Rüstzeitoptimierung durch Artikelklassifizierung

Die Minimierung der Rüstzeiten in der Produktion ist ein komplexes Thema. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, einfach und schnell geringe Rüstzeiten zu erzielen: die Artikelklassifizierung. An einigen Anlagen lässt sich mit dieser Methode allein durch die geschickte Kombination der Fertigungsreihenfolge eine Halbierung der Rüstzeiten realisieren.

Bild: FLS

Für die Optimierung der Rüstzeiten werden bislang in der Regel Matrizen aufgestellt, in der jeder Artikel als Vorgänger und als Nachfolger jedes anderen auftaucht. Bei beispielsweise 100 Artikeln umfasst eine solche Matrix 100 x 100, also 10.000 Zellen. Der Zahlenwert in jeder Zelle repräsentiert, wie viel Aufwand der Wechsel von einem Artikel auf einen anderen kostet. Das erste Füllen der Rüstzeitmatrix ist meist mit sehr hohem Aufwand verbunden. Auch später ist der Pflegeaufwand hoch, denn schon nach relativ kurzer Zeit kann kaum noch nachvollzogen werden, wie die einzelnen Werte zustande gekommen sind. Der Grund hierfür ist, dass die Rüstzeiten in der Regel von mehreren Faktoren abhängen, die in den Rüstzeit-Matrizen in einem einzigen Zahlenwert zusammengefasst werden.

Klassifizierung per Merkmal: Nur die Ursache zählt

Der Software-Anbieter FLS nutzt daher für die Rüstzeitoptimierung in seinem Fertigungsplanungssystem Fekor einen grundlegend anderen Ansatz – die Artikelklassifizierung. Hierbei arbeitet das Unternehmen mit Artikelmerkmalen, die in Abhängigkeit von dem jeweiligen Vorgang individuell angelegt werden. Der Kerngedanke ist dabei immer, die eigentlichen Ursachen für das Entstehen einer Rüstzeit herauszuarbeiten, denn die Gesamtzeit für das Rüsten setzt sich ja aus mehreren Anteilen zusammen. Deshalb müssen beim Wechsel zwischen Artikeln beispielsweise die Zeiten für den Umbau der Maschinen, das Reinigen oder auch das Aufheizen auf eine andere Verarbeitungstemperatur getrennt voneinander betrachtet werden.

Diese Ursachen bildet der Software-Anbieter über so genannte Merkmale ab. Solche Merkmale können zum Beispiel das Material, seine Farbe oder auch die Form der Verpackung sein. Die Zeiten für den Wechsel von einem Merkmalswert zu einem anderen werden in eine Merkmalsliste eingetragen. Hier ist beispielsweise gespeichert, dass der Wechsel des Materials von A nach B oder C fünf Minuten dauert. Für das Merkmal ‚Farbstufe‘ wird etwa eingetragen, dass der Aufwand für den Wechsel von hellem Material zu dunklem acht Minuten beansprucht, der von dunklem zu hellem jedoch zwanzig. Wichtige Merkmale in einer Extrusionsanlage sind oft die Masse – beispielweise PVC oder Polyethylen, die Farbe oder das Temperaturprofil bei der Verarbeitung. In der Schokoladenindustrie werden hingegen Merkmale wie ‚Tafelfarbe‘ – mit den Ausprägungen ‚weiß‘ oder ’nicht weiß‘, ‚Tafelmasse‘ – beispielsweise ‚Vollmilch‘, ‚Bitter‘, ‚Nuss‘ – oder zur Beschreibung der Packungsgröße das ‚Format‘ verwendet.

Für jede Fertigungsstufe können beliebige und beliebig viele Merkmale gebildet werden, die auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten sind. Meist reichen etwa zwei bis fünf solcher Beschreibungen aus. Merkmalslisten werden typischerweise für eine bestimmte Fertigungsstufe und dort für alle betroffenen Artikel gebildet. Auf diese Weise müssen nicht Hunderte und Tausende einzelner Artikelkombinationen bewertet werden, sondern für jeden Artikel werden nur einmal die Werte aus den entsprechenden Merkmallisten ausgewählt und festgelegt.

Änderungen im Betrieb schnell abbilden

Verkürzt sich der Zeitbedarf für das Rüsten – zum Beispiel durch Verwenden einer Schnellspanneinrichtung – wird lediglich die Zeit für dieses Merkmal angepasst. Alle übrigen Zeiten bei anderen Merkmalen bleiben unverändert. Die Änderung gilt dann sofort für alle Artikel, die diese Prozessstufe durchlaufen – ohne dass jeder einzelne Artikel angepasst werden muss. Die weitere Pflege beschränkt sich darauf, bei neuen Artikeln die zugehörigen Merkmalswerte auszuwählen. Der Aufwand, alle Kombinationen mit anderen Artikeln zu durchdenken und festzulegen, entfällt. Dies sind zwei wesentliche Gründe, warum die Arbeit mit der Artikelklassifizierung deutlich schneller, einfacher und transparenter funktionieren kann als die mit Rüstzeitmatrizen.

Sind die Artikel einmal klassifiziert, überlässt der Anwender es dem System, die unterschiedlichen Kombinationen durchzurechnen und zu entscheiden, welche das Optimum darstellt – ein klassisches Beispiel dafür, dass vorhandene Expertise einmal in einem System verankert und die monotone Rechenarbeit dann dem Computer überlassen wird. Auf diese Weise gewinnen die Mitarbeiter Zeit, um sich darauf zu konzentrieren, wichtige Entscheidungen zu treffen oder sie vorzubereiten, zum Beispiel mit Lieferanten über Teilmengenlieferungen zu sprechen oder bei Engpässen gezielt Zusatzschichten oder Überstunden zu vereinbaren.







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