Der Geschäftsbereich anorganische Pigmente eines deutschen Spezialchemieherstellers stand vor der Herausforderung, die Gesamtmarge zu verbessern, ohne seine Fertigungskapazitäten auszubauen. Dies konnte das Unternehmen im Verlauf einer entsprechenden Initiative durch Justage des Produktportfolios erreichen. Ein integrierter Abstimmungs- und Optimierungsprozess stellte im Rahmen der Projektarbeit sicher, dass erkanntes Potenzial auch erschlossen werden konnte. Bild: Capgemini Consulting

Spannungsfelder bei der Portfolioplanung

Neben den Spannungsfeldern zwischen den Funktionsbereichen stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die steigende Komplexität der Produktstruktur und der Produktionsprozesse zu begegnen und die Absatzprognose mit strategischen Vorgaben in Einklang zu bringen. Folgende Komplexitätstreiber sind zu berücksichtigen:

  • Produkte mit den höchsten Deckungsbeiträgen sind häufig nicht mengenmäßig die Stärksten
  • Ressourcen und Kapazitäten müssen zwischen den Produkten geteilt werden
  • Produktionsengpässe können auch auf Komponentenebene entstehen – nicht nur auf der Ebene der Fertigprodukte
  • Produkte können alternativ zur Eigenfertigung fremdbeschafft werden

Gerade die steigende Entscheidungskomplexität stellt eine Chance dar, unentdeckte Potenziale zu realisieren. Dabei kommt digitalen Optimierungstechnologien zur Unterstützung der Entscheidungsfindung eine zunehmend wichtige Rolle zu: Der Einsatz entsprechender Lösungen erlaubt eine integrierte Betrachtung, bei der quantitative Planungsparameter ebenso wie strategische Ziele berücksichtigt werden. Dabei kann sich herausstellen, dass Wissen um Deckungsbeiträge oft keine Aussage über die Machbarkeit aus Produktionssicht gestattet. Etwa wenn Produkte mit niedrigeren Deckungsbeiträgen für die Produktion vorteilhafter sind, weil sie die Produktionsressourcen weniger beanspruchen. In diesem Szenario gilt es die Absatzmöglichkeit der betreffenden Produkte zu prüfen, um zu ermitteln, welches Erzeugnis den größeren Wertbeitrag leistet.

Zudem können margenschwache Produkte häufig nicht aus dem Sortiment genommen werden, weil sie an strategisch wichtige Kunden verkauft werden oder sich erst später mit einer höheren Marge verkaufen lassen. Solche Zusammenhänge spielen eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Produktportfolios und können meist nur durch bereichsübergreifende Betrachtung erkannt werden. In diesem Kontext können Softwarewerkzeugen Entscheidungsträger unterstützen, komplexe Zusammenhänge zu erkennen und die Auswirkung von Entscheidungen auf die Gesamtprofitabilität auszuwerten. Die Software IBM Ilog ist zum Beispiel in der Lage, spezifische Optimierungsmodelle in der jeweils gewünschten Detaillierung darzustellen. Darüber hinaus können in der Planungsoberfläche Szenarien wie Preisänderungen, Kapazitätserweiterungen und Fremdvergabe von Fertigungsaufträgen durchgeführt und miteinander verglichen werden.

Gesamtmarge bei gleicher Kapazität erhöhen

Ein Beispiel aus der Praxis liefert ein führender deutscher Spezialchemiehersteller: Das Managementteam hat sich das Ziel gesetzt, den operativen Gewinn (Ebitda) in jedem Geschäftsbereich nachhaltig um fünf Prozent zu verbessern. Der Geschäftsbereich ‚anorganische Pigmente‘ hat deshalb eine Initiative in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Capgemini Consulting gestartet. Dabei sollten Zielbilder identifiziert und umgesetzt werden, um die übergeordneten Konzernvorgaben zu erreichen. Eins der Zielbilder fokussierte dabei die Bestimmung der deckungsbeitragsoptimierten Produktportfolios, welches die Gesamtmarge unter Berücksichtigung von Produktions-, Marketing- und Vertriebsaspekten maximiert. Obwohl sich das Unternehmen in einer Engpasssituation befand, war die mittelfristige Erweiterung der Kapazitäten unmöglich, um den erwarteten Kundenbedarf vollständig zu decken. Somit war es wichtig, das bestehende sowie zukünftige Produktportfolio in Hinblick auf den Wertbeitrag genauer zu untersuchen.

Für diesen ‚Business Case‘ wurde ein mathematisches Modell entwickelt, welches das Produktportfolio unter Berücksichtigung der Produktionskapazitäten, der prognostizierten Marktnachfrage und der strategischen Vorgaben optimiert. Dabei wurde zum Beispiel analysiert, wie der optimale Produktmix aussieht, wenn die Kundennachfrage nach A-Produkten auf jeden Fall gedeckt wird und die Restkapazität frei verteilt werden darf. Die Ergebnisse zeigten eine mögliche Steigerung der Gesamtmarge um über 15 Prozent. Dies wurde durch eine Verschiebung des Portfolios in Richtung derjenig Produkte erreicht, die sowohl eine gute Marge haben als auch im Rahmen der gegebenen Kapazitätsgrenzen produzierbar und am Markt absetzbar sind. Das integrierte Verfahren stellte dabei sicher, dass zentrale Abhängigkeiten berücksichtigt und einseitige Betrachtung vermieden werden. Zudem konnte ermittelt werden, wie die Gesamtmarge ansteigt, wenn die Kapazität bestimmter Ressourcen erweitert wird. Somit hatte das Management die Möglichkeit, den echten Wertbeitrag der Produkte und der Produktionsressourcen bewerten zu können, um an der richtigen Stelle fundierte strategische Investitionsentscheidungen treffen zu können. Damit sind nun eine verbesserte Transparenz







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