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Technische Dokumentation per Knopfdruck

Wo früher Dampf aus Lokomotiven in die Luft stieg, sind es heute große Mengen an Daten. Züge sind schon längst mit zahlreichen digitalen Systemen ausgestattet, die den Betrieb erleichtern oder Passagieren mehr Komfort bieten. Das macht die Produktion der Lokomotiven hochkomplex und genauso die Technische Dokumentation. Nun hat es Siemens Mobility Locomotives mit einer Software geschafft, quasi auf Knopfdruck individuelle Bedienungsanleitungen zu erstellen.

Technische Dokumentation bei Siemens Mobility
Bild: Siemens AG

Bereits 1879 präsentierte Werner Siemens auf der Berliner Gewerbeausstellung die erste elektrische Lokomotive. 1881 wurde die von Siemens gebaute erste elektrische Straßenbahn in Berlin-Lichterfelde eröffnet. Aus diesen Anfängen kristallisierte sich ein selbstständiger Geschäftsbereich heraus. Seit Oktober 2014 heißt diese Division bei Siemens ‘Mobility’. Sie vereint die einstigen Divisionen Mobility and Logistics, Rail Systems sowie die Business Unit Rail Electrification. Im Produktportfolio der Mobility finden sich Lokomotiven für nahezu alle Anwendungsbereiche im Bahnwesen. Aus einer Lokomotive sind so mittlerweile zig Varianten geworden – mit unterschiedlichen Spannungssystemen, Spurweiten und vielem mehr. Siemens AG hat für ihr Zugpferd Vectron deshalb ein modulares Baukastenkonzept entwickelt, um die weltweit unterschiedlichen Anforderungen an Lokomotiven möglichst effizient umsetzen zu können. Mit dieser Variantenvielfalt geht es dem großen Konzern wie vielen exportorientierten Maschinenbauern: Da jede Maschine oder Anlage nur zusammen mit einer Technischen Dokumentation ausgeliefert werden darf, muss die Dokumentationsabteilung für jede Maschinenvariante die technische Dokumentation erstellen, möglichst ohne Lieferfristen zu verlängern. Die Dokumentationsabteilung für Lokomotiven bei Siemens befasste sich seit einiger Zeit mit der Einführung eines Redaktionssystems, dass diese Aufgabe weitgehend automatisch erledigen sollte.

Hohe Anforderungen

Tobias Zieringer, Projektverantwortlicher für Kundendokumentation in der Dokumentationsabteilung für Lokomotiven bei Siemens, sagt dazu: „Schienenfahrzeuge haben durchaus komplexe Anforderungen an die Dokumentation. Neben zahlreichen Normen und Richtlinien gibt es auch noch viele interne Festlegungen zu berücksichtigen. Verständlicherweise möchten auch unsere Kunden immer noch ihre individuelle Note mit einbringen.“

Die Anforderungen an die Dokumentation leiteten sich dabei von den Markt- und Produktionsbedingungen von Lokomotiven ab:

  • Von der Bestellung einer Lokomotive bis zu deren Auslieferung vergehen im Schnitt sechs Monate. In diesem Zeitrahmen muss auch die Dokumentation ‘just in time’ erstellt werden
  • Da es derzeit etwa 20 Varianten des Modells Vectron gibt, muss auch die Dokumentation entsprechend modular aufgebaut sein.
  • Die Technische Dokumentation wird in 14 Sprachen benötigt – es braucht eine schnelle Übersetzung und eine Schnittstelle zum Redaktionssystem.
  • Die hohe Lebensdauer einer Lokomotive von rund 30 Jahren verlangt eine vollständige Dokumentation. Dazu gehören neben dem Lokführerhandbuch auch Dokumente zur Instandhaltung, Instandsetzung und Revision, Anleitungen für Notfall und Bergung sowie den Service.

Die komplette Dokumentation wird im Extremfall für die Stückzahl 1 benötigt, entsprechend hoch ist der Kostendruck. Die Wahl fiel schließlich auf das Redaktionssystem Cosima go! der Docufy GmbH.

Ein Klassifikationskonzept für Lokomotiven

Ein zentraler Bestandteil der Lösung war deren Publikationskonfigurator. Dieser dient auf Basis eines Klassifikationsschemas der automatisierten Zusammenstellung von Dokumentationen. Als Klassifikationskonzept griff der Hersteller auf die PI-Klassifikation von Professor Wolfgang Ziegler zurück. Ziegler leitet das Steinbeis Transferzentrums I4ICM und ist Professor für Informations- und Content-Management an der Hochschule Karlsruhe. Dessen PI-Klassifikationsmodell ist eine Methode für die modulare Erfassung von Informationen. Jede Information wird klassifiziert und in einer XML-Datenbank abgespeichert. Damit ist sie quasi eindeutig beschriftet und jederzeit abrufbar. Informationen sind nicht nur Textbausteine, sondern auch Illustrationen aus 3D-Modellen, Sicherheitshinweise und Videos. Die Methodik ist unabhängig vom eingesetzten Tool und damit auch leicht auf unterschiedliche Content-Management-Systeme übertragbar.

Gerüstet für die Zukunft

Trotz hohem Aufwand beim Erfassen und Klassifizieren der Informationen vergingen vom Projektstart bis zum go live nur neun Monate. Zieringer fasst zusammen: „Die große Herausforderung bei solch einem Projekt besteht darin, die Klassifikationen zukunftsfähig aufzubauen. Wenn die Grundsatzarbeit einmal erledigt ist, ist die Erweiterung des Systems ein Kinderspiel.” Jetzt erstellt der Lok-Hersteller seine Dokumentationen quasi auf Knopfdruck und hat die Komplexität einer Produktion in Losgröße 1 zumindest für diese Aufgabe vollkommen im Griff. Die Zauberformel hießt in diesem Fall schlichtweg ‘standardisiert, modular und digital’.