Qualität der Prozesse und Produkte verbessern

Das Ziel heißt: Null Fehler

Qualitäts-Guru Philip B. Crosby rief schon in den 60er-Jahren in seiner ‚Mach’s gleich richtig‘-Philosophie zur Fehlervermeidung auf. Dieser Ansatz birgt großes Potenzial: Es heißt, dass Unternehmen durchschnittlich 25 Prozent ihrer Zeit aufwenden, Fehler zu korrigieren und zu beseitigen. Nicht immer führen Termin- und Kostendruck zum teuren Rückruf. Häufig lernen Firmen nicht konsequent aus ihren Fehlern. Warum ist das so und was kann man auf dem Weg zur Industrie 4.0 dagegen tun?



Bild: Pickert & Partner GmbH

Produkt-Innovationszyklen, die Zeit vom Konzept über die Herstellung bis zur Lieferung, werden kürzer, das Customizing der Produkte wird höher, die Vielfalt größer, kurzfristige Änderungen häufiger. Individualität, hervorragende Leistung und Qualität sowie ein günstiger Preis werden vorausgesetzt. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Compliance, Umwelt und Corporate Social Responsibility. Und in jedem Schritt des Produktlebenszyklus können Fehler auftreten. Je später ein Fehler allerdings entdeckt wird, umso teurer kann es werden. Ist ein Produkt erst im Einsatz, lassen sich Fehler nicht mehr vermeiden, sondern nur entdecken. Konsequenz daraus kann ein Rückruf sein. Denkt man somit über Möglichkeiten zur Fehlervermeidung nach, so können naturgemäß nur bekannte Fehler vermieden werden. Unbekannte Fehler lassen sich lediglich entdecken.

Bekannt und unbekannt

Ein Fehler ist bekannt, wenn er dokumentiert ist – etwa in der Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse, kurz FMEA. Dort werden die Ursachen offengelegt. Mit Gegenmaßnahmen sollen sie beseitigt werden, damit der Fehler künftig vermieden wird. Erst wenn Vermeiden nicht möglich ist, darf auf Entdeckungsmaßnahmen zurückgegriffen werden. Mit diesem Wissen über den gesamten Produktlebenszyklus ist eine Absicherung hinsichtlich einer Null-Fehler-Produktion möglich. Denn auch wenn ein Fehler später etwa bei der Herstellung, Montage, Auslieferung und Nutzung auftritt, hätte der Fall betrachtet werden müssen. Tritt ein Fehler auf, der bereits im Vorfeld identifiziert war, werden als Gründe dafür immer wieder Zeit, Kosten oder Ressourcen angeführt. Dann sind auf einmal genug Zeit und Ressourcen verfügbar, um Fehler zu beseitigen oder gar Rückrufe durchzuführen. Infolge könnten die verfügbaren Ressourcen bei aktuell hergestellten Produkten tatsächlich knapp werden.

Industrie 4.0 kann klappen

Mit Manufacturing Execution-Systemen und unter dem Schlagwort Industrie 4.0 werden viele IT-Lösungen angeboten, die Unternehmen bei ihren Qualitätsinitiativen unterstützen sollen. Dabei lassen sich durch den pragmatischen Einsatz existierender Lösungen oft schon deutliche Verbesserungen erzielen. Häufig wird dabei die Verzahnung zwischen Produktion und Qualität übersehen. Ein Nebeneinander der CAQ- und MES-Lösungen führt zu Effizienzverlust, Wiederholfehlern und erschwert das Lernen aus Fehlern. Viele Erkenntnisse oder Technologien im Industrie 4.0-Umfeld sind nicht neu, sondern ergeben in Kombination weitere Möglichkeiten, die Effizienz, Prozess- und Produktqualität und letztendlich Wettbewerbsfähigkeit sowie Kundenzufriedenheit zu steigern. Dafür müssen Weichen gestellt werden: Es gilt Fehler zu vermeiden, die Produktion wandlungsfähig zu gestalten und für den Fall der Fälle eine Traceability sicherzustellen. Eine MES-Software sollte sich möglichst ohne Programmierung den Bedürfnissen der Anwender anpassen, vorhandene Standards und Technologien einsetzen und eine Integration der Systeme unterstützen. So lassen sich über die Wertschöpfungskette entstehende Informationen analysieren, aggregieren, filtern und verteilen. Vier Faktoren gilt es auf diesem Weg zu berücksichtigen.

Mitarbeiter lenken Prozesse

Alle Anwender vom Werker bis zum Manager müssen das Gefühl haben, die Prozesse beeinflussen und treiben zu können, anstatt von ihnen getrieben zu werden. Das hilft, Vorurteile und Misstrauen abzubauen. Durch steigende Komplexität ist es notwendig, dass die Menschen nicht mit zu vielen Informationen überfordert werden und dass sich IT-Systeme intuitiv und bedarfsgerecht anwenden lassen. Mit der Einbindung aller Organisationseinheiten wie IT und Betriebsrat sowie Kunden und Lieferanten lassen sich zudem auch sensible Themen wie IT-Sicherheit, Transparenz der Daten und Effizienz ansprechen und lösen.



Die Zehnerregel beschreibt die Kosten, die ein Fehler verursacht.
Bild: Pickert & Partner GmbH

Informationen verteilen

Wissen um Fehler muss dokumentiert und kommuniziert werden. Sind Informationen zum Fehler und dessen Ursachen nicht über den Lebenszyklus hinweg verfügbar, ist jeder weitere Prozessschritt risikobehaftet oder sinnlos. Mitarbeiter müssen in die Prozesse eingebunden werden, um Wissensträger zu Treibern und nicht Blockierern zu machen. In der Produktion und Qualität fallen laufend Daten an. Diese müssen meist zum Zeitpunkt ihres Entstehens den Monitoring- und Analysesystemen zur Verfügung stehen. Es sind also Vorgaben zur Überwachung notwendig, die bei konsequenter Umsetzung bereits in der FMEA definiert wurden. Auch die Zusammenhänge müssen bekannt sein. Im Zuge des Big Data-Trends werden häufig Daten mit großem Aufwand, aber ohne Ziel erfasst. Es müssen jedoch jedem Betrachter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen.

Integrierte Systeme

Die Integration von Systemen und Anlagen ist Basis einer Industrie 4.0. Ohne Integration gehen die Informationen verloren, auf dem ein organisatorischer Rahmen zur Fehlervermeidung beruht. In einer Bitkom-Studie nennen mittelständige Unternehmen den Investitionsbedarf und fehlende Standards als größtes Hindernis für die Systemintegration. Abhilfe schafft etwa OPC-UA – ein Standard, der wie ein Reisestecker für jedes System nur einmal umgesetzt wird und sich dann immer wieder verwenden lässt. Auch Kleincomputer bieten eine kostengünstige Möglichkeit, diese in nahezu beliebige Objekte zu integrieren, damit selbständig Informationen ausgetauscht werden. Die Kommunikation von Maschine und Produkt muss einfach sein: Eine neue Maschine meldet sich am Produktionsnetzwerk an, gibt Informationen über Fähigkeiten und Kapazitäten und wird automatisch in den Produktionssysteme-Verbund aufgenommen. Allerdings sind auch Hürden zu überwinden. Offene IT-Architekturen zum Datenaustausch gibt es nicht überall. Zum Teil sind es veraltete Systeme oder Insellösungen, die nicht dokumentiert oder manchmal sogar mit einem Passwort geschützt sind, das keiner mehr kennt. Schrittweises Vorgehen, das alle beteiligten Systeme, Maschinen, Anlagen und Partner zusammenbringt, führt am Ende zu einer integrierten Umgebung.

Überwachung und Reaktion

Ergibt eine Prüfung oder ein Ereignis, dass ein Fehler aufgetreten ist, ist es zu spät – er kann nur noch korrigiert werden. Eine Fehlervermeidungsstrategie soll dies verhindern und überwacht Prozesse so, dass Fehler vermieden, frühzeitig erkannt oder im schlimmsten Fall bei Auftreten sichtbar werden. Fehlervermeidung benötigt keine Reaktion. Mit früher Erkennung ist die Reaktionszeit gleich Null und erst bei dem Auftreten muss gehandelt werden. Die effizienteste Reaktion erfolgt dementsprechend auf der Grundlage der zuvor beschriebenen Integration und Lenkung der passenden Informationen. Echtzeit muss im jeweiligen Kontext betrachtet werden. In manchen Fällen können auch Stunden oder gar Tage Echtzeit-Charakter haben.





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