Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelindustrie

Den Verfall im Auge behalten

Dokumentationsvorschriften und Rationalisierungsdruck stellen die prozessverarbeitende Industrie vor besondere Herausforderungen: Damit Lebensmittelproduzenten Lagerware rechtzeitig verkaufen können, muss neben der Mindesthaltbarkeit auch die Restlaufzeit berücksichtigt werden. Und um transparent zu machen, woher Chips, Pasta und Schnitzel eigentlich stammen, ist ein Herkunftsnachweis erforderlich. In der Prozessindustrie spielt neben der Chargenrückverfolgbarkeit bei der Massenserialisierung heute ein Track&Trace zum Kunden hin eine entscheidende Rolle.



Bild: Loacker AG

Sowohl für den Vertrieb als auch für die Produktion von Lebensmitteln ist es wichtig zu wissen, welche Fertigwaren mit welchem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) noch am Lager sind. Denn über die Bestände, Kunden- und Fertigungsaufträge sowie Marktprognosen werden Absatz- und Produktionsplanung ausgesteuert. Zwar sind in Warenwirtschaftssystemen Lagerbestand und Bedarfe für die Planung transparent nachvollziehbar, wie sich in der Praxis jedoch zeigt, nimmt der Handel Lebensmittelchargen mit einem MHD von unter sechs Monaten kaum noch ab. Um zu vermeiden, dass Waren mit weniger als einem halben Jahr Haltbarkeit unter Umständen vernichtet werden müssen, ist es wichtig, die Restlaufzeit im Blick zu haben. „In Foodsprint können wir im Dispolauf neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum auch die Restlaufzeit mit berücksichtigen“, sagt Holger Behrens, Vorstand von SAP Channel Partner Cormeta AG. Pflegt der Anwender parallel bei dem Haltbarkeitsdatum die Restlaufzeit ins System mit ein, sorgt ein Dispoelement in der Software dafür, dass diese bei den turnusmäßigen Prüfläufen sichtbar wird. Das Prinzip ist so einfach wie wirksam: Wird im Prüflauf (MRP Materialbedarfsplanung) eine Charge mit Restlaufzeit von beispielsweise sieben Monaten ermittelt, so wird dafür ein Warenausgang initiiert. Der Planer sieht dadurch genau, wann sich der Lagerbestand einer Charge verringert. Um der Planung die Übersicht zu erleichtern, werden die durch Abgänge komplett aufgebrauchten Chargen jedoch nicht mehr im Dispolauf angezeigt.

Vertrieb kann abverkaufen

Bei kritischer Restlaufzeit kann so der Vertrieb versuchen, den Bestand noch rechtzeitig zu verkaufen, etwa über Sonderaktionen. Auch die Produktion ist stets informiert und kann bei Bedarf rechtzeitig nachproduzieren. Hat eine Charge die Sechs-Monatsrestlaufzeit unterschritten, wird sie in der SAP-Branchensoftware unter Berücksichtigung der Bedarfsmengen ausgebucht und als ‚gesperrt‘ gekennzeichnet. Da die Restlaufzeit dispositiv wirksam ist, generiert die Software automatisch einen Produktionsauftrag.



Rechtzeitig verkaufen: Damit im Bestand das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht unbemerkt unter sechs Monate fällt, berücksichtigt die SAP-Branchenlösung Foodsprint jetzt die Restlaufzeit im Dispolauf.
Bild: Screen RLZ in FOODsprint AG

Konsument will Transparenz

Zunehmend relevant für Lebensmittelindustrie und Handel ist auch, dass die Käufer mehr Transparenz erwarten. Die Skandale der letzten Jahre haben viele Verbraucher verunsichert. Der Kunde im Supermarkt will wissen, woher die Rohstoffe für ein Produkt stammen, auf welchem Acker der Weizen für sein Toastbrot geerntet oder in welchem Stall das Schwein für sein Schnitzel gemästet wurde. „Der Verbraucher begnügt sich nicht länger mit der bloßen Angabe der Ingredienzien, er will künftig wissen, woher sein Sonntagsbraten und seine Kartoffeln und sein Rotkohl dazu wirklich stammen, von welchem Feld, aus welchem Stall und von welchem Schlachtbetrieb“, sagt Holger Behrens. Informationen sollen nun ebenso für die Endverbraucher verfügbar sein, die sich über die Chargenrückverfolgung in der SAP ERP-Anwendung vorhalten lassen, um beispielsweise Rückrufaktionen zu steuern. Mit dem ‚Herkunftsnachweis‘ in der Cormeta-Branchenlösung können Industrie und Handel die gewünschte Transparenz schaffen: Alle Daten zu den Rohstoffen und deren Herkunft sind jederzeit einseh- und nachverfolgbar. In Foodsprint werden Herkunftschargen im Wareneingang auf unterschiedliche Art erfasst: entweder über vom Hersteller bereitgestellte Daten oder wahlweise durch eine Wareneingangsprüfung der Lieferantenchargen. Die Software ordnet die Wareneingänge automatisch den Herkunftsdaten zu. Wird beispielsweise Schweinefleisch von einem Schlachtbetrieb bei einem Wurstproduzenten angeliefert, muss dieser auch die Informationen über die Herkunft der Schweine bereitstellen. Diese Lieferantencharge wird dann über den gesamten Produktionsprozess mitgeführt und durch Zuordnung eines Tracking-Codes quasi mit der Produktionscharge aus dem Fertigungsauftrag verheiratet.

 

Neue Deklarationsrichtlinien nach LMIV

Damit auch im Fernabsatz die Deklaration nicht vom Standard abweicht, greift seit Ende 2014 die EU-Verordnung 1169/2011. Hinter dem Kürzel verbergen sich die neuen Deklarationsrichtlinien laut Lebensmittelinformationsverordnung, kurz LMIV. Die damit verbundenen Dokumentationspflichten stellen Food-Produzenten wie auch Groß- und Einzelhandel vor erhebliche Herausforderungen. So ändern sich beispielsweise für alle im Fernabsatz gehandelten Lebensmittel wie auch Zwischenprodukte die Nährwertdeklaration oder die Anweisungen. Allergene etwa müssen künftig deutlich durch hervorgehobene Schrift gekennzeichnet sein, und zwar auch bei loser Ware. Foodsprint soll sicherstellen, dass die neuen Deklarationsrichtlinien eingehalten werden. Dafür sind jedoch einige Anpassungen im System erforderlich. Wer für die Rezepturentwicklung bereits die Anwendung SAP-Recipe-Management im Einsatz hat, tut sich meist zumindest mit der Nährwertkennzeichnung leichter: Die Nährwerte sind in der Rezepturentwicklung hinterlegt und gehen direkt an die Verpackungsentwickler weiter und später auf die Etiketten. Ob wie bisher vier oder acht Nährwerte anzugeben sind oder jetzt die Big Seven, wird im Enterprise-Resource-Planning-System entsprechend eingestellt.

Lebensmittel tracken

Der Tracking-Code führt – zum Beispiel als QR-Code auf die Verpackung gedruckt – bis zum Ursprungsproduzenten zurück. Über die neue Funktion in der Lösung lässt sich die Herkunft eindeutig nachvollziehen und tracken. Zum Beispiel Fleisch- und Wurstproduzenten, die eine solche Lösung nutzen, können mit dem QR-Code alle benötigten Informationen zur Verfügung stellen. Der Kunde scannt an der Fleisch- oder Wursttheke den Code auf der Schnitzel-, Hähnchen- oder Wurstpackung mit seinem Handy und kann beispielsweise über eine Online-Plattform mit den hinterlegten Fertigartikeln die Herkunft eindeutig ermitteln. „Das QR-Tracking ermöglicht die Nachverfolgung sämtlicher Food-Produkte, die beim Handel in den Regalen liegen. Lebensmittelhersteller, die unsere Branchenlösung einsetzen, bieten größtmögliche Transparenz und schaffen dadurch Vertrauen beim Handel und den Verbrauchern“, sagt der Cormeta-Vorstand. Ein aktuelles Thema aus der Pharmaindustrie ist die Packungsrückverfolgbarkeit bis hin zu den Apotheken und Endkunden. Dies betrifft auch teilweise Over-the-Counter-Artikel. Obwohl ein Track&Trace in der Massenserialisierung erst Ende 2018 von der EU in einem regulierten Markt gefordert wird, sollten die Hersteller schon heute danach schauen, wie sich dies in ihrer ERP-Software realisieren lässt. Denn gerade mittelständische Produzenten können sich oft nicht ausreichend gegen die Arzneimittelplagiate und Produktpiraterie zur Wehr setzen. Je früher sie das Track&Trace umsetzen, umso sicherer sind sie – und auch der Endverbraucher ist sicher, dass die Packung das Originalmedikament enthält und keine Fälschung. Mit einem Track&Trace in der Branchenlösung lässt sich beispielsweise via aufgedrucktem QR-Code jederzeit ein Produkt nachverfolgen bis hin zum Endverbraucher. „Wir empfehlen unseren mittelständischen Kunden, sich schon jetzt nach den notwendigen Prozessänderungen zu erkundigen, da diese nicht unerheblich ausfallen“, so Holger Behrens.