Usability im Fokus

Aktuelle Software-Systeme nähern sich im Hinblick auf ihren Funktionsumfang mehr und mehr einander an. Damit gewinnt für den Anwender die ‚Usability‘ an Bedeutung. Denn Systeme, die sich schnell erlernen und ohne lange Handbuchlektüre bedienen lassen, versprechen Effizienzvorteile. Ein aktuelles Forschungsprojekt nimmt diesen Aspekt des Software-Einsatzes unter die Lupe.

Bild: Fotolia/Gina Sanders

Informations- und Kommunikationstechnologien sowie betriebliche Anwendungssoftware haben über die letzten Jahrzehnte durch ihre stetige Weiterentwicklung einen Durchdringungsgrad erreicht, der auch das Arbeitsumfeld und die Arbeitsabläufe auch in produzierenden Unternehmen nachhaltig geprägt hat. Usability wurde in der Vergangenheit häufig mit dem Aufdecken und Bekämpfen von Bedienproblemen assoziiert und trägt damit die negative Konnotation eines ‚Hygienefaktors‘. Dies zeigt sich unter anderem auch darin, dass Usability meistens anhand von Negativbeispielen erklärt wird.

Hierbei gerät häufig die Aussicht auf Wettbewerbsvorteile und Produktivitätssteigerungen in den Hintergrund. Betriebliche Standardsoftware wie Customer Relationship Management-Systeme (CRM) verfügen mittlerweile über einen hohen Reifegrad und die Systeme gleichen sich hinsichtlich des Funktionsumfangs immer weiter aneinander an. Auf der Seite der Anbieter von CRM-Systemen liegt die Verbesserung der Usability immer mehr im Fokus, da hierdurch die Möglichkeit zur Differenzierung zu anderen Anbietern besteht. Für produzierende Unternehmen ergeben sich durch die Einbeziehung von Usability-Kriterien in die Auswahl und Anpassung von CRM-Systemen Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung, die jedoch noch immer selten genutzt werden.

Bei der Systemauswahl wenden kleinere und mittlere Unternehmen die Kriterien, Ansätze und Methoden des Usability Engineerings allerdings teilweise gar nicht oder nur sporadisch an. Die wesentlichen Gründe hierfür sind zum Einen das fehlende Bewusstsein für die Kosten-Nutzen-Vorteile von einfacher Software-Anwendung. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Fachliteratur und Standards nicht auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Hinzu kommt vielfach die Zurückhaltung angesichts der zu erwartenden Kosten für Usability-Auswertungen sowie die Verfügbarkeit von Fachpersonal mit entsprechendem Know-how. Dieser Problemstellung widmet sich das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Projekt ‚Usability Inside‘.

Das Fraunhofer IAO erarbeitet im Projekt zusammen mit dem Branchenverband BITMI, der CAS Software AG sowie weiteren assoziierten Partnern Dienstleistungen, Arbeitshilfen und Vorgehensmodelle. Hierbei werden alle Phasen von der Entwicklung über die Auswahl und Anpassung bis hin zum Betrieb entsprechender Systeme betrachtet. Es ist geplant, im Rahmen des Projekts bis zum Jahr 2013 ein Kompetenzzentrum zu gründen, das kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch Beratung und die Bereitstellung von Arbeitshilfen unterstützt. Mit dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Verankerung von Usability in Softwareentwicklungs- und Auswahlprozessen, konzentriert sich das Projekt auf Ergebnisse und Aktivitäten in vier wesentlichen Arbeits- und Forschungsbereichen.

1. Sensibilisierung und Motivation

Usability und verwandte Begriffe werden bekannt gemacht und ihre Bedeutung für den Erfolg von Softwareprodukten aufgezeigt. Durch konkrete Nutzendarstellung und Transparenz bezüglich der Qualitätskriterien und deren Erfüllung bei aktuellen Produkten sollen insbesondere KMU zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Usability motiviert werden.

2. Passgenaue Methoden

Auf Basis einer Kontext- und Bedarfsanalyse bei verschiedenen Hersteller- und Anwenderbetrieben werden spezifische Usability-Kriterien und Vorgehensweisen für Entwicklung, Anpassung, Auswahl, und Betrieb entwickelt. Hierzu werden etablierte Ansätze nutzerzentrierter Prozesse – wie die ISO 9241-210 ‚Human Centred Design‘ – und Methoden für die Praxis im Mittelstand anpasst. Insbesondere wird es dabei auf hohe Flexibilität sowie Kosten- und Zeiteffizienz ankommen.

3. Know-How Transfer

Allgemein verständliche und attraktive Informationsmaterialen sollen erstellt und online verfügbar gemacht werden, um grundlegende Begriffe, Zusammenhänge und Methodenkenntnisse anschaulich zu vermitteln. Darüber hinaus zielen Informationsveranstaltungen, Seminare sowie Schulungs- und Coachingangebote auf die Vertiefung der Kompetenzen bei KMU und deren Dienstleistern.

4. Hilfestellung für Projekte

Um den Einsatz von Usability Engineering in der Praxis zu fördern, werden Hilfestellungen entwickelt, die auf die spezifischen Bedürfnisse von KMU zugeschnitten sind. Darüber hinaus bieten eigens entwickelte Arbeitshilfen und Coaching-Angebote eine Hilfe zur Selbsthilfe bei der Planung, Durchführung und Auswertung der Usability-Maßnahmen. Zusätzlich setzt das Projekt auf eine intensive Beteiligung von KMU in allen Phasen, um eine maximale Praxistauglichkeit der Ergebnisse zu sichern.

Die Maßnahmen sind so ausgerichtet, dass ein Nutzen für möglichst viele Unternehmen, die betriebliche Anwendungssoftware wie CRM-Systeme nutzen oder entwickeln, erzielt wird. Im Rahmen der Analyse, Entwicklung und Erprobung werden Unternehmen aus zwei Anwendungsfeldern intensiv beteiligt: CRM und Dokumenten-Management-Systeme (DMS). Durch die gleichzeitige Betrachtung dieser komplementären Felder kann evaluiert werden, welche Ergebnisse generalisiert werden können und welche Aspekte fallspezifisch betrachtet werden müssen.

Ende des Jahres 2013 ist dann die Gründung des Kompetenzzentrums ‚Usability im Mittelstand‘ geplant, das sich als Anlaufstelle und Netzwerk-Plattform rund um das Thema Usability von betrieblicher Anwendersoftware im Mittelstand etablieren soll. Inhaltlich speist sich das Kompetenzzentrum vor allem aus den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu passgenauen Vorgehensmodellen und Methoden sowie Arbeitshilfen und Dienstleistungen. Die Angebote des Kompetenzzentrums für KMU und deren Dienstleister umfassen dabei sowohl eine Online-Plattform als auch Veranstaltungen.





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