Beitrag drucken

Produktion planen und steuern

„Die Energieverluste transparent darstellen“

Die Preise für die Versorgung mit elektrischer Energie haben sich in den letzten zehn Jahren für gewerbliche Abnehmer fast verdoppelt. Die vielbeschworene Energiewende in Deutschland bedeutet für Unternehmen nicht ausschließlich neue Risiken, sondern ist auch mit Chancen verbunden. Hier setzt das Forschungsprojekt eMES an. Im Interview erklärt Jochen Schumacher den Prototypen zur energieorientierten Produktionsplanung und -steuerung. Schumacher ist Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Perfect Production.



Bild: Perfect Production GmbH
Herr Schumacher, wofür steht eMES?

Jochen Schumacher: Das Forschungsprojekt ‘eMES’ steht für die energieorientierte Produktionssteuerung sowie Maschinensteuerung und -überwachung in einem Manufacturing Execution System. Zusammen mit vier weiteren Partnern haben wir das Ziel, die Energiekosten in der Produktion durch Vermeidung von Lastspitzen oder günstigeren Strom-Einkaufspreisen zu reduzieren.

Kosten zu sparen, ist immer gut. Aber warum gerade bei der Energie?

Schumacher: Zukünftig ist, vor dem Hintergrund der Energiewende in Deutschland, eine Energieangebots- und verbrauchsorientierte Steuerung der Produktion von großem volkswirtschaftlichen Interesse. Die Erfassung, Regelung und Optimierung des Energieverbrauchs produzierender Unternehmen durch ein MES-System leistet einen wesentlichen Beitrag für ebendiese Einsparungen. Das MES hilft dabei, Lastspitzen zu senken sowie Niedrigpreisphasen und Lastabwurfanfragen des Stromversorgers aktiv zu nutzen.

Was ist neu beziehungsweise die Innovation?

Schumacher: Bisher erfolgte die Umsetzung rein durch eine energieorientierte Überwachung der Produktion meist durch Einführung von sogenannten Energiecontrolling-Systemen. Die meisten Anbieter von Energiemanagementsystemen bieten nur die Möglichkeit der Dokumentation des Energieverbrauchs. Die Planung und Optimierung des Produktionsplans aus energetischer Sicht kann für viele, gerade energieintensiven Unternehmen mit einem hohen Kosteneinsparpotenzial verbunden sein. Beispielsweise können sie so bewerten, energieintensive Fertigungsaufträge effizienter einzuplanen, um die kostengünstigeren Schwachlastzeiten für die Produktion zu nutzen.

Wer sind die Partner im Projekt?

Schumacher: Die MPDV Mikrolab GmbH stellt die zentrale Software-Komponente des Projektes. Im Zuge der immer stärkeren Vernetzung von Fertigungs- und Managementebene ist die Standardisierung von Schnittstellen aller Art von großer Wichtigkeit. Mit ‘Universal Machine Connectivity for MES’ hat MPDV basierend auf der VDI5600 ein einfaches Datentelegramm entwickelt. Die Entwicklung der Schnittstellen für das MES erfolgt in enger Abstimmung mit dem technischen Partner Berg GmbH. Im Bereich der Konzeptionierung der Bestandteile der Software sowie der Entwicklung neuer Algorithmen erfolgt die Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Partner, dem Fraunhofer IPT aus Aachen. Durch die Umsetzung einer energieeffizienten Steuerung der Produktion, die den Energieverbrauch der eingeplanten Produktionsprozesse in Echtzeit berücksichtigt, wird es möglich sein, Lastspitzen unter der Beachtung von Liefertreue und kurzer Durchlaufzeit zu senken.

Warum ist eMES auch für Sie als Unternehmensberatung relevant?

Schumacher: Zur Umsetzung von Energiesparmaßnahmen im Unternehmen mit einem Manufacturing Execution System bedarf es erst der Identifikation einer neuen Verschwendungsart: die Energieverschwendung. Wie auch bei der klassischen Wertstrommethode gilt es auch hier, die Produktion im gesamten zu betrachten, und die Energieverluste transparent darzustellen. Diese Energieeffizienzpotenziale werden mit entsprechenden Kennzahlen und Planungsprinzipien im Soll-Wertstrom verarbeitet. Nach der vollständigen Beschreibung der Prozesse können diese mit einem MES unterstützt werden.

Wann können wir mit ersten Ergebnissen rechnen?

Schumacher: Der Energieverbrauch kann bereits bei der Feinplanung von Produktionsaufträgen im MES-Leitstand angezeigt werden. Die Berechnung des zu erwarteten Energiebedarfs erfolgt über vorher ermittelten Energieverbräuche pro Stück oder pro Zeit, die am Arbeitsgang hinterlegt werden. Durch das Umplanen der Arbeitsgänge kann so der optimale Energieverbrauch ermittelt werden. Das Forschungsprojekt ‘eMES’ wird im ‘KMU-innovativ-Programm’ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung seit 2014 gefördert. Wir gehen fest davon aus, dass sich die neue Funktionalität von eMES aufgrund des modularen Aufbaus der bestehenden Systeme voraussichtlich Ende 2017 am Markt etablieren.

Forschungsprojekt eMES

  • Energieorientierte Produktionssteuerung sowie Maschinensteuerung und -überwachung in einem – Manufacturing Execution System (MES).

 

Partner

  • Perfect Production GmbH
  • MPDV Mikrolab GmbH
  • Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie (IPT)
  • Berg GmbH
  • August Lücking GmbH & Co. KG

 

Ziele

  • Energieorientierte Planung des Produktionsablaufs 1 bis 3 Tage im Voraus
  • Schaffung von Transparenz über den aktuellen Energieverbrauch im Unternehmen
  • Kurzfristige Prognose des Energieverbrauchs
  • Überwachung des tatsächlichen Energieverbrauchs und Reaktion auf Abweichungen von der PlanungBerücksichtigung von besonderen Energiepreisen in Schwachlastzeite


Das könnte Sie auch interessieren:

Prof. Dr.-Ing. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wird der 11. Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft und löst Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer nach fast elf Jahren ab.‣ weiterlesen

Christian Thönes, Vorstandsvorsitzender bei DMG Mori, hat am Donnerstag sein Amt niedergelegt. Sein Vertrag wurde im Rahmen einer Aufsichtsratssitzung einvernehmlich beendet. Alfred Geißler wurde vom Aufsichtsrat zum Nachfolger bestellt.‣ weiterlesen

Microsoft feiert 40. Geburtstag in Deutschland und eröffnet ein europäisches Experience Center in München. Es ist eines von vier Experience Centern weltweit.‣ weiterlesen

Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme beleuchten in einem neuen Whitepaper, wie es um die Entwicklung europäischer bzw. deutscher KI-Sprachmodelle bestellt ist.‣ weiterlesen

Cyber-physikalische Systeme (CPS), wie etwa Autos oder Produktionsanlagen, stecken voller elektronischer und mechanischer Komponenten, die von Software gesteuert werden. Jedoch ist es eine Herausforderung, die Systemarchitekturen solcher Systeme fortwährend konsistent zu halten. Neue Methoden dafür soll ein Sonderforschungsbereich (SFB) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeln.‣ weiterlesen

Mit der Akquisition der Pod Group hat G+D bereits 2021 sein Portfolio im IoT-Bereich erweitert. Durch den Erwerb von Mecomo geht das Unternehmen nun einen weiteren Schritt in Richtung IoT-Komplettanbieter im Transport- und Logistikbereich.‣ weiterlesen

Die Grimme-Gruppe produziert individuell konfigurierte Landmaschinen. Was für den Wettbewerb Vorteile bringt, ist allerdings mit großem Aufwand verbunden - so verwaltete Grimme Kundenanfragen lange über ein Excel-Tool. Mit dem Softwareanbieter Slashwhy zusammen wurde dies durch ein webbasiertes Anfragemanagement-Programm abgelöst.‣ weiterlesen

Die Software Moryx hilft der Fertigungssteuerung, Maschinen schnell auf einen neuen Kurs zu bringen oder sie für den nächsten Auftrag anzupassen. Mit seinen einheitlichen Bedienoberflächen und seiner niedrigen Einstiegshürde ist das Tool von Phoenix Contact insbesondere auf den Einsatz in Fertigungen mit der Losgröße 1 ausgerichtet.‣ weiterlesen