Projekt ‚Bau Zeit‘

Die Fabrik 4.0 planen

Industrie 4.0 ist das Zukunftsbild unter anderem einer digitalen Fabrik, in der Maschinen, Menschen und Produkte miteinander kommunizieren und sich automatisiert durch die vernetzte Produktion steuern lassen. Doch wie wird diese Produktion geplant?



Bild: Fraunhofer-Institut IFF

An der Digitalisierung führt auch bei der Planung einer Fabrik kein Weg vorbei. Für eingefahrene Planungsstrukturen sowie die IT stellt das jedoch eine Herausforderung dar. Die Vorteile einer integrierten Planung (Building Information Modeling/BIM), das heißt einer bereits in der Planungsphase vollzogenen, Gewerke-übergreifenden Zusammenarbeit liegen für die Fabrik 4.0 auf der Hand. Alle Beteiligten reden von dem gleichen Modell, denn es gibt nur eines. Jeder hat Zugriff auf den aktuellen Planungsstand, denn die Daten liegen zentral. Jede Änderung wird kommuniziert und ihre Auswirkungen von den zuständigen Planern geprüft. Das sind die Vorteile einer erfolgreichen Kommunikation, die im digitalen Zeitalter immer einfacher wird. Der Nutzen erstreckt sich bis in die Bauausführung und den Betrieb der Fabrik. Die Fabrik ist mit der Fertigstellung des Baus komplett digitalisiert und kann mit zusätzlichen Informationen zur Produktionsplanung und -Steuerung versorgt werden. Gleichzeitig geht das Modell in das Facility-Management über, sodass eine ganzheitliche Betrachtung des Systems Fabrik möglich wird. Voraussetzung dafür ist eine hohe Disziplin in der Pflege der Modelle. Nur wenn die Informationen, die aus dem Modell gefiltert werden können, aktuell sind, entsteht der reale Nutzen.

Übersetzungsarbeit gefragt

Über verschiedene Fachdisziplinen denselben Sprachgebrauch einzuführen, ist besonders schwer, wenn jeder sein spezifisches Modell vor Augen hat und dort Änderungen einpflegt. Alle Informationen in einem Modell zu halten, bedeutet also viel Übersetzungsarbeit, im Sinne der Zusammenführung verschiedener Dateiformate und Denkstrukturen. Soll die Pflege aller zusammengeführter Daten gelingen, muss die Handhabung besonders einfach und intuitiv sein und am besten in der gewohnten Umgebung erfolgen. Das heißt, jeder nutzt weiterhin die eigene spezifische Software, stellt die Ergebnisse seiner Arbeit aber regelmäßig dem Projektteam über einen gemeinsamen Informationspool zur Verfügung. Dort wird das Modell versioniert und über Filter entsprechende Teilmodelle den übrigen Fachplanern zur Verfügung gestellt. Zur Planung von Bauwerken werden zum Beispiel Informationen aus MS-Project, Excel, Kalkulations- oder CAD-Programmen, aber auch Kalenderdaten benötigt. Einige umfangreiche CAD-Programme unterstützen bereits das Datenschema Industry Foundation Class (IFC), welches einen offenen Austauschstandard bietet. Die Struktur der Daten in MS-Projekt und im Kalender ist ebenfalls geordnet, allerdings ist Excel völlig frei gestaltbar. Die Datenvielfalt ist vorher nicht absehbar. Hier schafft das Forschungsvorhaben ‚Bau Zeit‘ Abhilfe, indem es auf eine noSQL Datenbank setzt, die ohne Strukturvorgabe auskommt. Zu jeder abgelegten Information wird eine Reihe an Metadaten gespeichert, die eine gezielte Verknüpfung mit weiteren Informationen aus anderen Quellen unterstützt. Derzeit werden Suchmechanismen implementiert, kombiniert und weiterentwickelt, die Informationen auf gleichartige Beschaffenheit überprüfen. Auf diese Weise wird die automatisierte Suche nach zugehörigen Informationen unterstützt. Dies führt zu einem erheblichen Performance- und Qualitätsgewinn. Die Prozesse sind zudem für den Anwender transparent. Im Gegensatz zu den Ergebnissen aus dem Forschungsvorhaben Mefisto, wo auf eine SQL-Datenbank gesetzt und eine eigene Sprache Multimodel Quering Language (MMQL) zur Verknüpfung von Informationen eingeführt wurde, sind hier keine Programmierkenntnisse notwendig.



Von der Multiprojektplanung zur Fabrikplanung. Bild: Fraunhofer-Institut IFF


Einsatz und Übertragbarkeit

Ein kleines Unternehmen bei Cottbus baut Einfamilienhäuser und ist schnell gewachsen. Den Überblick zu behalten fällt dem Bauunternehmen nicht leicht. Eine große Plantafel soll helfen, doch auch drei mittlerweile nebeneinanderliegende Tafeln genügen nicht mehr, um einfache Kundenanfragen zu beantworten. Bauleiter erleiden schlaflose Nächte, aus Angst, etwas vergessen zu haben. Nun werden die eigenen IT-Kenntnisse bemüht, um die wichtigsten Informationen von einer privaten Cloud von überall aus abrufen zu können. Doch die Informationen liegen in vielen verschiedenen Datenquellen. Spätestens wenn Neukunden wissen wollen, wann der früheste Baubeginn für das eigene Haus sein könnte, wird ein Überblick über alle Projekte dringend notwendig. Informationen aus MS-Project, Excel und dem Kalender wurden im Rahmen des Forschungsvorhabens ‚Bau Zeit‘ zusammengeführt und einer Optimierungs-Engine übergeben. Somit war die Frage der zukünftigen Bauherren schnell beantwortet. Als Plug-in für Projektplanungssoftware plant und strukturiert ‚Bau Zeit‘ selbst große Projekte agil und intelligent.

Ganzheitliche Planung

Die Betrachtung einer ganzheitlichen Planung ist bei der Optimierung, Restrukturierung, Umplanung und Neuplanung von Fabriken nicht mehr wegzudenken. Der Fabrikplanungsprozess kann von der Lösung des vorher genannten Problems ebenfalls profitieren. Schon die Grundlagenermittlung wird zusammen mit dem Architekten in einem 3D-Modell durchgeführt, jede Anpassung und Änderung wird mit Datum und Ursache versehen und in der noSQL-Datenbank abgelegt. Für die Konzept- und Detailplanung werden bereits die nächsten Gewerke integriert. Alle Informationen können einem Analyseverfahren (Simulation, Optimierung) zugespielt werden, Kosten der verschiedenen Varianten werden verglichen und wieder alle Änderungen dokumentiert. Der Maschinenpark kann schon abgebildet werden, bestenfalls wird die Inbetriebnahme auch gleich virtuell erprobt. Viele Informationen für die Fabrikplanung liegen bereits digital vor, doch dies ermöglicht nicht automatisch eine verbesserte Zusammenarbeit. Die Informationen müssen allen Beteiligten zugänglich und logisch miteinander verknüpft sein. Als zentraler Zugang zu den Informationen ist das 3D-Modell denkbar. So lässt sich für jede Werkhalle separat der Zeitplan, der Kostenumfang und die Abhängigkeiten zu anderen Planungsebenen anzeigen. Die Nutzung digitaler Medien wird das reale Zusammentreffen der Planer nicht ersetzen. Vielmehr wird sie solche Treffen unterstützen und die fachübergreifende Kommunikation vereinfachen. An die Planung geknüpfte Prozesse verändern die bestehende klassische Fabrikplanung. Der Planungsprozess wird mehr Bedeutung erfahren, aber auch mehr Aufwand mit sich bringen, weil Details besser diskutiert und Varianten vielfältig verglichen werden können. Um leistungsstark zu bleiben, werden industrielle Unternehmen jedoch nicht umhinkommen, sich den Herausforderungen zu stellen, die die Umsetzung einer digitalen Fabrik mit sich bringt.