunktion gegenläufig zu den Grundannahmen des Hoch- und Niedertarifmodells. Demnach nimmt die Energieverfügbarkeit insbesondere zu sonnenstarken Mittagszeiten enorm zu und fällt zu nächtlichen Stunden drastisch ab. Die Preise an der Strombörse werden davon stark beeinflusst, wodurch eine klassische Einteilung in Hoch- und Niedertarifzeiten nicht mehr sinnvoll ist.
Der Verlauf des durchschnittlichen Tagesstrompreises des deutsch-österreichischen Spotmarkts in 2015 zeigt beispielhaft die beschriebenen Ungleichgewichte der Angebots- und Nachfragesituation durch prägnante kurzfristige und saisonale Schwankungen. Bild: Epex DE/AT 2016
Optimaler Einkauf
Das Potential der beobachteten Strompreisschwankungen lässt sich somit nicht durch einen Hoch- und Niedertarifplan voll ausschöpfen. Ein optimaler Stromeinkauf zur Nutzung der Volatilitätspotenziale der Strombörse ließe sich grundsätzlich durch den direkten Bezug der Energie an der Strombörse, ohne einen Stromanbieter, verwirklichen. Jedoch ist dies für KMUs aufgrund des hohen Aufwands der Selbstverwaltung des täglichen Stromeinkaufs bisher nicht profitabel. Auch eine individuelle Strombeschaffung durch einen Stromanbieter wird aufgrund des möglichen konventionellen Einsparpotenzials im Vergleich zu dem Verwaltungsaufwand erst ab einer Jahresverbrauchsmenge von über 20 Gigawattstunden sinnvoll. Eine Möglichkeit zur Rechtfertigung des Aufwands ist die Bündelung des Bedarfs mehrerer mittelständischer Unternehmen. Klassische Energie-Einkaufsgemeinschaften nutzen bereits dieses Prinzip, um durch die gemeinsame Ausschreibung von Verbrauchsmengen die besten Energiepreise von Stromanbietern und Netzbetreibern zu erhalten. Konträr zu den Zielen des dynamischen Stromeinkaufs wird in klassischen Energie-Einkaufsgemeinschaften der erwartete Stromverbrauch der Mitgliedsunternehmen nur geringfügig über den Spotmarkt gedeckt, da die Mengen zum größten Teil bereits für die kommenden zwei Jahre am Terminmarkt gesichert werden. Ein alternativer Ansatz einer Energie-Einkaufsgemeinschaft ist der spotmarktbezogene Einkauf von Energie durch den Stromanbieter für eine zusammengestellte Einkaufsgemeinschaft. Auf Basis dessen ließe sich eine direkte Tarifgestaltung anhand der am Markt erwirtschafteten Strompreise erstellen, während der Verwaltungsaufwand verringert und ein Ausgleich von unplanmäßigen Lastabweichungen durch den Verbrauch anderer Mitgliedsunternehmen der Energie-Einkaufsgemeinschaft ermöglicht wird. Die vollen Potentiale einer optimalen Energie-Einkaufsgemeinschaft können bislang noch nicht genutzt werden, da der Informationsfluss zwischen Energieversorgern und -abnehmern in der Regel sporadisch ist. Der Stromeinkauf hat in dem Bewusstsein vieler Unternehmer immer noch keine hohe Priorität, da der Verbrauch auch ohne großen Aufwand jederzeit gedeckt wird. Dabei sollte klar werden, dass es wichtig ist, Energieversorger als Teil der Supply Chain zu verstehen. Ließe sich eine robuste Planung des Stromverbrauchs durch die gezielte Lastführung mittels einer Methode der PPS entsprechend der Angebotssituation erstellen und kommunizieren, könnten Energieversorger den Strom bedarfsgerecht beziehen. Dies würde es ermöglichen den Energieprozess entlang der gesamten Lieferkette profitabler gestalten zu können.
Förderhinweis
Das IGF-Vorhaben 19073 N der Forschungsvereinigung IUTA e.V. wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Autoren:Denise Schweers, Dr.-Ing. Malte Stonis und Professor Dr.-Ing. habil. Peter Nyhuis sind am Institut für Integrierte Produktion Hannover gGmbH (IPH) tätig.
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