Die Fertigung von Anästhesiegeräten ist Maßarbeit fast alle werden in kundenspezifischen Versionen hergestellt. Doch in einem Punkt gleichen sie sich: Umfangreiche und ausführliche Tests sind Bestandteil des Fertigungsprozesses.
Bild: Drägerwerk AG & Co. KGaA
Der Franzose Ludovic Vieillemard (Bild oben) leitet bei Dräger die Einführung der Serienproduktion des Perseus A500. Quirlig führt er durch die Produktionshalle, in der in Lübeck seit März 2012 dieser Anästhesie-Arbeitsplatz produziert wird. „Für unser neues Anästhesiegerät ist der Unterschied zur menschlichen Lunge beim abschließenden Systemtest nicht sehr groß”, sagt Vieillemard. Der Startschuss für ein solch komplexes und individuelles Produkt fiel natürlich eher. „Wir planen die einzelnen Schritte von der Entwicklung bis zur Produktion in einem ‘Cross Functional Team’, kurz CFT“, erläutert der diplomierte Maschinenbauer, der vorher u.a. bei Renault gearbeitet hat, um gleich die Erklärung für CFT nachzuliefern: „In diesem Team kommen vom Produktmanagement über Service, Forschung und Entwicklung, Einkauf und Qualitätssicherung bis hin zur Produktion alle Projektleiter regelmäßig zusammen, um ihre Bedürfnisse einzubringen.”
Sechs sorgfältig definierte Meilensteine muss jedes Produkt passieren. Sie werden auch ‘Gates’ oder ‘Tore’ genannt. Nur die Produkte, die all diese Anforderungen erfüllen, durchlaufen schließlich auch das letzte Tor zum Versand − um auf Paletten in alle Welt verschickt zu werden. Nach dem dritten Gate verlässt ein Projekt das, was Vieillemard die ‘papierlastige Phase’ nennt. Beim Perseus A500 ist die letzte Phase dieses Prozesses erreicht: die Serienfertigung. „Zunächst produzieren wir den Teil des Anästhesiegeräts, der für alle späteren Varianten gleich ist”, erläutert Vieillemard und öffnet die Tür eines Klimaschranks. Darin altert gerade künstlich – bei Temperaturwechseln zwischen fünf und 55 Grad Celsius – die Mischereinheit; eine von zwei zentralen Baugruppen, aus denen das Anästhesiegerät besteht. Die zweite ist das Grundgerät.
Mehrere Tage Gerätebetrieb werden simuliert
Eine spezielle Wolle simuliert im Verlauf der Gerätetests das Verhalten der menschlichen Lunge. Bild: Drägerwerk AG & Co. KGaA
„Hier haben wir einen der teuersten Prüfplätze des gesamten Unternehmens”, sagt Vieillemard beim Schließen der Tür mit dem Sichtfenster. Erstmals in der Produktion von Anästhesiegeräten erweitert der Hersteller den klassischen Funktionstest um einen Stresstest der Komponenten. Der ist dem Systemtest des Produkts vorgelagert. „Das beschleunigt die Produktion und erhöht gleichzeitig die Qualität und Zuverlässigkeit”, sagt Vieillemard und zeichnet eine Art Badewanne auf einen Zettel. „Wenn etwas kaputtgehen sollte, dann am ehesten in den ersten Wochen. Danach ist lange Zeit Ruhe. Und erst nach Jahren störungsfreien Betriebs steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit von Komponenten wieder an.” Deswegen laufen an jeder Station ausgeklügelte Verfahren, in denen die erste kritische Betriebszeit wie im Zeitraffer getestet wird.
Die Geräte werden regelrecht gestresst: hohe Temperaturschwankungen, schroffe Wechsel von Betriebseinstellungen, häufiges Ein- und Ausschalten mit Spannungsspitzen und Dauerbetrieb. Das künstliche Altern ist ein komplexer Fertigungsprozess, der in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter perfektioniert wurde. Es reicht nicht aus, einfach die Temperatur zu erhöhen, damit die Tage proportional dazu schrumpfen. „Das wäre zu banal”, sagt Vieillemard und verweist auf die langen Versuchsreihen, die genau zu den Stressprofilen führen, mit denen sich die Betriebsdauer zuverlässig zusammenzieht. „Es sind ja nicht nur die hohen Temperaturgradienten in den Klimaschränken. Genauso wichtig ist die von uns entwickelte Software, mit der wir in vier Stunden und mehr als 200 Testzyklen gleich mehrere Tage eines normalen Gerätebetriebs simulieren können.”
Gefahrenquellen für den Endanwender ausschließen
Nach jedem Vorgang meldet sich das Modul mit einem spezifischen Code: ob alles in Ordnung ist, oder ein vorgesehener Wert nicht erreicht wurde. In diesem Fall „kühlen wir es auf 20 Grad Celsius herunter, untersuchen, woran es liegt, und beseitigen die Ursache − anschließend schicken wir es wieder auf unseren Hindernisparcours”, sagt Vieillemard. Rund 30 zeichnungsgebundene Teile weist die Mischereinheit auf; Teile, die so speziell sind, dass sie zumeist ausschließlich für diesen Zweck gefertigt werden. Das Grundgerät enthält sogar die fünffache Menge, das Gesamtgerät ein Vielfaches mehr. Entsprechend aufwendig sind hier Montage und Prüfung.
In die Produktion gibt die noch nicht montierte Abdeckplatte den Blick frei auf eine Vielzahl von Platinen, Modulen und Steuerungen. Sie zeigen die Herausforderungen, Mechanik und Elektronik zu einem lebenserhaltenden System zu kombinieren. Jeder Fehler − ob in der Entwicklung, während der Herstellung oder Endmontage − wäre später eine potenzielle Gefahrenquelle. „Hier sitzen die RFID-Module”, erklärt Vieillemard und zeigt auf kleine Platinen. „Sie sorgen beispielsweise dafür, dass die sogenannte Wasserfalle zur Sicherheit der Patienten rechtzeitig vor Ablauf ihrer Schutz- und Filterfunktion ausgetauscht wird.”
Zum Abschluss ein Ultramarathon
Bei der Prüfung des Grundgerätes kommen die 20 Liter fassenden Glasflaschen als ‘künstliche Lunge’ ins Spiel: „Die kupferfarbene Spezialwolle darin bietet für den Atemkreislauf einen ähnlichen mechanischen und thermischen Widerstand wie das Lungengewebe”, erläutert Vieillemard. Am Ende der Montagelinien steht schließlich der Perseus A500 nach Kundenspezifikation zur Auslieferung bereit. Nun folgt noch ein abschließender Systemtest − ein zehntägiger Dauerlauf, mit Atembeutel und angeschlossenem Atemschlauch-Set. „Ein echter Marathon”, sagt der Projektleiter, zieht im Weitergehen an einem Band die Tür zum Versand auf und zeigt auf die spezielle Form einer tiefergelegten Palette, dank derer das Anästhesiegerät auch versandfertig noch unter einer Höhe von 1,60 Metern bleibt. „Sonst wären die Versandkosten gleich deutlich höher.” Und so wird gerade dort eingespart, wo es ohne Einbußen an Qualität und Sicherheit möglich ist − bis zum letzten Arbeitsschritt.
Datenintegration des Narkosemittelverdampfers über Infrarotschnittstelle
Bild: Drägerwerk AG & Co. KGaA
Die wesentlichen Funktionseinheiten eines Narkosegeräts sind die Mischereinheit für das Frischgas, das Beatmungsmodul inklusive Rückatemsystem, CO2-Absorber, Narkosegasabsaugung sowie Atembeutel und -schläuche. Die Dosierung der Anästhetika erfolgt über klassische Narkosemittel- Verdampfer, sogenannte ‘Vapore’, deren neuartige optische Schnittstelle u.a. Daten für die Prognose des am Display angezeigten Narkoseverlaufs liefert. Führt der Anästhesist die Narkose etwa im Minimal-Flow-Bereich durch, kann er den Verbrauch von teuren Narkosemitteln deutlich reduzieren.
Dem System wird dann nur so viel Narkosemittel zugeführt, wie der Patient zwingend benötigt. Unter den zahlreichen Neuentwicklungen, die Dräger zum ersten Mal bei einem Anästhesiegerät einsetzt, zählt auch die optische Schnittstelle zwischen Perseus A500 und den Narkosemittel-Verdampfern. „Bei dieser Entwicklung haben wir uns überlegt”, sagt der verantwortliche Projektleiter Claus Bunke, „wie man die klassischen und betriebserprobten vollmechanischen Vapore datentechnisch integrieren kann.” So schied beispielsweise eine Anbindung an Bluetooth aus, weil sie eine Stromversorgung der Vapore erfordert hätte. Daraufhin entwickelte das Unternehmen eine optische Lösung: In unmittelbarer Nähe jedes Vapors stecken hinter einer roten Glasscheibe eine Leuchtdiode und eine Kamera.
Die Leuchtdiode strahlt im Infrarotbereich in Richtung Vapor, die Kamera nimmt dieses Bild auf, das eine nachgeschaltete Software auswertet. „Wir haben uns für das fürs menschliche Auge unsichtbare Infrarot entschieden, weil das langwellige Licht niemanden stört und auch Fremdlicht die Kamera nicht irritieren kann”, sagt Bunke. Die optische Schnittstelle liest dazu den Typ des Narkosemittels − wobei der Füllstutzen des Vapors immer nur ein bestimmtes Narkosemittel aufnimmt − sowie die Position des Handrads und damit die eingestellte Narkosemittelkonzentration aus. Auch wird erfasst, sobald eine bestimmte Füllmenge unterschritten wird.
Ein Unternehmen, das sich mit der Auswahl eines ERP- Systems befasst, muss sich gleichsam mit einem viel- schichtigen Software-Markt und unklaren Interessen- lagen an interne Abwick- lungsprozesse auseinander- setzen. Guter Rat bei der Investitionsentscheidung ist teuer. ERP/CRM Wissen Kompakt unterstützt Sie bei der gezielten Investition in die IT-Infrastruktur.
Immer mehr Anbieter von Maschinen, Automatisierungstechnik und Industriesoftware integrieren künstliche Intelligenz in ihre Produkte. Das ganze Potenzial spielen selbstlernende Systeme aber erst aus, wenn sie passgenau auf ihren Einsatz in Fertigung und Büro zugeschnitten wurden. Über beide Möglichkeiten, als Fertiger die Vorzüge von industrieller KI zu nutzen, geht es im regelmäßig aktualisierten Themenheft Künstliche Intelligenz.
Das Internet of Things verändert Produktwelten und die Vernetzung in der Fertigung gleichermaßen. Entstehende Ökosysteme laden zur einer neuen Form der Zusammenarbeit ein. Die Spezialausgabe IoT Wissen Kompakt informiert über die Technologie, Projektierung und Anbieter für die eigene Applikation, in- und außerhalb der Fabrik.
Um alle Potenziale eines MES umfassend ausnutzen zu können, beleuchten unsere Autoren in der Serie von MES Wissen Kompakt die erfolgskritischen Faktoren, um Fertigungsunternehmen präventiv zu steuern. Darüber hinaus präsentiert MES Wissen Kompakt ein breites Spektrum an Firmenportraits, Produkt- neuheiten und Dienst- leistungen im MES-Umfeld.
Mittelständische Unternehmen investieren selbst in schwierigen Zeiten in Microsoft-Technologien, weil sie überzeugt sind, dass ihre Mitarbeiterproduktivität steigt und sich ihre Kostenstruktur bessert. Microsoft hat mit dem Microsoft-Partner-Network ein Netzwerk aufgebaut, das ein Forum für den Aufbau von Partnerschaften, Zugang zu Ressourcen und einen Rahmen für Dialoge und Kooperationen bietet. Für unsere Leser gibt die Microsoft-Partnerübersicht in Ausgabe Juli/August der IT&Production Tipps für die Suche nach einer geeigneten Branchen- oder Speziallösung im Bereich des produzierenden Gewerbes.
Auf der Suche nach Innovation, nach neuen Lösungen und der Abgrenzung zum Mitbewerb vernetzen sich zunehmend mehr Unternehmen mit externen Experten und Partnern. SAP hat mit dem SAP-Ecosystem ein Netzwerk aufgebaut, das ein Forum für den Aufbau von Partnerschaften, Zugang zu Ressourcen und einen Rahmen für Dialoge und Kooperationen bietet. In der Maiausgabe der Fachzeitschrift IT&Production erhalten unsere Leser einen aktuellen Überblick zum SAP-Ecosystem im Bereich des produzierenden Gewerbes.