Predictability in der Halbleiterindustrie

Vorausschauende Fertigungssteuerung

Wissen, was Morgen geschieht und nicht erst im Nachhinein reagieren – was wie Zukunftsmusik klingt, kann in der Fertigungsindustrie mit Hilfe moderner Technologien erreicht werden. In der Halbleiterindustrie basiert diese ‚Predictability‘ auf vier Schlüsseldisziplinen: Predictive Maintenance, Predictive Scheduling, Virtual Metrology sowie Yield Production and Control. Hinter diesen Schlagworten verbergen sich Technologien aus der konsequenten Weiterentwicklung des hohen Niveaus bei der Überwachung, Kontrolle und Automatisierung der Fertigunsprozesse in der Branche.

Bild: Applied Materials

Unternehmen, die komplexe, technische Produkte herstellen, geraten zunehmend unter Druck, ihre Produktionsprozesse zu ändern. Das Ziel ist, von einer reaktiven Arbeitsweise zu einer vorausschauenden Produktion zu wechseln. Bei der reaktiven Arbeitsweise werden Probleme erst behoben, nachdem sie in der Fabrikhalle aufgetreten sind. Beim vorausschauenden Modell, also der ‚Predictability‘, können Probleme bereits vor der eigentlichen Produktion antizipiert und vermieden werden.

Die Umsetzung dieses Ansatzes wird heute vor allem aufgrund heftig umkämpfter Märkte vorangetrieben, um Leistung, Qualität und Reaktionsfähigkeit zu steigern und gleichzeitig Kosten zu senken. Möglich wird die vorausschauende Produktion durch neue Entwicklungen bei Software, Sensoren, Steuerungen, Netzwerken, Modellierungen und Simulationen. So lassen sich wichtige betriebliche prozess- und anlagenbezogenen Daten sammeln und analysieren. Realisiert wird Predictability etwa im Maschinenbau, wo vorausschauende Algorithmen den Zustand von Schneidwerkzeugen überwachen, um Standzeiten zu verlängern oder auch Mängel der Oberflächenqualität zu vermeiden.

Auch Automobilhersteller profitieren von diesem Ansatz. So haben Toyota Motor Manufacturing und die University of Cincinnati Center for Intelligent Maintenance Systems eine adaptive, planbare Kompressor-Regeltechnik entwickelt. Damit plant die Toyota-Fertigungsanlage in Georgetown, Kentucky, jährlich 50.000 US-Dollar an Energiekosten einzusparen.

Herausforderungen in der ­Halbleiterproduktion

Predictability in der Halbleiterproduktion steht vor der besonderen Herausforderung, dass die Fertigungsprozesse in diesem Industriezweig zu den weltweit komplexesten, kostenintensivsten und schwierigsten gehören. Da hier im atomaren Bereich hochwertige Chips hergestellt werden, entstehen extrem enge Prozessfenster, die schwierig zu kontrollieren, geschweige denn zu prognostizieren sind. Jede neue Chip-Generation verlangt mehr Prozessschritte und Variablen. Zudem sorgen schnelle Produktzyklen und veränderte Produkte dafür, dass der Zeitraum vom ersten Prozess bis zur Auslieferung immer kürzer wird. In der Regel versuchen Unternehmen Pufferkapazität bereitzuhalten, um Produktionsausfälle zu reduzieren. Halbleiterhersteller verfolgen oft eine Strategie der Überinvestitionen in zusätzliche Tools und der Lagerung von kritischen Komponenten. Kritische Subsysteme sind meist mit konservativen Zeitplänen ausgestattet, um das Risiko von ungeplanten Stillständen zu senken.

Transportoptimierung in der Wafer-Produktion

Doch diese kostenintensiven Maßnahmen können nicht sicherstellen, dass Probleme zuverlässig vermieden werden. Demnach gewinnt die Fähigkeit, Warenströme und Ausfallzeiten vorhersagen zu können, signifikant an Bedeutung. Mit Predictability können Halbleiterhersteller Wettbewerbsvorteile erzielen, in dem sie Produktionsprozesse optimieren und den Ertrag aus teuren Investitionsgütern maximieren. Der Ansatz beschreibt die konsequente Weiterentwicklung des hohen Niveaus bei Überwachung, Kontrolle und Automatisierung, mit der komplexe Halbleiter-Produktionsanlagen heute ausgestattet sind. Wie sehr sich die Automatisierung durchgesetzt hat, zeigt das Beispiel der Software Applied Smart Scheduling, die die Toshiba Corporation in der Lithografie für die 300-Millimeter-Wafer-Fertigung in ihrer ‚Mega-Fab‘ im japanischen Yokkaichi verwendet. Die Software unterstützt eine effiziente Anlagenlogistik und reduziert Engpässe in kritischen Bereichen, indem sie den Wafer-Transport innerhalb und zwischen verschiedenen Gruppen von Werkzeugen steuert und verbessert.

Technologie für mehr ­Vorhersehbarkeit

Der Predictability-Ansatz verspricht den größten Nutzen, wenn entsprechende Technologie nicht als isolierte Lösung, sondern innerhalb einer Fabrik als eigenständige Technologie im Gesamtkontext betrachtet wird. Entsprechende Systeme von Applied Materials eignen sich dank der Branchen- und Prozesserfahrung des Anbieters von Anlagen, Software und Dienstleistungen für die Halbleiterfertigung, deren komplexe Prozesslandschaften umfassend zu charakterisieren, zu modellieren und zu simulieren. Auf dieser Basis können auch integrierte und vorausschauende Maßnahmen für zukünftige Anlagen entwickelt werden, um Unternehmen bei der Implementierung von Lösungen für vorausschauende Instandhaltung oder ‚Predictive Maintenance‘ (PDM) zu unterstützen.

Vier Grundpfeiler der ­Predictability

Technologien der Predictability entwickelt das Unternehmen auf Basis von vier Komponenten. Als erste Säule dient PDM dazu, Daten und Prozesse zu analysieren, um nicht vorhergesehene Ausfallzeiten zu prognostizieren und zu verhindern. So können außerdem das Kapitalvermögen gechützt sowie die Qualität in der Produktion aufrechterhalten werden – etwa indem die mittleren Reparaturzeiten oder ‚Mean Time to Repair‘ (MTTR) durch das Aufzeigen von Lösungsszenarien gesenkt und Wartungspläne entzerrt werden. Das kann die Lebensdauer der Betriebsmittel erhöhen und so den Ausschuss senken. Den zweiten Grundpfeiler des Ansatzes stellt das ‚Predictive Scheduling‘ dar.

Führende Halbleiterproduktionen arbeiten bereits mit einer Echtzeit-Planung oder kurzfristigen Planungszyklen, um Arbeitsschritte zu erledigen und Wartezeiten zu vermeiden. So lässt sich die Fertigung schnell an veränderte Bedingungen bei Bestellungen, Lagerbeständen oder Produktionsanlagen einzustellen. Hierbei fließen Informationen ein, wie die Reihenfolge der eingegangenen Aufträge, zunehmende Auslastung sowie Verfügbarkeit und Kapazität der Ressourcen. Als dritte Säule nutzt die ‚Virtual Metrology‘ (VM) Informationen aus Anlagen und Prozessen, um messtechnische Werte vorherzusagen und den Aufwand für Wafer-Messungen in kostenintensiven In-Line-Systemen zu senken.

Studien haben gezeigt, dass so jährlich Kosten von bis zu 35 Millionen US-Dollar pro Fabrik gespart werden können. Als vierter Pfeiler für eine Predictability-Strategie gilt ‚Yield Prediction and Control‘. Wichtigste Einnahmequellen für die Halbleiterindustrie sind Produktausbeute und Fabrikdurchsatz – je höher, desto besser. Vorausschauender Technologien dienen dabei dazu, die Auswirkungen von Prozessen und Arbeitsabläufen auf Gesamtertrag und Durchsatz zu ermittlen. Diese Vorhersagen werden verwendet, um Produktionsabläufe zu steuern und das höchstmögliche Niveau von Ertrag und Durchsatz zu erreichen. Mit einer konsequenten Umsatz dieser Strategien können Unternehmen nicht nur aus der komplexen Halbleiterindustrie Wege finden, um Kosten zu senken, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten und die Produktqualität zu steigern.







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